Irak:In Mossul kämpfen Scharfschützen und Selbstmordbomber

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Tausende Menschen verlassen Mossul in diesen Tagen auf der Flucht vor den Kämpfen gegen den IS. (Foto: dpa)
  • Der IS versucht, Mossul mit allen Mitteln zu verteidigen.
  • Iraks Armee kontrolliert bislang nur zwei Stadtteile wirklich, die anderen Viertel sind noch immer schwer umkämpft.
  • Die Hilfsorganisation Oxfam berichtet von zahlreichen Toten und Verletzten in der Stadt, Tausende Menschen sind auf der Flucht.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Die Truppen der irakischen Regierung haben bei ihrer Offensive zur Befreiung von Mossul eine Pause eingelegt, wie der Sprecher des Militärs am Donnerstag in Bagdad sagte. Dies solle den Einheiten erlauben, ihre Geländegewinne zu konsolidieren und bereits von der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) eingenommene Viertel am östlichen Rand der zweitgrößten Stadt auf Kämpfer zu durchsuchen sowie den weiteren Vormarsch vorzubereiten. Im Süden hat die Armee die Stadtgrenze noch nicht erreicht. Mit jedem Tag wird aber deutlicher, dass der IS versucht, Mossul mit allen Mitteln zu verteidigen.

Die Armee hat sieben Stadtbezirke als befreit gemeldet, kontrolliert aber nur zwei wirklich. In allen anderen Gebieten kommt es immer wieder zu schweren Gefechten. Kleine, sehr mobile Gruppen von IS-Kämpfern greifen mit Selbstmord-Autobombern, Scharfschützen und Mörsergranaten an, um sich dann schnell wieder zurückzuziehen. Teils starten sie ihre Attacken aus Tunnelsystemen, die sie in den zwei Jahren gegraben haben, in denen sie die Stadt beherrschten.

Mehr als 70 solcher Tunnel seien bislang zerstört worden, sagte ein Sprecher des US-Militärs in Irak. Die Taktik der Dschihadisten zielt darauf, die weniger beweglichen Armee-Einheiten in Kämpfen in den engen Straßen aufzureiben, ihnen immer wieder Verluste zuzufügen. Mossul ist zu groß, als dass es alleine von den speziell ausgebildeten Anti-Terroreinheiten der Goldenen Division befreit werden könnte.

Zugleich müssen die Soldaten Rücksicht auf Zivilisten nehmen, die aus Mossul fliehen. Laut der Hilfsorganisation Oxfam hat sich Zahl der Flüchtenden binnen einer Woche von 875 auf mindestens 3362 Familien mehr als verdreifacht. Viele der Überlebenden seien schwer verletzt und traumatisiert. Sie berichteten von zahlreichen Toten und Verletzten in der umkämpften Stadt. Einige der Flüchtlingslager in der Umgebung seien bereits voll belegt. Sorge bereitet den Hilfsorganisationen auch der nahende Winter, der Kälte und Regen mit sich bringt, in den Bergregionen Kurdistans auch Schnee.

USA haben Zahl ziviler Opfer bei Luftschlägen deutlich nach oben korrigiert

Für die Armee und andere Einheiten stellt sich zudem das Problem, dass sich IS-Kämpfer unter die Flüchtenden mischen können, um dann die Truppen hinter den Linien anzugreifen. In Lagern in Kurdistan sind schon mehrmals solche Schläfer enttarnt worden. Menschenrechtsorganisationen erheben nun Vorwürfe, irakische Einheiten hätten Menschen gefoltert und getötet, die aus dem IS-Gebiet geflohen seien. Laut Amnesty International wurden bis zu sechs Leichen von Männern bei den Orten Qayyarah und al-Schura im Süden von Mossul gefunden.

Nach Zeugenaussagen waren sie von Männern festgenommen worden, die Uniformen der paramilitärischen Bundespolizei trugen - aber auch zu anderen Gruppen bis hin zum IS selbst gehört haben könnten. Human Rights Watch berichtete, mindestens 37 IS-Verdächtige seien von kurdischen und irakischen Einheiten an Kontrollpunkten festgesetzt worden. In vielen Fällen wüssten die Familien nichts über den Verbleib ihrer Angehörigen. Die kurdische Regionalregierung in Erbil machte fehlende Ressourcen dafür verantwortlich und stellte klar, es gebe keine geheimen Gefängnisse. Die Zentralregierung in Bagdad teilte mit, die Truppen hielten sich an internationales Recht.

Die USA haben unterdessen die Zahl ziviler Opfer bei Luftschlägen gegen den IS deutlich nach oben korrigiert. Bei Untersuchungen von insgesamt 257 Angriffen, bei denen das US-Militär seit Sommer 2014 beschuldigt worden war, Zivilisten getötet zu haben, seien 31 Fälle als glaubhaft eingestuft worden. Nachprüfungen hätten ergeben, dass dabei nicht wie bislang angegeben 55, sondern bis zu 119 Zivilisten getötet worden seien, sagte Oberst John Thomas, Sprecher des für Irak zuständigen Territorialkommandos des US-Militärs.

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Die etwa 100 Toten wurden auf dem Gelände einer Landwirtschaftsschule gefunden; die Menschen wurden offenbar enthauptet. Taten wie diese sind zum Erkennungsmerkmal des IS geworden.

Amnesty hatte der von den USA geführten Anti-IS-Koalition vorgeworfen, bei elf Luftangriffen in Syrien mehr als 300 Zivilisten getötet zu haben, viele davon beim Versuch, die Stadt Manbidsch zu befreien. Daraufhin hatte das US-Militär eine neue Untersuchung aller bekannten Vorfälle angeordnet. In vielen Fällen dürfte es jedoch schwer sein, zuverlässig zwischen unbeteiligten Zivilisten und Kämpfern zu unterscheiden. Während Amnesty die selbst gesammelten Aussagen als Beleg wertete, dass die Koalition nicht genug Wert auf den Schutz von Zivilisten lege, teilte das US-Militär mit, in keinem dieser Fälle seien Einsatzregeln oder internationales Recht verletzt worden.

© SZ vom 11.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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