Internet-Überwachung:Deutschland nutzt NSA-Spähsoftware

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Ausgestattet mit Spähprogramm "X-Keyscore": Verfassungsschutz und BND arbeiten in der Computertechnik eng mit dem US-Geheimdienst zusammen. Kanzlerin Merkel müsse "endlich alle Fakten auf den Tisch legen", fordert die Opposition.

Von Daniel Brössler, Frederik Obermaier und Tanjev Schultz

Das Spionagenetz der National Security Agency (NSA): Für die Großansicht klicken Sie bitte auf die Grafik. (Foto: SZ-Grafik: Ilona Burgarth, Foto: Reuters)

Enthüllungen über die enge Zusammenarbeit deutscher Geheimdienste mit dem US-Dienst National Security Agency (NSA) gefährden die Verteidigungslinie von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Spähaffäre. Das Bundesamt für Verfassungsschutz bestätigte am Sonntag, eine NSA-Spähsoftware zu testen. Es bestritt aber ebenso wie der Bundesnachrichtendienst (BND) eine massenhafte Weitergabe von Daten an die USA.

Über die Software hatte der Spiegel berichtet. Er zitierte zudem aus einem NSA-Papier, in dem es heißt, die deutsche Regierung habe dem BND "mehr Flexibilität" bei der Weitergabe geschützter Daten an ausländische Partner eingeräumt. Der BND soll auf die Regierung eingewirkt haben, den Datenschutz laxer auszulegen.

Die Opposition verschärfte ihren Ton gegenüber der Koalition. Er erwarte von der Regierung, "dass sie endlich alle Fakten auf den Tisch legt und sich ernsthaft für den Schutz unseres Rechtsstaates und der Grundrechte einsetzt", sagte Grünen-Chef Cem Özdemir der Süddeutschen Zeitung. Er frage sich, "wie lange die Kanzlerin noch bei ihrem Motto bleibt: Mein Name ist Merkel, ich weiß von nichts". Es sei unglaubwürdig, dass das Kanzleramt nichts vom Ausmaß der Spähaffäre mitbekommen habe.

Der SPD-Politiker Thomas Oppermann sagte: "Das erschüttert die Glaubwürdigkeit der Kanzlerin bis ins Mark." Er könne nicht glauben, "dass die Kanzlerin sich sechs Wochen nach den Enthüllungen noch immer nicht informiert hat, was der BND macht". Dabei wisse der BND, der dem Kanzleramt unterstellt ist, offenbar genau, was die Amerikaner machen.

Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik rückt ins Blickfeld

Oppermann ist Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums für die Geheimdienste. Er kündigte an, er werde Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU) zu einer weiteren Sondersitzung des Gremiums einladen und ihn fragen, "ob und inwieweit er die Kanzlerin über die Aktivitäten des BND informiert hat".

Äußerungen des früheren NSA-Chefs Michael Hayden legen nahe, dass bereits nach den Anschlägen vom 11. September 2001 und somit zu Zeiten der rot-grünen Koalition die Zusammenarbeit deutscher Dienste mit der NSA ausgeweitet wurde. Dabei sollen auch die Ziele der NSA klar gewesen sein. "Wir waren sehr offen zu unseren Freunden", sagte Hayden im ZDF.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz bestätigte, die Späh-Software "X-Keyscore" von der NSA bekommen zu haben. Sie werde aber erst erprobt und nur zur Auswertung von Daten verwendet, die nach deutschen Gesetzen erhoben würden. Einen Austausch der Daten mit der NSA gebe es dabei nicht. BND-Präsident Gerhard Schindler sagte der Bild am Sonntag, "eine millionenfache monatliche Weitergabe von Daten an die NSA durch den BND findet nicht statt". Er räumte ein, dass der BND im Jahr 2012 "zwei einzelne personenbezogene Datensätze deutscher Staatsbürger" an die NSA übermittelt hat.

Ins Blickfeld rückt nun außerdem das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik. Denn die NSA bezeichnet auch diese deutsche Behörde als einen ihrer "Schlüsselpartner".

© SZ vom 22.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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