Zukunft der Innenstadt:"Mieten runter, Menschen rein"

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Problemzone Innenstadt: Die Zahl der Kunden und Geschäfte im Zentrum - wie hier in Köln - geht zurück. (Foto: Oliver Berg/dpa)

Seit Jahren bluten die Innenstädte aus, Onlinehandel und Corona-Auflagen haben vielen Geschäften einen weiteren Schlag versetzt. In einem ehrgeizigen Positionspapier beschreibt nun der Deutsche Städtetag, wie er die Citys vor der Verödung retten will.

Von Joachim Käppner, München

Manchmal lassen sich sehr komplizierte Dinge sehr einfach zusammenfassen. Der Deutsche Städtetag hat nun ein Positionspapier "Zukunft der Innenstadt" aufgestellt, das zwar lang und inhaltsreich ist, das aber der Hauptgeschäftsführer der Kommunalvertretung, Helmut Dedy, auf den griffigen Punkt bringt: "Mieten runter, Menschen rein."

Der Städtetag, die Vertretung der großen Kommunen im Land, will damit eine Debatte über die Zukunft der Citys und Fußgängerzonen anstoßen, die unter der Konkurrenz des rasch wachsenden Onlinehandels leiden, und deren Lage sich durch die Corona-Beschränkungen rasch weiter verschlechtert hat. Zwar meldeten zuletzt einzelne Branchen wie Mode oder Buchhandel seit dem Ende des Lockdowns im Juni wieder steigende Kundenzahlen, doch war der Trend bereits lange vor der Pandemie negativ. Die Zahl der Kunden und Geschäfte in den Innenstädten geht zurück, vielerorts gibt es fast nur noch Filialen der großen Ketten, nach 20 Uhr sind ganze Straßenzüge wie ausgestorben. Während in den Boomzentren wie München vor allem die Gewerbemieten immer weitersteigen, stehen anderswo Geschäfte leer.

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Der Städtetag will daher grundsätzlich etwas ändern: "Nicht erst seit der Corona-Pandemie zeichnet sich ein Wandel in den Innenstädten ab, über den wir nicht hinwegsehen dürfen", heißt es in dem Positionspapier. Die Städte mit ihrer jahrhundertealten Tradition müssten als "Zuhause und Heimat" bewahrt werden. Aber wie?

Die Forderung an den Bund: 2,5 Milliarden Euro

"Die Zeit der reinen Einkaufsmeilen ist vorbei", sagte Dedy der Süddeutschen Zeitung: "Die Menschen wollen etwas erleben, wenn sie in die Stadt gehen - etwas erleben, das es online nicht gibt. Wir brauchen einladende öffentliche Räume, wo sich Menschen gerne aufhalten."

Eine wesentliche Ursache für leer stehende Häuser oder Läden in Innenstädten sieht der Städtetag in zu hohen Mieten. "Wir brauchen deshalb", so Dedy, "ein Mietniveau in den Innenstädten, das nicht nur auf High-End-Mieter ausgerichtet ist." Hier könnte, so der Wunsch des Positionspapiers, der Bund ins Spiel kommen beziehungsweise dessen möglichst freigiebige Hand. Gefordert wird ein eigenes "Förderprogramm Innenstadt" für fünf Jahre mit einer Gesamtsumme von 2,5 Milliarden Euro. Über dieses Geld sollen die Städte je nach ihrer Lage flexibel verfügen können, um zum Beispiel "die vorübergehende Anmietung und einen Zwischenerwerb" leer stehender "Schlüsselimmobilien" zu bezahlen oder um ihr eigenes Citymanagement besser auszustatten. Das bedeutet: Die Stadtverwaltung solle in die Lage versetzt werden, ein leer stehendes Geschäft zu Preisen weiterzuvermieten, die sich Start-up-Gründer oder Pop-Up-Stores noch leisten können. Würde dann diese Form kleinteiliger Läden aufblühen, so das Konzept, würde auch die jeweilige City wieder attraktiver.

Immer wieder aufkommende Forderungen nach einer gesetzlichen Begrenzung der Gewerbemieten - analog zur Mietpreisbremse bei Wohnraum - macht sich der Städtetag hier nicht zu eigen. Er setzt auf Freiwilligkeit von Vermietern, die erkennen, dass es langfristig lohnender sein kann, sich für eine Zeit lang preislich zurückzuhalten.

Raum für "Begegnung, Grün, Kultur, Sport"

Nach den Vorstellungen des Kommunalverbands müssen sich die Zentren deutlich wandeln, man will weg von der seit Jahrzehnten alles dominierenden Verkaufsfunktion. Die Zukunft, so Dedy, sei die Vielfalt: "Die Städte wollen mehr Raum bieten für Atmosphäre, Begegnung, Grün, Kultur, Sport, regionale und nachhaltige Waren. Mehr Raum bieten für Werkstätten, Handwerker, Co-Working-Spaces und vieles mehr."

Das Positionspapier tritt auch für eine Entbürokratisierung im Planungsrecht ein: "Kommunen muss ein schnelleres und eigenständiges Agieren beim Erwerb von Immobilien und Grundstücken ermöglicht werden. Sie benötigen die entsprechenden Spielräume, um auf dem freien Markt gegenüber Investoren agieren zu können."

An Donnerstag beriet die Bundesregierung über die Erhöhung der Förderung von Modellprojekten, mit denen die Citys attraktiv gehalten werden sollen. Dazu sagte Dedy: "Es ist gut, dass der Bund angekündigt hat, die Mittel für Modellprojekte für zukunftsfähige Innenstädte aufstocken zu wollen. Das wäre ein wichtiges Signal und ein erster hilfreicher Schritt." Allerdings müsse "die neue Bundesregierung weitere Schritte folgen lassen und ein verlässliches Förderprogramm über einen längeren Zeitraum daraus machen".

Teil der Strategie soll auch sein, die "unfairen Wettbewerbsvorteile" der globalen Onlinekonzerne zu bekämpfen und diese stärker zu besteuern. Das haben sich auch die G-7-Staaten zuletzt vorgenommen. Der Applaus aus den Rathäusern ist ihnen sicher.

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