Preise:Inflation? Welche Inflation?

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Nicht nur bei den Energiepreisen, sondern auch im Einzelhandel hat sich die Inflation in den vergangenen Monaten stark abgebremst. (Foto: Michael Gstettenbauer/Imago)

Mit nur noch 2,2 Prozent war die Teuerung im März so niedrig wie zuletzt vor drei Jahren. Im Sommer könnte sie sogar auf weniger als zwei Prozent zurückgehen - und wäre dann dort, wo die Europäische Zentralbank sie haben will.

Von Harald Freiberger, Deutschland

Die Inflation in Deutschland ist weiter auf dem Rückzug. Im März stiegen die Preise nach vorläufigen Daten im Vergleich zum Vorjahresmonat um 2,2 Prozent. Das ist die niedrigste Inflationsrate seit drei Jahren. Im Februar hatte sie noch 2,5 Prozent betragen. Damit nähert sich die Rate nach drei Jahren extrem steigender Preise wieder der Zielmarke der Europäischen Zentralbank (EZB) von zwei Prozent. "Im Sommer dürfte die Inflation unter die Zwei-Prozent-Marke sinken", sagte Timo Wollmershäuser, der Konjunkturchef des Münchner Ifo-Instituts. Aus deutscher Sicht spreche daher nichts gegen eine baldige Zinssenkung durch die EZB.

Im Oktober 2022 hatte die Inflation in Deutschland auf ihrem Höhepunkt Werte von mehr als zehn Prozent erreicht. Die Hauptursachen waren zum einen die Corona-Pandemie, die die weltweiten Lieferketten beschädigte und das Warenangebot verknappte, und zum anderen der Ukraine-Krieg, der vor allem die Energie- und Lebensmittelpreise extrem ansteigen ließ. Zunächst gingen die Preise leicht zurück, seit vergangenem Herbst fällt die Inflationsrate in großen Schritten.

Der weitere Rückgang im März lag vor allem daran, dass Strom, Gas, Benzin und Lebensmittel sich im Vergleich zum Vorjahresmonat verbilligten. So sanken die Preise für Energie um 2,7 Prozent. Bei Nahrungsmitteln gab es eine bemerkenswerte Wende: Erstmals seit Februar 2015 fielen die Preise im Vergleich zum Vorjahresmonat. Davor hatten sie mehr als neun Jahre lang immer über dem Vergleichsmonat gelegen. "Damit ist der Gang in den Supermarkt effektiv günstiger geworden. Dies setzt auf den positiven Inflationstrend noch das i-Tüpfelchen", sagte VP-Bank-Chefvolkswirt Thomas Gitzel.

Dienstleistungen verteuerten sich hingegen um 3,7 Prozent. Teurer wurde unter anderem der Besuch von Gaststätten und Restaurants. Seit dem 1. Januar 2024 gilt für Speisen in der Gastronomie wieder der reguläre Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent. Auch die Preise für Pauschalreisen und Flüge stiegen im Osterreisemonat im Vergleich zum Vorjahresmonat.

In manchen Bundesländern liegt die Inflation sogar schon unter der Zielmarke der EZB. Besonders niedrig ist die Teuerungsrate in Hessen mit 1,6 Prozent. Dafür, dass die Inflation weiter sinkt, sprechen auch die Preiserwartungen der Unternehmen: Sie fielen im März auf den tiefsten Stand seit drei Jahren. Das Ifo-Institut befragt dazu Unternehmen aus allen Branchen. Das entsprechende Barometer fiel von 15,0 Punkten im Februar auf 14,3 Punkte. Vor allem im Einzelhandel und der Gastronomie planen weniger Unternehmen, ihre Preise anzuheben. Leichte Anstiege gibt es dagegen bei Hotels und den Reiseveranstaltern. "Im Bauhauptgewerbe wollen die Unternehmen mehrheitlich sogar ihre Preise senken", erläutern die Ifo-Forscher.

Dass sich die Inflationsrate der Zwei-Prozent-Marke nähert, schürt bei Experten Hoffnungen, die EZB könnte die Zinsen schon bald senken. Möglicherweise läuten die europäischen Notenbanker die Zinswende nach unten diesmal sogar früher ein als ihre Kollegen in den USA. Denn dort ist die Inflationsrate mit 3,2 Prozent noch höher, gleichzeitig wächst die Wirtschaft stärker als in Europa.

Die nächste EZB-Zinssitzung ist für den 11. April angesetzt. An den Finanzmärkten hält man es für möglich, dass die EZB schon dann an den Zinsen schraubt. Die meisten Ökonomen erwarten es aber erst für die Sitzung im Juni, wenn wichtige Lohndaten vorliegen.

Nach wie vor gibt es Stimmen, die vor einer zu frühen Zinssenkung warnen. "Für eine Entwarnung an der Inflationsfront ist es zu früh - ebenso für EZB-Zinssenkungen", sagte Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. Auch Bundesbank-Chef Joachim Nagel hält nichts davon, die Zinsen zu früh zu senken, die Inflation könnte sonst zurückkehren. KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib befürchtet, dass es auf den letzten Metern zum Inflationsziel holprig werden könnte: "Schon im April ist durch das Ende der Mehrwertsteuerabsenkung mit einem Preisschub bei der Gas- und Wärmeversorgung zu rechnen."

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