Indien:Rahul Gandhi zu zwei Jahren Haft verurteilt

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Rahul Gandhi wird am Donnerstag nach seiner Rückkehr vom Gerichtstermin von Anhängern am Flughafen Neu-Delhi empfangen. (Foto: Adnan Abidi/Reuters)

Der Politiker der indischen Kongresspartei soll Premierminister Modi verleumdet haben. Ist das harte Urteil ein Versuch, die Opposition mundtot zu machen?

Von David Pfeifer, Bangkok

Man konnte manchmal den Eindruck haben, Rahul Gandhi sei die letzte verbliebene Opposition in Indien. Der Einzige, der sich noch frontal mit Premierminister Narendra Modi und dessen Parteikollegen von der Bharatiya Janata Partei (BJP) anlegt. Wurde Gandhi deshalb am Donnerstag zu zwei Jahren Haft verurteilt, in Surat, einer Stadt in Modis Heimatstaat ? Geklagt hatte ein lokaler Abgeordneter der BJP. Am Freitag dann beschloss das indische Parlament, den geltenden Vorschriften folgend, dass Gandhi nicht mehr als Abgeordneter im Unterhaus tätig sein darf.

Rahul Gandhi ist der Urenkel von Staatsgründer Jawaharlal Nehru, der Enkel von Indira Gandhi und Sohn von Rajiv Gandhi. Er stammt also von einer Reihe indischer Premierminister ab. Doch seine Partei, der altehrwürdige Nationalkongress, gegründet von seinem Großvater, der Indien 1947 in die Unabhängigkeit von der britischen Kolonialherrschaft geführt hatte, ist nur noch ein Schatten ihrer selbst. Die Kongresspartei regierte mit wenigen Jahren Unterbrechung jahrzehntelang, doch bei den Parlamentswahlen 2014 und 2019 schlug die BJP sie überaus klar. Und bei der Wahl im kommenden Jahr könnte das Ergebnis noch deutlicher ausfallen.

Das Urteil wirkt unverhältnismäßig hart

Narendra Modi, amtierend seit 2014, ist nach wie vor der mit Abstand beliebteste Politiker Indiens. Trotz der massiven Bauernproteste, die Delhi vor zwei Jahren lahmlegten, trotz seines Schweigens, als Millionen Inder während der Pandemie starben. Trotz der angeblichen Kungelei mit Gautam Adani, dem vormals reichsten Landsmann, dessen Unternehmen nach Manipulationsvorwürfen in den vergangenen Monaten die unvorstellbare Summe von 120 Milliarden US-Dollar an der Börse verlor. Und natürlich trotz der wachsenden Kritik wegen des antimuslimischen Kurses der Regierung. Doch die Wirtschaft wächst, und damit auch das Selbstbewusstsein Indiens.

Rahul Gandhi bleibt nicht viel anderes übrig, als Modi in der Lok Sabha, der ersten Kammer des indischen Parlaments, zu nerven. In den vergangenen Wochen tat er dies vorwiegend wegen dessen Nähe zu Adani, der auch aus dem Bundesstaat Gujarat stammt. Aber bald bleibt Gandhi vielleicht nicht einmal mehr das. Denn ein Gesetz über die Vertretung des Volkes von 1951, das die Wahlen in Indien regelt, sieht die Disqualifizierung von Politikern vor, die wegen einer Straftat zu mindestens zwei Jahren Freiheitsentzug verurteilt wurden.

Vor dem Hintergrund dieses Gesetzes wirkt die unverhältnismäßig harte Verurteilung Gandhis noch bizarrer als ohnehin schon. Zwei Jahre Haft für eine Rede, die er im Wahlkampf 2019 gehalten hat? In der er davon sprach, dass es immer mehr Diebe im Land gebe, die den Namen Modi tragen. Gandhi bezog sich dabei neben dem Premierminister auf zwei flüchtige Geschäftsleute, die ebenfalls den Nachnamen Modi tragen. Bei der Urteilsverkündung am Donnerstag war er anwesend und legte Berufung ein. Die Vollstreckung wurde für einen Monat ausgesetzt.

"Es wird eine Verschwörung ausgeheckt."

Abhishek Singhvi, Sprecher der Kongresspartei und Jurist, sagte auf der anschließenden Pressekonferenz: "Jedes vernünftige, faire, nicht repressive, nicht voreingenommene System würde einer Person genügend Zeit geben, um rechtliche Schritte einzuleiten, um die Verurteilung auszusetzen." Gandhi ist auch in einem Fall von Geldwäsche, der sich seit mehr als einem Jahrzehnt durch das schwergängige, indische Rechtssystem windet, auf Kaution frei. Zwei weitere Verleumdungsklagen wurden in anderen Staaten gegen ihn angestrengt. Mallikarjun Kharge, Präsident der Kongresspartei, warf der BJP auf Twitter "politischen Bankrott" vor. "Wir werden vor einem höheren Gericht Berufung einlegen."

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Unterstützung erhielt Gandhi auch von der Aam Aadmi Party (AAP), die in Delhi regiert und von der ebenfalls zwei Spitzenpolitiker wegen vermeintlicher Anschuldigungen im Gefängnis sitzen. "Es wird eine Verschwörung ausgeheckt, um Führer und Parteien, die nicht der BJP angehören, zu eliminieren, indem sie strafrechtlich verfolgt werden", schrieb AAP-Chef und Delhi-Chefminister Arvind Kejriwal auf Twitter.

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