Illegale Großspende an AfD:"Gönner aus der Schweiz"

Bundestagswahl

Woher stammt das Geld? Die AfD-Sitzenkandidaten Alexander Gauland und Alice Weidel bei der Wahlparty 2017 in Berlin.

(Foto: Julian Stratenschulte/dpa)
  • Die AfD hat im Sommer 2017 gut 130 000 Euro an Wahlkampfspenden aus der Schweiz erhalten, gestückelt in Tranchen von 9000 Schweizer Franken.
  • Allem Anschein nach sollte so die Meldepflicht umgangen werden. Zurückgeschickt wurde das Geld erst im April 2018.
  • Parteiintern werden Rücktrittsforderungen an Alice Weidel laut, die offenbar von den Spenden wusste.

Von Sebastian Pittelkow, Nicolas Richter, Katja Riedel und Jens Schneider

Die Kontoauszüge der Kreisverbände kleiner Parteien bieten nur selten spannende Lektüre. Mal gehen ein paar Hundert Euro an Spenden für den Wahlkampf ein, mal fallen ein paar Tausend Euro an Unkosten für Plakate oder die Weihnachtsfeier an. Doch im Sommer 2017 geschah bei der AfD im Südwesten etwas Ungewöhnliches: Auf den im Sparkassenrot gehaltenen Kontoauszügen der "Alternative für Deutschland, Kreisverband Bodenseekreis", tauchten hohe Beträge auf, alle paar Tage oder Wochen kam mehr, immer aus der Schweiz, von einer dortigen Aktiengesellschaft, die angeblich mit Pharmaprodukten handelte.

Weil dies ziemlich auffällig war, schickte die Schatzmeisterin des AfD-Kreisverbands im August 2017 eine Mail an den Landesschatzmeister Frank Kral mit der Bitte um Rat. Ob sie ihn mit einer Frage belästigen dürfe, schrieb sie behutsam und fuhr fort: "Alice Weidel bekommt aktuell Zuwendungen für die Wahl. Ein Gönner aus der Schweiz unterstützt Alice wöchentlich mit mehreren tausend CHF. Was ist dabei zu beachten? Muss ich diese Beträge irgendwo melden oder bekanntgeben?"

Allein diese kurze Zusammenfassung der Kreisschatzmeisterin hätte höherstehende Parteifreunde in Alarmbereitschaft versetzen müssen. Nicht so sehr, weil jemand Geld schickte mit dem Hinweis "Wahlkampfspende Alice Weidel": Diese war die Spitzenkandidatin ihrer Partei bei der Bundestagswahl, das Gesicht der deutschen Rechten, und der Wille des Spenders war ziemlich eindeutig so zu verstehen, dass die AfD das Geld überwiegend für den Wahlkampf Weidels, die auch einen Wohnsitz in der Schweiz hat, einsetzen sollte.

Auslandsspenden sind grundsätzlich nicht erlaubt

Ziemlich eindeutig war aber auch, dass alle anderen Umstände dieser wiederholten Zuwendungen aus der Schweiz größeren Ärger verursachen könnten. Zum einen müssen sich Parteien sofort beim Bundestagspräsidenten melden, wenn sie Spenden in Höhe von mehr als 50 000 Euro vom selben Spender erhalten, damit soll gerade in Wahlkampfzeiten eine undurchsichtige Einflussnahme verhindert werden. Die Stückelung in Tranchen von 9000 Schweizer Franken sah so aus, als sollte eine Meldepflicht umgangen werden. Außerdem stammte das Geld aus einem Land, das nicht zur EU gehört. Solche Auslandsspenden sind grundsätzlich nicht erlaubt. "Weil wir nicht wollen, dass aus dem Ausland mit Finanzmitteln politische Strippen gezogen werden", sagt der Parteispenden-Experte Martin Morlok.

Der Landesschatzmeister der AfD aber ging in seiner Antwort auf die Fragen vom Bodensee gar nicht auf diese entscheidenden Punkte ein. Er fragte nicht nach, wie hoch die Spenden insgesamt seien, und er problematisierte auch nicht die Tatsache, dass das Geld aus der Schweiz kam. Er bat nur darauf zu achten, ob das Geld eine private Schenkung an Weidel war oder eine Parteispende und ob es eine Zweckbindung gebe - dann müsse das Geld für den Wahlkampf Weidels benutzt werden. Auch Weidel war, wie sie nun einräumt, ab September 2017 unterrichtet. Auch sie ließ eine Geschichte ihren Lauf nehmen, die der Partei nun großen Ärger bereiten könnte.

Der Fall wirft zum wiederholten Male ein Schlaglicht auf das schwierige Verhältnis der Partei zum Geld. Erst in den vergangenen Wochen hat ein Wirtschaftsprüfer im Auftrag der Bundestagsfraktion festgestellt, dass in deren Finanzen großes Durcheinander herrscht. Es bestünden "erhebliche Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit der Rechnungslegung" im ersten Bundestagsjahr. Wegen der Vorgänge wurde der kommissarische Aufbauleiter der Fraktion von den Fraktionsvorsitzenden fristlos entlassen: Frank Kral, jener Schatzmeister aus Baden-Württemberg, der nun auch im Bodensee-Fall eine zentrale Rolle spielt - wobei Kral den Vorwürfen der Fraktionsspitze widerspricht und erklärt, er werde sich gegen die Kündigung wehren.

Der Fall vom Bodensee könnte für die AfD finanzielle, aber auch juristische Folgen haben. Weidel wird erklären müssen, wie sie mit der Spende umging und warum das Geld erst Monate nach der Wahl zurücküberwiesen wurde. Sie beruft sich darauf, dass die Spende ja nicht an ihre Person, sondern auf das Konto ihres Kreisverbands gegangen sei: "Ich wurde am Rande einer Wahlkampfveranstaltung im September 2017 von der Schatzmeisterin unseres Kreisverbandes darüber informiert."

Die zurückgezahlte Summe ist niedriger als die, die ursprünglich eingegangen war

Interne E-Mails offenbaren, wie die Kreisschatzmeisterin auch im Januar 2018 noch damit kämpfte. Inzwischen war sie selbst auf die Kernprobleme gestoßen: die Herkunft aus dem Nicht-EU-Ausland und die Meldepflicht für Großspenden über 50 000 Euro. Abermals bat sie den Landesschatzmeister um Rat. Und weil sie sich alleingelassen fühlte, wandte sie sich Anfang 2018 auch an die prominente Parteifreundin Weidel. Diese will den Landesschatzmeister dann gebeten haben, sich bei der Kollegin vom Bodensee zu melden.

Erst im April 2018 schickte die Kreis-schatzmeisterin das Geld zurück. Weidel erklärt heute: Die Entscheidung, das Geld zurückzuzahlen, "wurde getroffen, da es im Kreisverband Bedenken ob der Legalität dieser Spende gab. Ja, ich habe die Rückzahlung befürwortet und zuvor bereits angemahnt". Tatsächlich lässt sich anhand von Kontoauszügen, die SZ, NDR und WDR vorliegen, nachvollziehen, dass mit 16 Einzelüberweisungen knapp 124 000 Euro vom AfD-Kreisverband Bodenseekreis zurück an die Schweizer Firma gingen. Die Summe liegt unter den gut 130 000 Euro, die ursprünglich eingegangen waren.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt, meinen Experten für Parteirecht, hätte die AfD den Bundestagspräsidenten über die mutmaßlich illegale Spende informieren müssen, zumal in solchen Fällen auch eine Sanktion verhängt wird. Wer eine illegale Spende annehme, müsse das Dreifache der Summe an den Bundestagspräsidenten überweisen, erklärt Experte Morlok.

AfD-Landeschef in Baden-Württemberg formuliert Rücktrittsforderungen an Weidel

Weidel erklärt auf Anfrage, sie wisse nichts über den Spender und dessen Motive. Sie sei für die Angelegenheit nicht zuständig gewesen. "Die Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Spenden im Sinne des Parteienfinanzierungsgesetzes hielt ich beim Landesschatzmeister in guten Händen. Ich habe daher keine Notwendigkeit gesehen, in dieser Angelegenheit aktiv zu werden." Aber hätte Weidel als Chefin der Bundestagsfraktion nicht sicherstellen müssen, dass die Bundestagsverwaltung vom brisanten Vorgang erfuhr?

Der Landesschatzmeister Kral bestätigt, dass Weidel ihn im Januar gebeten habe, mit der Kreisschatzmeisterin Kontakt aufzunehmen: "Ohne Angaben, warum." Er habe den Eindruck gehabt, "dass hier alles mit rechten Dingen zuging". Nach dem Dialog mit der Kreisschatzmeisterin habe er keinen Anhaltspunkt für eine unzulässige Spende oder eine Spende in sofortmeldepflichtiger Höhe gesehen. "Frau Weidel und ich haben inhaltlich nie über die Angelegenheit gesprochen, und Frau Weidel hat sich auch nie wieder erkundigt."

Der AfD-Landeschef in Baden-Württemberg, Ralf Özkara, erfuhr durch Anfragen von SZ, NDR, WDR von dem Vorgang und versprach Aufklärung. Die Sache sei womöglich "politisch hochbedenklich". Die Verantwortung sehe er bei allen, die von der Großspende wussten. Und Alice Weidel trage, wenn sie davon wisse, die "Hauptverantwortung". Falls sich bewahrheiten sollte, "dass wir uns im Bereich illegaler Parteispenden befinden", so Özkara, "erwarte ich, dass sie von allen Ämtern und Mandaten zurücktritt".

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:AfD nahm offenbar illegale Großspende an

Vor der Bundestagswahl erhielt die Partei 132 000 Euro aus der Schweiz. Alice Weidel, die davon gewusst haben soll, gerät intern unter Druck. Parteikollegen zufolge trage sie die "Hauptverantwortung".

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