Hartz IV:Wahrheit und Schneeschippen

Hannelore Kraft ist nicht der Westerwelle der SPD. Mit ihrem Vorschlag, Arbeitslose Straßen reinigen zu lassen, hat sie recht. Doch das darf keine regulären Jobs vernichten.

Thomas Öchsner

FDP-Chef Guido Westerwelle will Hartz-IV-Empfänger Schnee schippen lassen. Die SPD-Vizechefin Hannelore Kraft denkt daran, Langzeitarbeitslose beim Reinigen von Straßen einzusetzen. Trotzdem haben die Sozialdemokraten jetzt nicht ihren eigenen Westerwelle.

Der FDP-Chef hat teilweise Selbstverständliches mit so viel Schaum vor dem Mund formuliert, dass sich der Eindruck aufdrängt, es gehe ihm bei seinen Tiraden über Hartz-IV-Empfänger nur um Wählerstimmen.

Kraft hat dagegen, wenn auch in missverständlicher Form und mit falschen Zahlen, darauf aufmerksam gemacht, dass es Hunderttausende Dauer-Erwerbslose ohne Aussicht auf eine feste Stelle gibt. Und diese, da hat die SPD-Frau recht, sollten eine Chance haben, sich freiwillig in irgendeiner Weise sinnvoll und gemeinnützig zu betätigen. Kraft hat diese Menschen nicht aufgegeben. Sie hat nur eine Wahrheit ausgesprochen, die in den Jobcentern jeder kennt, aber manche Hartz-IV-Dauerempörte nicht wahrhaben wollen.

Den gemeinnützigen Arbeitsmarkt mit permanenten Jobs für solche Langzeitarbeitslosen zu erweitern, ist allerdings schwierig und kostet Geld. Mit Straßen reinigen ist es eben nicht getan. Da ist die Gefahr groß, dass eine neue Kolonne von Straßenfegern regulär Beschäftigten den Arbeitsplatz wegnimmt.

Vielmehr muss es um zusätzliche Stellen im sozialen, kulturellen oder ökologischen Bereich gehen. Weder ist dies bei vielen Ein-Euro-Jobs bislang der Fall. Noch gibt es davon genug Stellen, auch wenn das Arbeitsministerium das Gegenteil behauptet. Es wäre eine Kraftanstrengung wert, diesen wirklichen Sozialfällen eine Perspektive in einem gemeinnützigen Arbeitsmarkt zu bieten.

© SZ vom 09.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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