Jana Anzlinger
Ende eines traurigen Tages
Die Botschaft der Mahnwachen und Stellungnahmen aus Politik und Zivilgesellschaft ist klar: Die Gesellschaft darf sich durch den Terror in Hanau nicht spalten lassen, für Rassismus darf in der Bundesrepublik kein Platz sein.
Über Nacht sind keine weiteren Ermittlungsergebnisse, Reaktionen oder Entwicklungen zu erwarten. Deshalb schließen wir diesen Liveblog. Wir danken Ihnen fürs Mitlesen und halten Sie auf SZ.de auf dem Laufenden.
Jana Anzlinger
Mit Menschenketten, Transparenten und Kerzen gegen den Hass
Diese Bilder zeigen deutschlandweite Solidarität in Stuttgart, Berlin und München sowie im Fußballstadion in Frankfurt.
Sebastian Gollnow/dpa
Markus Schreiber/AP
Peter Kneffel/dpa
Alex Grimm/getty
Jana Anzlinger
Trauer-Kundgebung in Hanau
Bei der Mahnwache in Hanau hören Tausende dem Bundespräsidenten zu.
Martin Meissner/AP
Jana Anzlinger
Steinmeier ruft zu Zusammenhalt auf
"Ich stehe hier vor Ihnen als Bundespräsident", sagt Steinmeier, "als Bürger dieses Landes, als Mensch - der wie Sie und wir alle an diesem Abend um Worte ringt". Was "heute Nacht in Hanau geschehen ist, das macht uns fassungslos, das macht uns traurig und es macht uns zornig". Es handle sich, so Steinmeier in bewusst deutlicher Ausdrucksweise, um "eine Terrortat, die uns auch in schrecklicher Weise an den Mord an Walter Lübcke und zuletzt an den Anschlag auf die Synagoge in Halle erinnert. Denn das heißt doch Terror: durch Gewalt und Tod Schrecken verbreiten, Angst machen, uns auseinander zu treiben."
Die Gesellschaft müsse nun zeigen, dass sie zusammenstehe und sich weder einschüchtern noch spalten lasse. Steinmeier betont die große Anteilnahme und Solidarität. Es träfen sich gerade "Tausende, vermutlich Zehntausende Menschen" bei Mahnwachen in mehr als 50 Städten. Gegen Ende seiner Rede hat Steinmeier noch eine Ich-Botschaft: "Ich stehe an der Seite von Menschen, die von Hass und Gewalt bedroht sind", sagt der Bundespräsident.
Jana Anzlinger
Kaminsky: "Hass hat keine Zukunft"
Der Bürgermeister der 100 000-Einwohner-Stadt Hanau Claus Kaminsky wirkt gefasst. Er dankt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Ministerpräsident Volker Bouffier dafür, dass sie mit ihm bei dieser Kundgebung auf der Bühne stehen. Alle halten Kerzen in den Händen. "Diese Brüder-Grimm-Stadt Hanau ist stolz darauf, dass sie seit Jahrhunderten immer wieder Menschen unterschiedlichen Glaubens, unterschiedlicher kultureller und nationaler Herkunft miteinander integriert", sagt Kaminsky. "Dass Sie alle da sind", sagt er zum Publikum, "soll allen, die mit verirrten Gedanken unterwegs sind, zeigen: Hass hat keine Zukunft."
Hessens Ministerpräsident Bouffier bezeichnet die Taten als "unfassbar". Dann richtet er sich an Menschen mit Migrationshintergrund. "Dieses Verbrechen, das nach allem, was wir jetzt wissen, unter anderem rassistischen Wahnvorstellungen folgte, muss Menschen Angst machen - und ich möchte allen sagen: Wir müssen alles tun, damit alle in diesem Land ohne Angst leben können. Wir lassen uns nicht spalten." Darauf erhält Bouffier Applaus. "All denen, die glauben, dass sie uns auseinanderbringen können, denen sagen wir: Wir werden keinen Millimeter dieser freiheitlichen Demokratie preisgeben."
Nach Bouffier tritt der Bundespräsident ans Mikrofon.
Jana Anzlinger
Gedenken in Berlin
Nicht nur in Hanau, sondern auch in vielen weiteren deutschen Städten beginnen gerade Kundgebungen, um der Opfer zu gedenken und ein Zeichen gegen Rassismus und Rechtsextremismus zu setzen. Diese Frau steht vor dem Brandenburger Tor und bekundet ihre Solidarität mit den Hanauern.
David Gannon/apf
Jana Anzlinger
Gedenken in Hanau
Bei einer Mahnwache gedenken die Hanauer der Opfer. Sie zeigen Bilder der Ermordeten und ein Transparent mit einer deutlichen Botschaft.Patrick Hertzog/afp
Philipp Saul
Schweigeminute und Trauerflor in Frankfurt
Um der Opfer von Hanau zu gedenken, gibt es heute im nahegelegenen Frankfurt eine Schweigeminute beim Europa-League-Spiel der Eintracht gegen Salzburg. Die Frankfurter haben zudem angekündigt, die Mannschaft werde "als klares Zeichen gegen jegliche Form von Rassismus und Extremismus" mit Trauerflor spielen.
Juri Auel
Flaggen vor dem Kanzleramt wehen auf Halbmast
Regierungssprecher Steffen Seibert twittert ein Bild des Kanzleramts in Berlin, auf dem die Trauerbeflaggung zu sehen ist, wie sie Bundesinnenminister nach eigenen Angaben bundesweit für alle öffentlichen Gebäude angeordnet hat. "Deutschland trauert um die Opfer des entsetzlichen Verbrechens von Hanau", schreibt Seibert zu dem Bild. Jana Anzlinger
Gedenken und Ermittlungen in Hanau
So sieht es heute in der hessischen Stadt aus, die zum Tatort wurde:
Dorothee Barth/dpa
Dorothee Barth/dpa
Martin Meissner/AP
Deniz Aykanat
Wer sind die Opfer?
"Neun Personen mit Migrationshintergrund" sind in Hanau von Tobias R. erschossen worden, wie Generalbundesanwalt Peter Frank mitteilt. Mehrere Menschen seien verletzt worden, drunter sei ein lebensgefährlich Verletzter. Der Kurdischen Gemeinde Deutschland zufolge sind einige der Getöteten kurdischer Abstammung. Die türkische staatliche Nachrichtenagentur Anadolu meldet unter Berufung auf den türkischen Botschafter in Berlin, dass fünf der Todesopfer türkische Staatsbürger seien. Der Generalbundesanwalt zufolge waren die Opfer, die in den Shisha-Bars ermordet wurden, zwischen 21 und 44 Jahren alt. In der Wohnung des mutmaßlichen Täters wurden zudem er selbst und seine 72-jährige Mutter tot aufgefunden.
Jana Stegemann
Laschet: "Der Feind steht rechts!"
Auch die nordrhein-westfälische Landesregierung reagiert. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hat die beiden abendlichen Karnevalsveranstaltungen in den Landesvertretungen in Berlin und Brüssel abgesagt. "Der Feind steht rechts! Er träufelt sein Gift in unsere Gemeinschaft. Wir müssen kämpfen", schreibt Laschet auf Twitter und spricht den Familien der Opfer sein Beileid aus.
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sagt bei einem Pressestatement im Düsseldorfer Landtag: "NRW trägt heute Trauer. Das ist einer der schlimmsten rechtsextremistischen Taten in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland." Die Kanzlerin habe Recht mit ihrer Formulierung, dass Rassismus ein Gift ist. "Gegen dieses Gift müssen wir ein Gegengift finden", so Reul. Er habe die NRW-Polizei angewiesen, Moscheen und Einrichtungen, die vor allem von Migranten besucht werden, stärker zu schützen, unter anderem mit mehr Streifenfahrten. Bisher gebe es keinen Zusammenhang zu der mutmaßlichen Terrorzelle, die am vergangenen Freitag festgenommen wurde, gibt Reul bekannt. Nach bundesweiten Razzien waren Haftbefehle gegen zwölf deutsche Männer erlassen worden. Die Rechtsradikalen um Werner S. aus Augsburg hatten Anschläge auf Politiker, Muslime und Asylbewerber geplant und dadurch "bürgerkriegsähnliche Zustände" in Deutschland auslösen wollen. Vier von ihnen stammen aus NRW, einer hatte viele Jahre als Verwaltungsbeamter der NRW-Polizei gearbeitet.
Jana Anzlinger
Entsetzen im Netz
#Hanau: Fast 200 000 Tweets mit diesem Hashtag gibt es schon. Einige aussagekräftige Twitter-Reaktionen haben die Kollegen von jetzt.de hier zusammengetragen:
Jana Anzlinger
Wie die Bundesminister die Taten bezeichnen
Viele, vor allem Spitzenpolitiker der Oppositionsparteien, fordern, dass die Anschläge deutlich als "rechter Terror" benannt werden sollen. Was sagen die Mitglieder der Bundesregierung?
Von "Terror" sprechen Finanzminister Scholz und Arbeitsminister Heil sowie seit dem Nachmittag in seinem vierten Statement dazu Außenminister Maas. Alle drei sind Sozialdemokraten.
Gesundheitsminister Spahn (CDU) twittert über eine "Tat". Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer (CDU) nennt das Geschehene eine "brutale Gewalttat" und warnt vor "Nazis", ihre Parteikollegin Karliczek aus dem Bildungsressort schreibt über "Morde" und Wirtschaftsminister Altmaier über einen "Anschlag".
Innenminister Seehofer (CSU) und Justizministerin Lambrecht (SPD) sind in Hanau vor Ort. Beide betonen die rassistische Gesinnung des mutmaßlichen Täters. Von "Terror" sprechen beide nicht. Die Bundeskanzlerin äußert sich zwar sehr deutlich gegen Rassismus und Ausgrenzung; von Terror spricht aber auch Merkel nicht.
Oliver Das Gupta
Röttgen macht AfD indirekt mitverantwortlich für Morde in Hanau
Der rassistische Anschlag darf nach Ansicht des CDU-Außenpolitikers Norbert Röttgen, nicht "isoliert" betrachtet werden. "Wir müssen das Gift bekämpfen, das von der AfD und anderen in unsere Gesellschaft getragen wird", sagt Röttgen zur Bild-Zeitung. Der Bundestagsabgeordnete hatte sich vor zwei Tagen überraschend für den CDU-Bundesvorsitz beworben.
Ähnlich wie Röttgen hatten sich zuvor auch andere Spitzenpolitiker geäußert. So schreibt Linke-Parteichefin Katja Kipping bei Twitter mit Verweis auf die Rechtspopulisten: "Der rassistische Anschlag von Hanau ist kein Unfall. Solche Taten werden angefeuert von rechter Hetze, die von 'wohltemperierter Grausamkeit' (Höcke) und 'Remigration' redet und Menschen ihre Würde abspricht."
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