Guido Westerwelle:Der Mann ohne Antworten

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Schmallippig blockt Außenminister Westerwelle weiter Fragen nach Geschäftsfreunden und FDP-Spendern auf seinen Auslandsreisen ab. Er verweist auf "detaillierte" Antworten, die das Auswärtige Amt bereits formuliert habe. Doch die Erkenntnisse sind dürftig.

Thorsten Denkler, Berlin

"Diejenigen, die Herr Westerwelle - zum Teil aus der Schweiz - mitnimmt auf Auslandsreisen, sind das Gegenteil von Leistungsgesellschaft. Sie gehören eher zur Lumpenelite, die den Wirtschaftsstandort Deutschland schädigen und nichts dazu beitragen, dass es in diesem Land vorangeht." SPD-Chef Sigmar Gabriel

Er antwortet nicht. Nicht auf die erste Frage und nicht auf die drei Nachfragen. Dabei hätte er nur ja oder nein sagen müssen. Die Frage lautete: Werden Sie etwas an Ihrer Einladungspraxis für Ihre Auslandsreisen ändern, Herr Westerwelle? Wohlmeinende sagen hinterher, er hat die Frage offengelassen.

Hat der Außenminister und FDP-Chef also doch aus den vergangenen Tagen gelernt? Seine obligatorische Montags-Pressekonferenz nach den Gremiensitzungen im Thomas-Dehler-Haus lässt diesen Schluss erst mal nicht zu. Westerwelle steht den Rücken durchgedrückt, das Kinn nach vorn gereckt hinter seinem Pult. Ausschweifend redet er über die eben gefassten Sozialstaatsbeschlüsse seiner Partei, über das FDP-Projekt Steuerrefom, über Europapolitik.

Als wäre er nicht in den vergangenen Tagen auf Lateinamerika-Reise gewesen. Als wäre währendessen nicht ein Sturm der Entrüstung losgebrochen, weil publik wurde, dass Westerwelle auf dieser und auf vorangegangenen Reisen offenbar engen Freunden und deren Geschäftspartnern - vorsichtig ausgedrückt - Vorzugsbehandlungen gewährte.

Den Schneid nicht abkaufen lassen

Am Sonntag hatte er in einer Rede auf dem Landesparteitag der FDP im wahlumkämpften Nordrhein-Westfalen vor großem Publikum Stellung dazu bezogen. Doch statt Erklärungen zu liefern, schoss Westerwelle zurück: Es sei nicht Ordnung, wenn die Opposition "den Außenminister" angreife, während der im Ausland Gutes für das Land tue. Und offenbar an die Medien gewandt drohte er: "Ihr werdet mir den Schneid nicht abkaufen."

Dass er die Medien gemeint haben könnte, will Westerwelle am Tag danach nicht mehr kommentieren. Es sei nicht seine Aufgabe, seine eigene Rede zu interpretieren, sagt er. Das ist klassische Westerwelle-Taktik, zuletzt erprobt an den Begriffen "spätrömische Dekadenz" und "anstrengungsloser Wohlstand". Nachdem er diese im Zusammenhang mit Hartz IV in einer Tageszeitung aufgeschrieben hatte, hat er sie öffentlich nicht ein einziges Mal wiederholt.

Westerwelle will als Opfer einer von wem auch immer gesteuerten Kampagne gesehen werden, deren einziges Ziel es sei, eine Neuauflage von Schwarz-Gelb in Nordrhein-Westfalen zu verhindern. So einfach kann es sein, Kritik abzubügeln.

Einer stellt die Frage nach Cornelius Boersch, jenem umtriebigen deutschen Geschäftmann, der in der Schweiz ein weitverzweigtes Beteiligungsimperium sein Eigen nennt. Mit Boersch und seinen Beteiligungen unterhalten und unterhielten sowohl Westerwelle, dessen Bruder Kai als auch Westerwelles Lebenspartner Michael Mronz geschäftliche Kontakte. Boersch hat überdies seit 2002 mehr als 160.000 Euro an die FDP gespendet. Andere Parteien hat er nicht bedacht.

Boersch gehörte zur Entourage auf Auslandsreisen des Außenministers Westerwelle nach Asien und in die Türkei. In der Türkei hat auch eine angebliche Bonner "Künstlerin" das Privileg von Westerwelles Nähe auf einer Auslandsreise genossen, deren Kunstwerke aber kaum jemand je zu Gesicht bekommen hat.

Guido Westerwelle lässt sich auf die Fragen nicht ein. Zu Boersch sagt er nichts. Zu der besagten Künstlerin nur so viel: Sie habe die Kosten ihrer Reise selbst übernommen. Und dass seine Nähe ein "Privileg" sei, grinst Westerwelle, halte er dann doch für "übertrieben".

Zudem erklärt der FDP-Chef noch, dass es ihm aus nachvollziehbaren Gründen nicht möglich gewesen sei, während einer solchen Auslandsreise differenziert Stellung zu nehmen zu den Vorwürfen. Das veranlasst einen Kollegen zu der Frage, warum er dann jetzt und hier nicht bereit sei, auf konkrete Fragen konkrete Antworten gebe. Der Außenminister entgegnet, alle Fragen seien bereits detailliert und schriftlich beantwortet worden. Er habe nicht vor, dass jetzt alles zu wiederholen.

Drei Mails aus dem Amt

Die versammelte Presse versetzt diese Aussage dann doch in Erstaunen. Eine kleine Umfrage ergibt: Wenn es diese Antworten gegeben hat, dann müsse sie an einen sehr ausgewählten Kreis von Journalisten gegangen sein. Und diese haben dann diese Informationen offenbar auch noch allesamt für sich behalten.

Die Pressestelle der FDP verweist hernach auf die Pressestelle des Auswärtigen Amtes (AA). Auf Anfrage von sueddeutsche.de schickt das Ministerium drei Pressemitteilungen per E-Mail. Eine betrifft die grundsätzlichen Vorwürfe der Günstlingswirtschaft, die Westerwelle in der Mitteilung zurückweist. Eine zweite dreht sich um seinen ehemaligen Mitarbeiter Jörg Arntz, der zwischenzeitlich in einem Boersch-Unternehmen tätig war und jetzt im AA untergekommen ist. Und die dritte Mitteilung geht auf die Künstlerin ein, die Westerwelle nach Istanbul begleitet hatte.

Über die ist allerdings auch nicht mehr zu erfahren außer das, was Westerwelle schon gesagt hat.

Im Video: Die Opposition bemängelt, dass Westerwelle offenbar nichts aus der bisher geäußerten Kritik gelernt habe.

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