Wahl in Guatemala:Die harte Hand als Vorbild

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Proteste gegen den Ausschluss von Carlos Pineda aus der Präsidentschaftswahl in Guatemala: Er hatte vor, eine Politik wie in El Salvador zu machen. (Foto: Luis Echeverria/Reuters)

Lateinamerika leidet stark unter Bandenkriminalität - auch Guatemala. Dort wollen Präsidentschaftskandidaten ein Modell kopieren, das Präsident Nayib Bukele in El Salvador vorlebt: gnadenlose Gewalt gegen Gangs.

Von Christoph Gurk, Buenos Aires

Wenn am 25. Juni in Guatemala die Präsidentschaftswahlen stattfinden, dann ist es eine bittere Ironie, dass die beiden Männer, die den Wahlkampf am stärksten geprägt haben, nicht antreten werden. Einmal ist da Carlos Pineda, 51 Jahre alt, ein Unternehmer und politischer Aufsteiger, der vor allem über das Internet um Anhänger geworben hat, mit Anti-Korruptions-Slogans und dem Versprechen, Ordnung und Sicherheit durchzusetzen in Guatemala. Und dann ist da Nayib Bukele, Präsident von El Salvador, dessen Politik einen nachhaltigen Eindruck im Nachbarland hinterlassen hat.

Gelegen zwischen Atlantik und Pazifik, ist Guatemala mit seinen rund 17 Millionen Einwohnern die größte Nation Zentralamerikas. Die Wirtschaft wächst, vergangenes Jahr immerhin um fast vier Prozent, doch schätzungsweise 55 Prozent der Bevölkerung leben in Armut, die Korruption blüht und kriminelle Banden terrorisieren die Einwohner. Die Mordrate in Guatemala lag 2022 bei 17 Tötungsdelikten pro 100 000 Einwohner - zum Vergleich: In Deutschland bewegt sie sich seit Jahren um die Marke von 0,25.

Die Mordrate in El Salvador ist seit Bukeles Maßnahmen massiv gefallen

Viele Guatemalteken sehnen sich darum nach Sicherheit und blicken sehnsüchtig zum südöstlichen Nachbarn El Salvador. Auch dort hatten Gangs, die sogenannten maras, weite Teile des Landes fest in ihren Griff. Lange galt El Salvador sogar als eines der gefährlichsten Länder der Welt, mit Mordraten höher als die mancher Kriegsgebiete. Doch dann gewann 2019 Nayib Bukele die Wahlen, ein ehemaliger Werber mit akkurat gestutztem Bart und mehr Followern im Netz, als sein kleines Land überhaupt Einwohner hat.

Bukele führte die Kryptowährung Bitcoin neben dem US-Dollar als offizielles Zahlungsmittel ein und im März vergangenen Jahres, nach einem besonders mordreichen Wochenende, verhängte er den Ausnahmezustand. Polizisten umstellten ganze Kleinstädte auf der Suche nach Gangmitgliedern, es gab Razzien und Massenverhaftungen.

Fast 70 000 Menschen wurden seitdem festgenommen, so viele, dass die Regierung im Eiltempo ein neues Gefängnis bauen lassen musste, mit Platz für angeblich 40 000 Häftlinge. Eines der kleinsten Länder Lateinamerikas hat nun eine der größten Haftanstalten der Welt.

Menschenrechtsorganisationen beklagen willkürliche Festnahmen, Zehntausende, heißt es, könnten unschuldig hinter Gitter sitzen. Die Mordrate in El Salvador allerdings ist massiv gefallen: Starb in den dunkelsten Jahren im Schnitt fast stündlich jemand eines gewaltsamen Todes, gibt es heute laut offiziellen Stellen an vielen Tagen keinen einzigen Mord.

Bukele hat das Zustimmungswerte von teils über 90 Prozent gebracht. Und auch im Ausland ist die Bewunderung groß: Zeitungen und Zeitschriften überall in Lateinamerika schreiben vom "Wunder Bukeles" und Politiker versuchen, mit seinem Beispiel Wähler für sich zu gewinnen, in Argentinien ebenso wie in Chile, Honduras oder nun eben Guatemala.

Die Demokratie in Guatemala wird seid Jahren ausgehöhlt, sagen Kritiker

Gleich mehrere Kandidaten treten bei den Wahlen am 25. Juni mit dem Versprechen an, Bukeles Politik zu kopieren, so auch Carlos Pineda, der Unternehmer, der lange als aussichtsreichster Anwärter bei der Abstimmung galt. Noch Mitte Mai flog Pineda extra nach El Salvador. " Ich bin hierhergekommen, um zu sehen, wie wohlhabend ein Land sein kann, in dem das Geld nicht gestohlen wird!", schrieb er auf Twitter.

In Umfragen stand Pineda meist auf einem der vordersten Plätze, dann aber schloss ihn das Verfassungsgericht Guatemalas Ende Mai von der Teilnahme aus. Der offizielle Grund waren Verstöße gegen das Wahlrecht, weil Unterschriften von Parteidelegierten auf Dokumenten fehlten, ebenso wie ein Finanzbericht. Die Entscheidung aber löste Kritik aus, nicht nur in Guatemala und im Lager von Pineda, sondern auch im Ausland. Denn zuvor waren die Teilnahme auch schon einer Aktivistin für Indigene-und Kleinbauern sowie einem konservativen Politiker verboten worden.

Seit Jahren beklagen Beobachter dazu, dass unterschiedliche Regierungen in Guatemala ebenso wie staatliche Institutionen die Demokratie immer stärker einschränken und aushöhlen. Korruptionsbekämpfer mussten in der Vergangenheit schon nach Drohungen das Land verlassen, ebenso wie kritische Journalisten. Und erst Mitte Juni wurde der Herausgeber der unabhängigen Zeitung "elPeriodico" zu sechs Jahren Haft verurteilt, wegen Geldwäsche. Journalistenverbände aber sagen, es sei vor allem darum gegangen, eine allzu kritische Stimme ruhig zu stellen. In Umfragen geben 83 Prozent der Befragten mittlerweile an, die allgemeine Lage in Guatemala habe sich in den letzten Jahren verschlechtert, nur 16 Prozent vertrauen dem Wahltribunal.

Gute Chancen auf die Präsidentschaft hat die Tochter eines früheren Diktators

Fast zwei Dutzend Bewerber gibt es nun noch, die sich am 25. Juni zur Wahl stellen. Aussichtsreichste Kandidatin ist Sandra Torres, einst schon einmal First Lady des Landes. Damals kümmerte sie sich um Sozialprogramme, heute lobt auch sie die Politik des harten Durchgreifens von El Salvadors Staatschef und verspricht, Bukeles Modell zu kopieren.

Ganz ähnlich Zury Ríos, die zweite Kandidatin, die ganz vorne in den Umfragen steht: Die 55-jährige konservative Kandidatin war in den letzten Wochen sogar zu Besuch in El Salvador und spricht von dem Land als einem "Referenzmodell".

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Bei Kritikern löst ihre Kandidatur Erinnerungen an düstere Zeiten aus. Ríos ist die Tochter von Efraín Ríos Montt, ein General, der Guatemala von 1982 bis 1983 als Diktator beherrscht hat. In seiner kurzen Regierungszeit fanden einige der schlimmsten Massaker im guatemaltekischen Bürgerkrieg statt, ganze Dörfer wurden niedergemetzelt. Ríos Montt wurde später wegen Genozid und Menschenrechtsverbrechen angeklagt, seine Tochter aber hat die Verbrechen stets relativiert.

Nun, 40 Jahre nach dem Ende der blutigen Herrschaft ihres Vaters, strengt sie sich an, selbst Präsidentin zu werden, ausgerechnet mit dem Versprechen, dass, sollte sie gewinnen, Soldaten auf den Straßen wieder für Ordnung sorgen.

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