Grünen-Parteitag in Berlin:Aussichtslos und Spaß dabei

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Die Grünen haben ein Problem: keine Aussicht auf Regierungsbeteiligung. Während die Parteispitze Optimismus zeigt, ist der Basis das Ende der Farbenspiele sehr recht.

Michael König, Berlin

Sie feiern schon ein bisschen. Auf der Empore spielt eine Polka-Band, auf der Leinwand läuft ein Video mit den schönsten Szenen der vergangenen Wochen. Den Menschen in den hinteren Reihen auf dem kleinen Parteitag der Grünen in Berlin gefällt das gut. Der Wahlkampf war lang, viele Wahlkämpfer sehen so aus, als hätten sie Entspannung nötig. Die Grünen liegen in den Umfragen bei zehn Prozent, das empfinden viele als Erfolg. Dass es trotzdem nicht zum Regieren reicht? Geschenkt.

Bemühen sich, keine vorzeitige Feierstimmung aufkommen zu lassen: Jürgen Trittin und Renate Künast. (Foto: Foto: AP)

FDP-Chef Guido Westerwelle hat am Samstag eine Ampelkoalition definitiv ausgeschlossen, damit ist die letzte Machtoption der Grünen dahin. Sie werden in den kommenden vier Jahren der Opposition angehören, so viel scheint eine Woche vor der Bundestagswahl klar.

Für Rot-Grün reicht es nicht, Rot-Rot-Grün hat die SPD ausgeschlossen, Schwarz-Grün ist der CDU zu experimentell. Einer Jamaika-Koalition sind FDP und Grüne nicht zugetan. Es ist das Wochenende der Absagen: Inzwischen hat Grünen-Spitzenkandidatin Renate Künast einer Koalition mit Union und FDP erneut eine Absage erteilt. Mit Westerwelles Absage an eine Ampel hat sich auch diese Diskussion erledigt. "Unsere Wähler bekommen ohnehin Pickel, wenn sie nur an die FDP denken", sagt ein Delegierter aus Nordrhein-Westfalen.

Signal für die letzte Wahlkampfwoche

Er genießt mit Parteifreunden die Sonne im Garten des Berliner Umweltforums, einer zum Konferenzzentrum umfunktionierten Kirche, in der der Parteitag der Grünen stattfindet. Sie alle sind froh, dass sie nun nicht mehr über Farbenspiele sprechen müssen. "An den Info-Ständen war das sowieso nie ein Thema", sagt ein Wahlkämpfer. "Die Leute interessieren sich für Inhalte und nicht dafür, ob wir irgendwann mit der CDU koalieren können."

Überhaupt, die Inhalte. Die Grünen legen auf diesem Parteitag ein Sofortprogramm vor, das nach der Wahl umgesetzt werden soll. Mit Maßnahmen für eine grüne Wirtschaft, für Klimaschutz und für Bürgerrechte. Dass Oppositionsparteien keine Programme umsetzen können, ist den Grünen egal. Es geht um das Signal für die letzte Wahlkampfwoche. Es geht darum, den Wählern zu zeigen: Gebt uns eure Stimmen, auch wenn wir nicht regieren werden.

Die Spitzenkandidaten Jürgen Trittin und Renate Künast bemühen sich, keine vorzeitige Feierstimmung aufkommen zu lassen. Sie gehen in den Pausen nicht in die Sonne, sie bleiben auf ihren Plätzen sitzen. Sie geben sich kämpferisch. Sie recken die Daumen in die Höhe, wenn die Fotografen zugegen sind. In ihren Reden teilen sie nach allen Richtungen aus.

"Wir wissen jetzt alles über Steinmeiers Jugendfußballmannschaft und dass Angela Merkel freitags den Einkaufszettel für ihren Mann schreibt", sagt Trittin: "Aber wie sie dieses Land aus der Krise führen wollen, das wissen wir nicht." Er beklagt die "Berlusconisierung" des Wahlkampfs der Volksparteien, begibt sich aber selbst auf die persönliche Ebene: "Wir wissen jetzt auch, dass Angela Merkel am liebsten Artischocken aus der Dose mag. Die frischen sind ihr zu schwierig. Sie hat es halt gerne bequem."

Künast klettert nach ihrer Rede auf ihren Stuhl und boxt in die Luft. Sie ist nun fast so groß wie Trittin, der neben ihr steht und den Kopf schüttelt. Seine Haare wippen mit, es sieht ein bisschen so aus wie auf einem Hardrock-Konzert.

Schwarz-Grün? "Auf keinen Fall."

In Interviews wiederholt das Spitzenduo gebetsmühlenartig die neue Losung, die der Partei über die letzte Woche helfen soll: "Wir wollen dritte Kraft werden", sagt Jürgen Trittin. "Damit es was zu verhandeln gibt", ergänzt Renate Künast. Sie geben sich trotzig.

"Ich bin dafür bekannt, stur zu sein. Manche sagen sogar: störrisch", sagt Trittin und lächelt spitzbübisch. Er ist gefragt worden, ob er mit der CDU verhandeln werde. "Das wären spannende Debatten mit Seehofer und Schäuble, wenn wir über die doppelte Staatsbürgerschaft reden würden", sagt Trittin.

Auf der Terrasse schütteln sie heftig den Kopf. Schwarz-Grün? "Auf keinen Fall." Die Meinung der Basis ist eindeutig: keine Farbenspiele mehr. Aber wie wollen sie ohne Machtoption Wahlkampf machen? Der Delegierte aus Nordrhein-Westfalen schmunzelt und sagt: "Ich traue Wahlumfragen ohnehin nicht mehr. Wer weiß, vielleicht schaffen wir ja die absolute Mehrheit. Dann können wir uns diese Debatte sparen."

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