Streitpunkt Klimaschutz:"Sonst ist es zu spät"

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"Wir wissen, dass sich unglaublich viel an unserer Lebens- und Wirtschaftsweise ändern muss": Jakob Blasel kandidiert im Wahlkreis Rendsburg-Eckernförde für den Bundestag. (Foto: Uwe Anspach/dpa)

Die Klimaziele der Parteispitze seien zu lasch, ein halbherziges Programm die eigentliche Gefahr, sagt der frühere "Fridays for Future"-Aktivist und Bundestagskandidat Jakob Blasel.

Interview von Christoph Koopmann

Jakob Blasel ist Klimaaktivist, er war einer der Sprecher von "Fridays for Future" in Deutschland. Jetzt kandidiert der 20-Jährige auf der Grünen-Liste für den Bundestag - und fordert eine entschlossenere Klimapolitik. Mit seinen Antrag für einen CO₂-Preis von 80 Euro pro Tonne scheiterte er beim Parteitag am Freitagabend jedoch deutlich. Weitermachen will er trotzdem.

SZ: Sie fordern harte Klimaschutzmaßnahmen. Verschrecken Sie damit Wähler aus nicht grünen Milieus, die die Grünen für die Kanzlerschaft brauchen?

Jakob Blasel: Den ein oder anderen vielleicht. Aber Umfragen zeigen, dass 70 Prozent der Menschen den Klimawandel als Bedrohung sehen. Ich glaube schon, dass wir gerade für eine starke Klimapolitik Mehrheiten bekommen.

Auch wenn Sie dadurch Menschen verlieren, die sich überlegt haben, vielleicht zum ersten Mal im Leben grün zu wählen?

Die meisten wählen uns für unsere klare Haltung beim Klimaschutz. Für uns wären die Folgen eines halbherzigen Grünen-Programms sehr viel fataler, als eventuell ein paar Stimmen zu verlieren.

Und es wird trotzdem reichen, um die Wahl zu gewinnen?

Ich mache Wahlkampf dafür, dass wir die Mehrheiten haben, um eine Kanzlerin Annalena Baerbock zu stellen. Nur eine Regierung unter grüner Führung kann meiner Meinung nach der Klimakrise gerecht werden. Wir müssen in der nächsten Legislaturperiode auf einen Kurs zum 1,5-Grad-Ziel kommen, sonst ist es zu spät.

Angenommen, Sie werden im Herbst in den Bundestag gewählt und die Grünen kommen in die Bundesregierung, was verbieten Sie zuerst?

Es geht nicht um willkürliche Verbote. Erst mal würde ich daran mitwirken, dass wir ein Klimagesetz schreiben, mit dem wir das 1,5-Grad-Ziel einhalten können. Das wird dann natürlich auch mit Einschränkungen einhergehen, wir können nicht weiter so leben wie bisher.

Welche Einschränkungen?

Das müssen wir sehen.

Wenn die Grünen zuletzt davon geredet haben, dass Inlandsflüge und Sprit teurer werden müssten oder ein Tempolimit her soll, gab es immer heftigen Gegenwind.

Vor allem CDU und CSU wollen den Leuten immer noch verkaufen, dass sich nichts ändern wird. Das ist Wählertäuschung. Wir wissen, dass sich unglaublich viel an unserer Lebens- und Wirtschaftsweise ändern muss, damit wir die Klimakrise eindämmen können. Sonst stehen wir nach Corona gleich vor der nächsten Notsituation. Ein zögerlicher Weg würde der Dramatik der Lage nicht gerecht werden.

Sie haben sogar Ihrer eigenen Parteiführung vorgeworfen, den Klimaschutz zu gemütlich anzugehen. Warum?

Wegen ihrer Vorschläge zur Erhöhung des CO₂-Preises, die gehen mir und vielen anderen nicht weit genug. Wir müssen Emissionen viel schneller deutlich teurer machen, als im Programmentwurf des Bundesvorstands steht, sonst verpufft der Effekt.

Gerade liegt dieser Preis bei 25 Euro pro Tonne CO₂. Die Parteispitze hat in ihren Entwurf geschrieben, dass die geplante Erhöhung auf 60 Euro auf 2023 vorgezogen werden soll. Wieso fanden Sie und andere von der Basis das zu lasch?

Ich weiß nicht, wie die Parteiführung auf diese 60 Euro kommt. Wir sollten sofort mit 80 Euro einsteigen und den CO₂-Preis dann pro Jahr um 15 Euro steigern.

Dann wären wir in vier Jahren bei 140 Euro pro Tonne.

Mit unserer Forderung orientieren wir uns an wissenschaftlichen Erkenntnissen. Das Umweltbundesamt und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung sagen, dass der Preis bei 195 Euro liegen müsste, um die Klimafolgen einer ausgestoßenen Tonne CO₂ auszugleichen.

Wer soll denn das bezahlen? Allein der Strompreis ist doch jetzt schon doppelt so hoch wie vor 20 Jahren.

Parallel soll auch das sogenannte Energiegeld steigen. Was die Bürgerinnen und Bürger erst mal draufzahlen, bekommen sie einmal im Jahr als Direktzahlung zurück.

Das soll reichen, die Akzeptanz für harte Maßnahmen zum Klimaschutz in der Bevölkerung zu erhöhen?

Auf jeden Fall. Wir wollen ja nicht, dass das zulasten von Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen geht. Wir wollen, dass eher Unternehmen und Menschen mit viel Geld diesen Wandel bezahlen. Für bessere Klimapolitik dürfen wir auch das soziale Klima nicht vernachlässigen.

Da sind Sie sich einig mit Annalena Baerbock und Robert Habeck - im Gegensatz zum CO₂-Preis. Warum ist ausgerechnet die Klimapolitik jetzt zum Zankapfel bei den Grünen geworden?

Das ist er nicht. Wir haben schon vor dem Parteitag viele Kompromisse mit dem Vorstand gefunden. Wir haben uns zum Beispiel darauf geeinigt, dass wir als Grüne gemeinsam fordern, den Anteil der erneuerbaren Energien bis 2035 auf 100 Prozent zu erhöhen. Der CO₂-Preis ist nur das letzte Puzzleteil für eine gemeinsame Position. Der Parteifrieden ist nicht in Gefahr.

Beim Kohleausstieg hat man gesehen, wie schwierig es ist, die Interessen zwischen Umweltschutz und Wirtschaft auszubalancieren. Was macht Sie da zuversichtlich, dass das beim CO₂-Preis gelingt?

Wir müssen nicht bei allem die fossile Industrie um Erlaubnis fragen. Wir müssen in der Politik die richtigen Anreize setzen, dass sie sich von selbst bewegt. Da kann eine grüne Regierungsbeteiligung einen Unterschied machen.

Wofür sich die Grünen aber mit anderen Parteien einig werden müssten.

Ich glaube nicht, dass sich unsere Zukunftsfragen an Parteistreitereien orientieren sollten. Eher daran, ob wir mit unserer Politik meiner Generation überhaupt eine Zukunft garantieren können.

Kompromisse müssten Sie trotzdem machen. Wie viele können sich die Grünen denn leisten, um nicht auf der einen Seite "Fridays for Future" zu verlieren - und auf der anderen Seite die gemäßigten Wähler?

Das ist die falsche Frage. Die richtige wäre: Wie viele Kompromisse können wir uns leisten, um nicht in eine Klimakrise reinzuschlittern? Gerade sind wir auf einem Kurs, bei dem wir in der Arktis mehr als 30 Grad messen. Das ist unvorstellbar! Wenn alles schiefläuft, können wir bald unseren Mallorca-Urlaub da machen.

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