Grünen-Fraktion:Zwei Flügel für die Spitze

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Würde mit der neuen, großen Grünen-Fraktion gut zu tun kriegen: Britta Haßelmann. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Die eine ist eine junge Parteilinke, die andere eine erfahrene Reala: Katharina Dröge und Britta Haßelmann wollen bei den Grünen die neuen Fraktionsvorsitzenden werden.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Als Duo infernale betrachten sie sich eher nicht, aber als weibliche Doppelspitze unterschiedlicher Generationen, Parteiflügel und Temperamente. Nach der parteilinken Wirtschaftspolitikerin Katharina Dröge, 37, hat am Freitag auch die Reala Britta Haßelmann, 59, ihre Bewerbung für den grünen Fraktionsvorsitz bekannt gegeben. Die langjährige erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im Bundestag, die auch jenseits der eigenen Reihen als Streiterin für demokratische Rechte gilt, dürfte am Dienstag gewählt werden. "Ich habe große Lust, die Grünen nach 16 Jahren Opposition in dieser neuen Rolle zu vertreten", sagte sie der Süddeutschen Zeitung am Freitag. "Ich glaube, ich habe in den letzten Jahren gezeigt, dass ich die Anliegen meiner Fraktion klar und hartnäckig vertreten kann."

Britta Haßelmann, das ist eine, die nicht gern Wind um sich macht. Für die Grünen aber spielte sie in den letzten Jahren eine wichtige Rolle. Sie kennt die Mechanik des Bundestags bis zur letzten Schraube. Dass sie auch rhetorisch zu den Wadlbeißerinnen zählt, ist spätestens seit 2018 bekannt, als sie auf die AfD losging.

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Von Constanze von Bullion

Die Angestelltentochter vom Niederrhein ist die erste in ihrer Familie, die Abitur gemacht hat. Weil sie sich für Menschen interessiert, vor allem für die weniger privilegierten, hat sie Sozialarbeit studiert und viele Jahre Leute betreut, die wegen einer psychischen Einschränkung aus der Bahn geraten oder nie dort angekommen waren. Das helfe, auch im Bundestag, findet sie: "Ich habe ein relativ entspanntes Verhältnis dazu, was angeblich normal ist." Sie kenne und schätze das Leben "in all seiner Vielfalt".

Das verbindet sie mit der zweiten Kandidatin für den grünen Fraktionsvorsitz. Auch Katharina Dröge, zuletzt wirtschaftspolitische Sprecherin, hat den Weg in die Politik zunächst übers Soziale gefunden - und über Zahlen. Die Tochter einer Förderschullehrerin und eines Jugendhelfers ist groß geworden mit Geschichten über Kinder, die nachmittags nicht mal zu Hause klingeln durften, weil die Eltern schlafen wollten. Das habe sie geprägt, sagt sie, "weil ich gemerkt habe, wie privilegiert ich aufgewachsen bin".

Hat erfahren, wie es ist, als Frau nicht ernst genommen zu werden: Katharina Dröge. (Foto: Christophe Gateau/dpa)

Zu den Grünen wollte die Münsteranerin erst keinesfalls, da waren ja schon die Eltern. Debatten über Globalisierung haben das dann geändert: "Es ging um die Frage, wer bestimmt eigentlich die Spielregeln in der Welt?", sagt Dröge. "Jemand, der links sozialisiert ist, muss auf Augenhöhe mit der Wirtschaft reden können." Inzwischen hat die Volkswirtin und Mutter zweier kleiner Kinder sich im Bundestag Gehör verschafft als gern mal selbstironische Wirtschaftsexpertin, die den Dingen auf den Grund zu gehen sucht, auch dann noch, wenn andere schon aussteigen.

Die Erwartungen der Fraktion an die neue Spitze sind hoch

Dröge kennt aber auch die Selbstzweifel einer jungen Frau, die sich früher nie nach vorn gedrängt hat und oft erlebte, dass auf Podien niemand Bezug nahm auf das, was sie zuvor gesagt hatte. "Das ist dann, als wäre eine Frau nicht da." Doch, ja, das ärgert sie: "Ungerechtigkeit ist etwas, was mich wahnsinnig aufregt."

So wie es aussieht, werden Katharina Dröge und Britta Haßelmann als Fraktionsvorsitzende ordentlich zu tun kriegen. Denn anders als bisher gilt es nicht mehr, einen kleinen Haufen grüner Abgeordneter zusammenzuhalten, die die Gegnerschaft zur Regierung verbindet. Die Fraktion ist jetzt größer, diverser, jünger - viele sind mit hohen Erwartungen in den Bundestag gekommen, etwa beim Klimaschutz. Ernüchterung ist da gewiss.

Auch die Tatsache, dass mit Annalena Baerbock, Robert Habeck, Cem Özdemir und Steffi Lemke vier Grüne in Ministerrang ein Bundestagsmandat haben, macht die Sache nicht einfacher. Andere wie Anton Hofreiter sind bei der Postenverteilung leer ausgegangen, was bei Parteilinken für Verärgerung sorgt. "Natürlich weiß ich, Personalentscheidungen können auch zu Verletzungen führen", sagt Britta Haßelmann dazu. "Ich glaube, dass ich Menschen sehr gut mitnehmen kann, ihnen zuhören, sie sehen", sagt Katharina Dröge. Es klingt nicht gerade nach Furcht vor dem Amt.

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