Grüne:Schluss mit Billigfleisch

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"Im Lebensmitteleinzelhandel darf ein Mindestpreis für tierische Produkte nicht unterschritten werden": Grünen-Chef Robert Habeck will neue Standards bei der Fleischverarbeitung. (Foto: Tobias Schwarz/AFP)

Trotz der Befürchtung, wieder als Verbotspartei zu gelten, wollen die Grünen per Gesetzesänderung neue Standards und höhere Fleischpreise erzwingen.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Es ist ein Trauma, und es wirkt bis heute nach. Nun aber soll es offenbar überwunden werden. Die Grünen wurden in der Vergangenheit immer wieder gern als Verbotspartei gescholten. Und es hat sie Stimmen gekostet. Aber jetzt? Jetzt riskieren sie wieder eine Verbotsdebatte. Sie wollen Schluss machen mit Billigfleisch und der "Massenproduktion von Fleisch zu Dumpingpreisen".

Parteichef Robert Habeck hat ein Positionspapier verfasst, das neben grundlegenden Veränderungen in der Fleischindustrie auch einen Mindestpreis für tierische Produkte fordert. Anlass ist die Häufung von Covid-19-Fällen in Schlachtbetrieben. Die Reaktion auf seine Forderungen folgte prompt: Die Grünen wollten den Deutschen ihr Schnitzel teurer machen, warnte die Bild-Zeitung.

Nun sehnt sich bei den Grünen niemand nach einer Neuauflage freudloser Debatten wie über den Veggie Day oder einen Benzinpreis von damals fünf Mark - einerseits. Andererseits will die Partei in Zeiten sinkender Umfragewerte aber auch nicht ganz verschwinden hinter den Corona-Maßnahmen der Bundesregierung.

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Am Montag also zeigte man sich angriffslustig und stieß - Kritik hin oder her - erneut ins gleiche Horn. Deutschland sei in der Fleischbranche "europaweit als Billiglohnland verschrien", sagte Parteichefin Annalena Baerbock nach einer Sitzung des Parteivorstands in Berlin. Das System Billigfleisch müsse ein Ende haben.

Die CSU springt den Grünen bei - die CDU allerdings nicht

In Habecks Positionspapier ist von "dramatischen Problemen der Agrarindustrie" die Rede. Den Preis für Deutschlands ungewöhnlich niedrige Fleischkosten zahlten Arbeiterinnen und Arbeiter in Schlachtfabriken: "Sie schuften zu miserablen Arbeits- und Lohnbedingungen, hausen in katastrophalen Unterkünften, der Schutz ihrer Gesundheit steht hintenan."

Bis zu 90 Prozent der Beschäftigten hätten Werkverträge mit Subunternehmen, die oft nur Briefkastenfirmen seien und bei Problemen schwer greifbar. In Schlachtbetrieben müsse es "für die Kerntätigkeiten ein Verbot von Werkvertragsverhältnissen über Subunternehmen geben". Um "gravierende Verstöße gegen das Arbeitszeitrecht" besser ahnden zu können, sei eine Generalunternehmerhaftung nötig, aber auch die konsequente Umsetzung von Hygiene- und Gesundheitsstandards in den Unterkünften der Arbeitskräfte.

Kontrovers ist besonders der vorletzte Absatz des Grünen-Papiers. "Der Standard ,Billigfleisch' muss ein Ende haben. Er geht zu Lasten von Mensch, Tier und Umwelt", heißt es dort. Rabattaktionen für Billigfleisch trügen zum Preisdumping bei. "Dieser Dumpingwettbewerb muss untersagt werden. Im Lebensmitteleinzelhandel darf ein Mindestpreis für tierische Produkte nicht mehr unterschritten werden."

Die Forderung nach einer Kontrolle der Fleischpreise treibt nun CDU und CSU im Bundestag auseinander. Aus der CSU kam Zuspruch für die Grünen. "Der unanständige Preiskampf beim Fleisch ist die Wurzel vieler Übel. Er bringt unsere Landwirte in Existenznöte, schadet dem Tierwohl und ist für die problematischen Arbeitsbedingungen in Schlachthöfen verantwortlich", sagte Unionsfraktionsvize Georg Nüßlein (CSU) der Augsburger Allgemeinen. An höheren Fleischpreisen führe kein Weg vorbei.

Ganz anders Albert Stegemann (CDU), Vorsitzender der Arbeitsgruppe Ernährung und Landwirtschaft der Unionsfraktion: "Ein Mindestpreis für Fleisch löst kein einziges Problem. Er schafft nur neue soziale Ungerechtigkeiten", sagte er der Süddeutschen Zeitung. Das Ansehen der deutschen Tierhaltung leide aktuell "unter der Situation in einigen Schlachthöfen". Ambitionierte Arbeits- und Tierschutzbedingungen und Kontrollen durch die Bundesländer müssten deshalb "Hand in Hand gehen".

Die Liberalen äußerten sich ähnlich kritisch. "Auch beim Schnitzel gilt Habecks Motto: viel Meinung, keine Ahnung", sagte die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann der SZ. Habeck ignoriere zum wiederholten Male ökonomische Grundprinzipien: "Das Tierwohl steigt nicht durch höhere Preise, sondern faire Preise kommen durch höhere Tierwohlstandards. Und das dann ganz automatisch." Linksfraktionschef Dietmar Bartsch warnte vor einer "sozialen Spaltung durch das Schnitzel". Die Preisdebatte der Grünen gebe "moralisch implizit den Verbrauchern die Schuld". Richtig sei allerdings, dass die Bezahlung und die Kontrollen in Schlachthöfen verbessert werden müssten.

© SZ vom 19.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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