Für Michael Gove war die Sache ganz einfach. Ja, sagte der britische Wohnungsbau-Minister am Donnerstag dem TV-Sender Sky News, natürlich seien die Aussagen des Parteispenders Frank Hester "schrecklich" und "rassistisch", aber, wenn sich jemand entschuldige, "dann ist es meine natürliche Neigung, christliche Vergebung walten zu lassen". Dass Goves geschwollene Worte diese Angelegenheit beenden, damit ist allerdings nicht zu rechnen, eher im Gegenteil. Die Sache mit Frank Hester ist, Stand Donnerstag, für die Tories außer Kontrolle geraten.
Frank Hester ist ein 57-jähriger, schwerreicher Geschäftsmann aus Leeds, er gründete The Phoenix Partnership (TPP), eine auf das Gesundheitswesen spezialisierte Software-Firma. Zwischen 2019 und 2022 wurde TPP mit mehreren Aufträgen für den staatlichen Gesundheitsservice NHS ausgestattet, insgesamt sollen dabei 135 Millionen Pfund geflossen sein. Hester war zu der Zeit der alleinige Anteilseigner von TPP, weshalb er, wie der Guardian im vergangenen Jahr herausfand, mehr als 20 Millionen Pfund an Dividenden bekommen haben soll.
Hester spendete mehr als zehn Millionen Pfund
Als die Pandemie abklang, spendete Hester erstmals Geld an die Tories. Von Februar bis Dezember 2023 überwies er, wie aus dem Spendenregister der Regierung hervorgeht, über seine Firma in sechs Tranchen insgesamt 5,17 Millionen Pfund an die Konservativen - und legte im Mai 2023 noch einmal fünf Millionen aus seiner Privatkasse drauf. Mit mehr als zehn Millionen Pfund ist Hester damit der aktuell zweitgrößte Tory-Spender.
Anfang dieser Woche nun enthüllte der Guardian nach monatelanger Recherche einen fünf Jahre alten, aber deswegen nicht minder ernsten Vorgang. Hester habe demnach in seiner Firma 2019 gesagt, er sei nicht rassistisch, aber wenn man Diane Abbott sehe, "dann hasst man doch alle schwarzen Frauen". Er wiederum hasse nicht alle schwarzen Frauen, aber er finde, "Diane Abbott gehört erschossen". Abbott, 70, ist die dienstälteste schwarze Abgeordnete im britischen Parlament, sie war Labour-Abgeordnete, bis sie im April 2023 von der Fraktion suspendiert wurde, nachdem sie in einem offenen Brief geschrieben hatte: Der Rassismus, den etwa Juden erlebten, sei weniger schlimm als der Rassismus, den Schwarze erdulden müssten. Seitdem sitzt sie als Parteilose im Parlament.
Hester ließ mitteilen, er akzeptiere, dass seine Worte "rude" waren, was man mit "unhöflich" übersetzen kann, oder "rücksichtslos". Er habe versucht, sich persönlich bei Abbott zu entschuldigen. Den ganzen Montag und Dienstag ließ Downing Street Hester verteidigen, mehrere Minister wiederholten in Interviews die Regierungslinie, Hesters Worte seien "falsch" gewesen, er habe sich entschuldigt. Erst am Dienstagabend - nachdem die schwarze Ministerin Kemi Badenoch und andere Tory-Größen Hesters Kommentare als "rassistisch" verurteilt hatten - gab Sunaks Sprecher zu, Hesters Aussagen seien "rassistisch".
Schon seit Wochen müssen sich die britischen Konservativen für Aussagen rechtfertigen, deren Inhalt zum Teil islamophob oder rassistisch ist. Zuletzt hatte Lee Anderson - bis vor Kurzem stellvertretender Fraktionsführer - unter anderem gesagt, der Londoner Labour-Bürgermeister Sadiq Khan werde "von Islamisten kontrolliert". Anderson wurde dafür zwar aus der Fraktion ausgeschlossen, Downing Street aber kritisierte ihn nur halbherzig.
Die Millionen zurückgeben? Das können sich die Tories wohl nicht leisten
Am Montag dieser Woche dann gab Anderson bekannt, dass er die Tories ganz verlassen und sich Reform UK anschließen werde, der rechten Kleinpartei, deren Ehrenpräsident und Gesicht der populistische Zündler Nigel Farage ist. Am Mittwoch, bei den Prime Minister's Questions, nahm Lee Anderson im Unterhaus in der letzten Reihe Platz, ganz oben, auf der Seite der Oppositionsparteien. Unten, an der "Despatch Box", wurde sein früherer Chef Rishi Sunak immer und immer wieder nach Frank Hester gefragt.
Sunak antwortete immer wieder wortgleich: "Seine Bemerkungen waren falsch und rassistisch, er hat sich dafür entschuldigt, und dieses Bedauern sollte akzeptiert werden." Ob die Tories die zehn Millionen an Hester zurückgeben? "Nein", sagte Sunak. Zehn Millionen an Spendengeldern zu verlieren, das können sich selbst die Tories im Wahljahr kaum leisten.
Sunaks Umgang mit der Affäre Hester bringt ihn nun in eine schwierige Lage. Dass er nicht selbst die Linie vorgab, Hesters eindeutig rassistische Bemerkungen auch als solche zu benennen, wird ihm selbst in der eigenen Partei negativ ausgelegt. Britische Medien berichteten am Donnerstag, es habe ein Treffen mehrerer Kabinettsminister gegeben, ob und wie man Sunak noch vor der Wahl ablösen könnte.