Corona in Großbritannien:Johnsons Fahrplan Richtung Freiheit

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Geschäft geschlossen: Großbritannien hat wie hier in London einen dritten, sehr strikten Lockdown. Doch am 8. März dürfen alle Schüler wieder in den Unterricht, im April könnte auch der Einzelhandel öffnen. (Foto: TOLGA AKMEN/AFP)

Großbritanniens Premier präsentiert einen behutsamen Lockerungskatalog für die nächsten Monate, falls die Corona-Zahlen es erlauben. Sogar die Opposition ist zufrieden mit dem Kurs.

Von Thomas Kirchner, München

Der britische Premier Boris Johnson hat am Montag seinen mehrstufigen Plan für eine Lockerung der Corona-Maßnahmen in England in den kommenden Monaten vorgestellt. Wie er im Unterhaus erklärte, sollen am 8. März alle Kinder wieder in die Schule gehen. Außerdem dürfen Bewohner von Senioren- und Pflegeheimen dann Besuche eines ausgewählten Verwandten oder Freundes empfangen. Schulsport und andere Aktivitäten im Freien werden erlaubt. Man werde den Weg aus dem Lockdown vorsichtig, aber unwiderruflich gehen, so der Premier. Zu verdanken habe man das der Entschlossenheit der Briten und dem Erfolg der Impfkampagne.

Endpunkt von vier Lockerungsschritten im Abstand von fünf Wochen wäre, wenn es die Bedingungen erlauben, die Rückkehr zu einem halbwegs normalen Leben im Juni. In Wales und Schottland, die eigene Befugnisse haben, haben die Schulen für einen Teil der Kinder schon an diesem Montag geöffnet.

Der geltende, bisher dritte Lockdown war am 5. Januar erlassen worden, als Reaktion auf sehr rasch gestiegene Infektionszahlen und gefüllte Intensivstationen, insbesondere durch die Verbreitung der besonders ansteckenden Virusvariante B1.1.7. Die Maßnahmen sind vergleichsweise strikt. So ist es verboten, Wohnungen ohne triftigen Grund zu verlassen. Soziale Kontakte außerhalb des eigenen Haushalts sind ebenso untersagt wie "unnötige" Reisen. Bei Zuwiderhandlung drohen in schweren Fällen drastische Strafen.

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Seither sind die Zahlen zwar kontinuierlich gesunken, bewegen sich aber noch immer auf hohem Niveau. Zuletzt wurden täglich etwa 10 000 neue Fälle gemeldet. Die Sieben-Tage-Inzidenz pro 100 000 Einwohner lag am Montag bei 114, etwa doppelt so hoch wie in Deutschland. In den vergangenen Tagen hatten sich die Rufe nach Lockerung gemehrt, aus der Wirtschaft kamen laute Klagen über den Schaden, der durch den Lockdown entstehe. Die Wirtschaftsleistung sank 2020 um 9,9 Prozent.

Die nächste Lockerungsstufe soll am 28. März folgen. Dann wären Zusammenkünfte von bis zu sechs Personen oder zwei Haushalten erlaubt. Im Freien soll Basketball, Fußball oder Tennis gespielt werden können. Am 12. April würden nicht nur Geschäfte jenseits des unmittelbaren Bedarfs sowie Museen und Büchereien öffnen, sondern auch Bars und Restaurants, wenn auch nur im Freien. Im Mai dürften die Kunden in Innenräume, Sport- und Musikveranstaltungen würden wieder erlaubt.

Schon jeder Vierte ist einmal geimpft worden

Jeglicher Fortschritt steht jedoch unter dem Vorbehalt einer positiven Entwicklung, die jeweils mit Kriterien überprüft werden soll: Ist die Infektionslage überschaubar? Breiten sich gefährliche Varianten nicht weiter aus? Verläuft das Impfprogramm nach Plan? Insgesamt versucht sich Johnson an einem behutsamen Kurs und will erklärtermaßen vermeiden, jetzt zu weit zu gehen mit Öffnungen. Denn dies könnte abermals in einen Lockdown münden. Den Ausschlag gäben nicht die vorgesehenen Zeitpunkte, sondern die Daten aus der Pandemie, sagte der Regierungschef. Der dringende Rat, möglichst von zu Hause aus zu arbeiten, bleibt vorerst ebenso in Kraft wie die Reisebeschränkung für viele Länder. Offen ist daher auch, wann und wohin die Engländer wieder in Urlaub fahren können.

Beim Impfen steht das Land weiterhin gut da. 26,3 Prozent der Bevölkerung haben eine erste Impfdosis erhalten. Die Regierung hatte, um das Tempo zu beschleunigen, frühzeitig entschieden, die zweite Dosis erst nach drei Monaten zu verabreichen. Nach neuesten Plänen soll jeder impfwillige Brite bis Ende Juli eine erste Dosis bekommen können.

Auch wegen der weithin gelobten Impfkampagne hat sich die anfänglich starke Kritik an Johnsons Vorgehen in der Corona-Krise gelegt. Getadelt wird der Tory-Premier inzwischen mehr von Lockerungsfreunden in der eigenen Partei als von der Opposition, die keinen grundsätzlich anderen Weg empfiehlt. Mit seinen jüngsten Vorschlägen liefert der konservative Politiker zudem, was Gesundheitsminister Jens Spahn in Deutschland derzeit für "nicht möglich" hält: einen verbindlichen Plan für die kommenden Monate.

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