Regierungswechsel in Großbritannien:"Ich bin fest entschlossen zu liefern"

Lesezeit: 2 min

"Wie stark der Sturm immer sein wird, die Briten sind stärker", sagt die neue britische Premierministerin Liz Truss in ihrer ersten Rede im neuen Amt. (Foto: Toby Melville/Reuters)

Liz Truss ist neue Premierministerin und hat vor Downing Street Nummer 10 ihre erste Rede im neuen Amt gehalten. Die Steuerkürzungen nennt sie ihr wichtigstes Projekt - und lobt ihren Vorgänger überschwänglich.

Liz Truss ist neue Premierministerin des Vereinigten Königreichs. Die bisherige Außenministerin wurde am Dienstag von Königin Elizabeth II. auf Schloss Balmoral in Schottland zur Nachfolgerin von Boris Johnson ernannt. Der Palast veröffentlichte ein Foto des Treffens. Anschließend machte sich Truss gemeinsam mit ihrem Ehemann Hugh O'Leary auf den Weg in ihren Regierungssitz in der Londoner Downing Street. Dort hat sie am Nachmittag ihre erste Rede als Premierministerin gehalten.

Sie begann ihr Statement mit einem Lob auf Boris Johnson. Dieser habe die Covid-Krise und den Brexit bewältigt und die Unterstützung für die Ukraine organisiert. "Die Geschichte wird ihn einmal als besonders konsequenten Premierminister sehen" so Truss.

Die Queen ernennt Truss auf dem königlichen Schloss Balmoral zur neuen britischen Premierministerin. (Foto: Jane Barlow/AP)

"Nun ist die Zeit, die Dinge anzugehen, die das Vereinigte Königreich derzeit zurückwerfen", sagte Truss in ihrer Rede. Sie nannte drei Schwerpunkte. Zum einen wolle sie die Steuern senken, um im Land wieder wirtschaftliche Dynamik zu entfachen. Das war schon während ihrer Kandidatur ihr wichtigstes Thema. Sie werde zweitens alles tun, um die Energiekrise abzumildern, und drittens das Gesundheitssystem, den von vielen Britinnen und Briten hoch geschätzten National Health Service reformieren. "Ich bin fest entschlossen zu liefern", sagte die neue Premierministerin am Ende, bevor sie hinter der schwarzen Tür von Number Ten verschwand, erstmals als Regierungschefin.

Es wird nun erwartet, dass Truss noch am Abend die wichtigsten Mitglieder ihres Kabinetts bekanntgibt. Am Montag war sie nach einem wochenlangen parteiinternen Auswahlprozess zur Parteichefin und damit auch zur designierten Premierministerin gekürt worden. Sie konnte sich bei der Abstimmung unter den Tory-Mitgliedern zwar gegen Ex-Finanzminister Rishi Sunak durchsetzen, allerdings deutlich knapper als gedacht. Schon jetzt ist die Unterstützung, die Johnsons Nachfolgerin in der eigenen Partei und innerhalb ihrer Fraktion genießt, keinesfalls uneingeschränkt. Das erhöht den Druck auf Truss, umgehend bei den Wählern einen positiven Eindruck zu hinterlassen.

Dazu muss sie einen Plan vorlegen, wie sie den enormen Anstieg der Lebenshaltungskosten im Vereinigten Königreich abgefedert will. Auch in Großbritannien geht die Furcht um, dass die infolge des Krieges in der Ukraine hochschnellenden Energiekosten Millionen Haushalte in finanzielle Schieflage bringen könnten. Einem Bericht der Boulevardzeitung Sun zufolge will Truss daher die Preise für Gas und Strom einfrieren - ein Vorhaben, das den britischen Staat laut dem Bericht mindestens 40 Milliarden Pfund (rund 46,5 Milliarden Euro) kosten dürfte. Sollte Truss gleichzeitig an ihren Ankündigungen festhalten, Steuern zu senken, dürfte das zu einem schwierigen Spagat werden.

Johnson will Truss "energisch unterstützen"

Am Vormittag hatte Königin Elisabeth II. Boris Johnson aus dem Amt entlassen. Die Queen, die mit Liz Truss inzwischen drei Premierministerinnen und zwölf Premierminister während ihrer Regentschaft erlebt hat, hält sich traditionell von Mitte Juli bis Mitte September auf ihrem schottischen Landsitz Schloss Balmoral auf. Dass sie Johnson und Truss nicht im Buckingham-Palast in London empfängt, hat mit den Mobilitätsproblemen der 96 Jahre alten Monarchin zu tun.

Boris Johnson bei seiner letzten Rede als britischer Premier in der Londoner Downing Street. (Foto: Dan Kitwood/Getty Images)

Der scheidende Premierminister Johnson versprach seiner Nachfolgerin in seiner letzten Rede als Premier "nichts als energische Unterstützung". Spekulationen über ein mögliches Comeback tat der 58-Jährige bei seinem Auftritt in der Downing Street gewohnt humorvoll ab, jedoch nicht ohne Zweifel daran zu lassen, wie ernst er es damit meint. "Lassen Sie mich sagen, dass ich nun wie eine dieser Trägerraketen bin, die ihre Funktion erfüllt hat und sanft wieder in die Atmosphäre eintritt und unsichtbar irgendwo in einem entfernten Teil des Pazifiks versinkt", sagte Johnson. Politische Beobachter schließen nicht aus, dass Johnson bereits seine Rückkehr an die Regierungsspitze plant.

Der 58-Jährige zählte noch einmal die tatsächlichen und angeblichen Errungenschaften seiner Regierungszeit auf - darunter den Brexit, die rasche Verteilung von Corona-Impfstoffen, die frühe Unterstützung der Ukraine mit Waffenlieferungen sowie die Bekämpfung von Kriminalität und den Bau neuer Krankenhäuser. Fast exakt jene Punkte, die dann später auch Truss vor Dowing Street Nummer 10 lobend über Johnson erwähnte.

© SZ/dpa/tobu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusGroßbritannien
:Neue Premierministerin, alte Probleme

Die Mitglieder der Tories wählen Liz Truss zur neuen Partei- und damit auch Regierungschefin - mit dem schlechtesten Ergebnis jemals. Und in Westminster fragt man sich: Was hat Johnsons Nachfolgerin eigentlich vor?

Von Michael Neudecker

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: