Türkei-Griechenland:Schlagabtausch auf gemeinsamer Pressekonferenz

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Der gemeinsame Auftritt von Mevlüt Çavuşoğlu (re.) und Nikos Dendias trug alle Kennzeichen eines klassischen Duells. (Foto: imago images/Xinhua)

Die Außenminister aus Ankara und Athen duellieren sich rhetorisch in aller Öffentlichkeit. Waren alle Versuche der Vermittlung durch EU und Nato umsonst?

Von Tomas Avenarius, Istanbul

Im Genre des Spaghetti-Western würde man von einem Shoot-out sprechen. Aber die Welt der öffentlichen Diplomatie ist meist nicht so aufregend wie die der Revolverhelden. Das Stück, das der türkische und der griechische Außenminister gerade vor Medienvertretern in Ankara aufgeführt haben, war deshalb etwas für die Feinschmecker unter den politischen Verhaltensforschern, sprich den Journalisten. Der gemeinsame Auftritt von Mevlüt Çavuşoğlu und Nikos Dendias trug alle Kennzeichen eines klassischen Duells.

Bei der Pressekonferenz zum Abschluss des ersten Türkeibesuchs eines griechischen Außenministers seit gut zwei Jahren kam es zu streckenweise beleidigend scharfen Äußerungen. Hervor tat sich dabei der türkische Minister Mevlüt Çavuşoğlu. Die Griechen würden "Menschen ins Meer" werfen, sagte er. Der griechische Besucher, den der Türke gerade erst schmeichelnd als "meinen Freund" bezeichnet hatte, habe "leider äußerst inakzeptable Äußerungen gegenüber meinem Land" geäußert.

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Dendias hatte sich kurz davor auch nicht feinfühliger gezeigt. Die Türken verbreiteten "Fake-News" und seien bilaterale Klimavergifter, obwohl man doch aufeinander habe zugehen wollen.

Eigentlich hatten sich der griechische und der türkische Oberdiplomat getroffen, um nach einer Eiszeit zwischen Athen und Ankara besseres Wetter zu machen. Der Streit um die Gasreserven im östlichen Mittelmeer belastet das Verhältnis seit mehr als einem Jahr. Auch die Beziehungen der EU zur Türkei hatten gelitten: Ankara hatte mehrere Mal seine Forschungsschiffe von Kriegsschiffen eskortieren lassen und somit dem EU-Mitglied Griechenland unverhohlen gedroht. Es hätte zum Krieg kommen können.

Beim türkischen Publikum kamen die harten Worte des Ministers an

Nach schwieriger Vermittlung durch EU, Nato und die Berliner Regierung, flankiert von Sanktionsdrohungen, war der Konflikt etwas abgeflaut. EU-Diplomaten hatten erklärt, man komme einer echten Beruhigung näher. Dem ist wohl nicht so - und das, obwohl Ankara derzeit einen für die Türkei fast schon verhaltensauffälligen Kurs der politischen Annäherung an die EU betreibt. In der Folge und trotz "Sofagate" ist Brüssel inzwischen sogar bereit, eine mögliche Ausweitung der Zollunion mit der Türkei anzugehen.

Und nun das: Hatten beide Politiker zu Beginn der Pressekonferenz noch eine positive und konstruktive Atmosphäre gelobt, kam es unerwartet zum Schlagabtausch: Dendias warnte die Türken vor Lügen-Nachrichten im Mittelmeer-Streit, der Flüchtlingsfrage und beim Zypern-Problem und hielt Ankara eine Politik der gezielten Provokation vor. Çavuşoğlu reagierte mit Härte: Dass Griechenland mit Pushbacks von Flüchtlingen gegen internationales Recht verstoße und Menschen ins Meer werfe, habe man nicht öffentlich besprechen wollen, "aber Sie stellen sich hierher und beschuldigen die Türkei vor der Presse, um natürlich Ihrem Land eine Botschaft zu vermitteln," sagte er. Das, so der erkennbar schwer verärgerte Çavuşoğlu, "kann ich nicht akzeptieren".

Beim türkischen Publikum kam das an: Auf Twitter heißt Çavuşoğlu jetzt "der Griechen-Prügler".

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