Am Ende gibt es Applaus, und es ist der türkische Präsident, der als Erstes klatscht. Recep Tayyip Erdoğan, zum Staatsbesuch nach Athen gereist, applaudiert dem griechischen Premierminister Kyriakos Mitsotakis. Der tut es dem Gast aus Ankara gleich. So geht der Auftritt zweier Männer zu Ende, deren Länder bis vor Kurzem alles andere als freundschaftlich zueinander standen. Mitsotakis und Erdoğan, die sich über Jahre hinweg auch persönlich nicht zu mögen schienen, sie applaudieren einander.
Zwei Stunden vorher war der Grieche dem Türken entgegengekommen, er ging die Stufen seines Athener Amtssitzes hinunter und begrüßte Erdoğan herzlich, im Hintergrund lief noch der Hund des Premiers durchs Bild. Offensichtlich wollte Mitsotakis, dass von diesem Tag auch Bilder bleiben. Dem Tag, als sich zwei trafen, um die Vergangenheit ruhen zu lassen.
Erdoğan hatte schon vor der Reise wissen lassen, wie er den Besuch verstanden haben möchte. Eine "neue Seite" wolle er aufschlagen, sagte Erdoğan der griechischen Zeitung Kathimerini. Seinem "Freund Kyriakos" sage er: "Wenn ihr uns nicht bedroht, bedrohen wir euch nicht." Türken und Griechen, so Erdoğan, lebten doch seit Jahrhunderten miteinander, die Griechen wüssten sicher, "wie liebevoll wir sein können, wenn wir freundschaftlich unsere Hand reichen". Ein Kolumnist der Kathimerini schrieb später, er sei sich nicht sicher, wie liebevoll er Erdoğans Ansprüche auf griechisches Seegebiet finden solle.
Es ist ein besonderer Besuch. Nicht nur, weil über Jahrzehnte gar kein türkischer Präsident nach Athen kam. Nach der Zypernkrise im Jahr 1974, als türkische Truppen den Norden der Insel besetzten und die griechischen Bewohner fliehen mussten, herrschte Eiszeit zwischen Ankara und Athen. Erdoğan selbst war zuletzt 2017 in der griechischen Hauptstadt. Danach begannen die Konflikte zwischen den beiden Ländern erst so richtig.
Auf beiden Seiten hatte es kriegerische Rhetorik gegeben
Auch damals, 2017, hatte Erdoğan der Kathimerini ein Interview gegeben - ein weniger freundliches. Er forderte, den Lausanne-Vertrag zu überdenken, der die Grenze zwischen Türkei und Griechenland regelt. In den Jahren danach flogen türkische F-16-Jets wieder und wieder über griechisches Gebiet in der Ägäis, das die Türkei beansprucht. Im Sommer 2020 ließ Erdoğan ein Bohrschiff südlich von Rhodos nach Gas suchen, eskortiert von Marineschiffen. Auch die griechische Marine lief aus. Tagelang standen die Länder vor einer militärischen Eskalation.
In Griechenland hat man nicht vergessen, wie Erdoğan Busse mit Geflüchteten an die griechische Grenze bringen ließ. Von einer "hybriden Kriegsführung" war in Athen die Rede. Auch Erdoğan gab sich der Rhetorik hin: Die Griechen seien wohl nervös, weil die neue türkische Tayfun-Rakete auch Athen treffen könne. Oder jener Satz, man werde "eines Nachts kommen" - eine Drohung gegen die griechischen Inseln vor der türkischen Küste. Mitsotakis bat bei einem Besuch in den USA, die US-Regierung möge der Türkei die erhofften Kampfjets verweigern. Woraufhin Erdoğan wissen ließ, Mitsotakis existiere für ihn nicht mehr, er wolle ihn "nie wieder" treffen.
Jetzt, vor dem Besuch in Athen, wollte der türkische Präsident von alldem nichts mehr wissen. Seine Inseldrohung habe sich gegen Terroristen gerichtet, "die unsere Sicherheit gefährden", nicht gegen Griechenland selbst. Der Nachbar sei "ein geschätztes Mitglied unserer Allianz", also der Nato.
"Athener Erklärung" über die künftige Zusammenarbeit
Die griechische Seite stimmte in den neuen Ton gern ein. Man wolle sich auf eine positive Agenda konzentrieren, hieß es. Erdoğan reiste mit großer Delegation an, Mitsotakis und er unterschrieben sogar eine "Athener Erklärung", wie man in Zukunft zusammenarbeiten wolle. Im Handel, im Tourismus, beim Thema Migration. Den Grenzstreit ließ man weg, auch die Frage der türkischen Besatzung Nordzyperns, die in Athen immer dominierte, wenn es um die Türkei ging. Das Fest der Harmonie sollte nichts stören.
Und dann standen sie vor der Presse, der türkische Präsident und der griechische Premier, beide dieses Jahr im Amt bestätigt. Fragen erlaubte man den Journalisten nicht, der Tag sollte störungsfrei bleiben. Er fühle "eine historische Schuld, die beiden Länder zusammenzubringen", sagte Mitsotakis. Erdoğan und er müssten sich verhalten wie "Kapitäne, die ihre Schiffe in ruhigere Gewässer führen".
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Auch Erdoğan fiel eine Metapher ein. Griechen und Türken seien "wie Geschwister", da komme es auch mal zu Konflikten, ganz normal. Aber Türken und Griechen verbinde "eine Kultur", er sehe nichts, "was sich nicht lösen ließe, solange wir guten Willens sind". Das Handelsvolumen wolle man verdoppeln, so Erdoğan. Und Mitsotakis kam ihm in einem Punkt entgegen, den Erdoğan zu Hause verkaufen kann: Türkische Staatsbürger sollen für sieben Tage ohne Visum auf griechische Inseln reisen dürfen, die vor der Türkei liegen.
Jene Inseln, denen Erdoğan damals mit der Marine gedroht hatte. Türkinnen und Türken also werden demnächst Rhodos und Kos erobern, allerdings als Touristen, nicht als Soldaten.