Es läuft nicht so gut für Emmanuel Macron. Gerade mal dreieinhalb Monate regiert Frankreichs Präsident nun im Élysée, und schon werden Erinnerungen an seinen glücklosen Vorgänger wach. Am Sonntag vermeldete das Journal du Dimanche einen neuen Tiefpunkt: Seit seinem Wahlsieg im Mai hat Macron mehr an Popularität verloren als François Hollande im selben Zeitraum vor fünf Jahren. Nur noch 40 Prozent der Franzosen sind laut dem Institut Ifop mit ihrem Präsidenten zufrieden. Im Juni waren es 64 Prozent. Was für ein Absturz.
Macron ist daran nicht ganz unschuldig. Er will Frankreich wieder zu alter Stärke führen und deshalb die hohen Staatsausgaben kürzen und den verkrusteten Arbeitsmarkt reformieren. Beides Dinge, die nicht gut ankommen, weil sie den Bürgern erst einmal wehtun. Viele Franzosen haben Angst, staatliche Zuschüsse zu verlieren, oder gar ihren Arbeitsplatz. Kein Wunder, dass Macron bei manchen unbeliebt ist. Hinzu kommt das Bild eines Präsidenten, dem seine eigene Inszenierung scheinbar über alles geht. Immerhin wissen die Steuerzahler jetzt, wie viel Macron sein Aussehen wert ist. Seit er im Amt ist, hat er 26 000 Euro für seine Visagistin ausgegeben. Das Büro des Präsidenten erklärte am Freitag zwar kleinlaut, dass versucht werde, eine preiswertere Alternative zu finden, aber das ließ den Spott im Netz nur noch weiter anschwellen (nachzulesen unter #MaquillageGate oder #MakeUpGate).
Europapolitik:Polen geht auf Konfrontationskurs mit Frankreich
Zwischen Warschau und Paris wird der Ton immer aggressiver. In dem Streit geht es um europäische Werte - aber auch um Wirtschaftsinteressen.
Gut möglich, dass Macron sich da nach etwas Ablenkung sehnt. Für diesen Montag hat er Gäste zu sich eingeladen, die schöne Bilder garantieren könnten, wäre da nur nicht dieses mühsame Thema. Bundeskanzlerin Angela Merkel, Italiens Ministerpräsident Paolo Gentiloni und der spanische Regierungschef Mariano Rajoy kommen nach Paris, um über die Flüchtlingskrise zu sprechen. Das Vierer-Format hatte bereits Hollande gepflegt - nur in Sachen Migration hielt er sich stets sehr zurück, um es freundlich auszudrücken.
Sein Nachfolger will es besser machen. Noch in diesem Sommer möchte Macron zentrale Registrierungsstellen (Hotspots) für Flüchtlinge in Libyen eröffnen. Der französische Präsident will damit erreichen, dass weniger Flüchtlinge über das Mittelmeer nach Europa kommen. Asylbewerber sollen sich bereits in Afrika registrieren lassen und erfahren, ob sie das Asylrecht in Anspruch nehmen können.
Kein Flüchtling soll in Frankreich mehr auf der Straße übernachten müssen
All jene, die keine Aussicht auf ein Bleiberecht in der EU haben, will Macron schon in Libyen zurückweisen. So sollen auch Schlepperbanden bekämpft werden, die mit der Not der Flüchtlinge Geschäfte machen. Der Präsident hatte sich vor der politischen Sommerpause äußerst entschlossen gezeigt: "Wir werden versuchen, dies mit Europa zu organisieren, aber auf jeden Fall wird Frankreich es machen." Er erklärte auch, dass er dafür sorgen werde, dass Flüchtlinge nicht mehr auf der Straße übernachten müssen. In Paris, Calais und an der französisch-italienischen Grenze nahe Nizza hausen Flüchtlinge unter unwürdigen Bedingungen in Parks oder Waldstücken. "Ich will keine Frauen und Männer mehr auf der Straße", sagte Macron unmissverständlich. Gelingt das, wäre dies ein Kurswechsel in der französischen Migrationspolitik.
Wie Merkel hat Macron verstanden, dass sich die Flüchtlingskrise, wenn überhaupt, nur zusammen mit Afrika lösen lässt. Der Präsident hat deshalb auch die Staats- und Regierungschefs von Tschad, Niger und Libyen zum Treffen in Paris eingeladen. Merkel sagte in einem Podcast-Interview am Wochenende, dass das Treffen sehr wichtig sei, "weil wir versuchen wollen, Schritt für Schritt die illegale Migration zu reduzieren, damit Menschen sich nicht in die Hände der Schlepper begeben müssen und ihr Leben aufs Spiel setzen". Dies könne nur gelingen, wenn auch nach alternativen Einkommensquellen für Schleuser gesucht werde. Diese müssten andere Perspektiven erhalten, ansonsten würden sie sich nicht davon abbringen lassen, sagte Merkel.
Die EU hat sich deshalb sogenannte Migrationspartnerschaften mit afrikanischen Ländern einfallen lassen. Doch die Zusammenarbeit ist schwierig, besonders mit der Übergangsregierung in Libyen, die kaum Kontrolle über die Hauptstadt Tripolis hinaus hat. Das spürt besonders Italien, wo fast alle Bootsflüchtlinge eintreffen. Roms Premier Gentiloni erhofft sich von dem Treffen am Montag nicht nur Solidaritätsbekundungen, sondern klare Entscheidungen. Er wird nicht müde, immer wieder die Solidarität aller EU-Staaten einzufordern, Italien mit den ankommenden Flüchtlingen nicht alleinzulassen.
Umsiedlung innerhalb der EU so gut wie gescheitert
Doch viele Länder der EU wollen davon nichts wissen. Ungarn, Polen, Tschechien und die Slowakei weigern sich schlicht, Flüchtlinge aufzunehmen. Und es gibt keine Anzeichen dafür, dass sich das so schnell ändern könnte. Laut EU-Kommission wurden seit September 2015 fast 25 000 Flüchtlinge umgesiedelt. Ursprünglich sollten es einmal knapp 100 000 sein, doch davon ist schon länger keine Rede mehr.
Nicht nur das Thema Flüchtlinge spaltet die EU. Auch ein anderes Anliegen Deutschlands und Frankreichs stößt im Osten der Gemeinschaft auf erbitterten Widerstand: Macron und Merkel wollen die Entsenderichtline reformieren und damit gegen Lohndumping in der EU vorgehen. Das würde bedeuten, dass ein nach Frankreich entsendeter polnischer Arbeiter dasselbe verdienen müsste wie ein Franzose vor Ort. Macron war vergangene Woche in Österreich, Rumänien und Bulgarien unterwegs, um für seine Ideen zu werben.
In Bukarest kam er dabei auch auf sein eigenes Land zu sprechen. "Die Französinnen und Franzosen verabscheuen Reformen", wenn es nur darum gehe, makroökonomische Zwänge zu erfüllen, sagte Macron. Hingegen motiviere es die Franzosen, wenn es darum gehe, durch die Reformen Europa zu verändern, "in einer Welt, die vor der Explosion steht, in der autoritäre Regime zum Vorschein kommen, wo das, was jahrzehntelang das westliche Lager war, dabei ist zu zerbrechen, wo der Zweifel Raum gewinnt". Der Präsident zog daraus einen Schluss, der seine Politik prägen soll: "Frankreich findet nur dann zu sich selbst, wenn es Kämpfe führt, die größer sind als das Land selbst."