Pannen-Wahl:Ampel prüft Argumente der Berliner Richter

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Am berühmt-berüchtigten 26. September 2021: Eine Berliner Wählerin gibt ihren Stimmzettel ab. (Foto: Kay Nietfeld/DPA)

In der Hauptstadt stehen die Zeichen auf Wahlkampf: Die meisten Politiker gehen davon aus, dass dort neu gewählt werden muss. Doch was heißt das für den Bundestag?

Von Jan Heidtmann, Berlin

Unter normalen Umständen haben der Berliner Verfassungsgerichtshof und der Deutsche Bundestag nur wenig miteinander zu schaffen. An diesem Donnerstag aber wirbelten die Aussagen von Berlins höchster Richterin die Tagesordnung so einiger Parlamentarier durcheinander. Tags zuvor hatte Gerichtspräsidentin Ludgera Selting angekündigt, dass die Richter die teils chaotische Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus vom vergangenen September vermutlich für ungültig erklären werden. "Wir werden uns mit dem Paukenschlag von gestern auseinandersetzen", sagt nun der SPD-Obmann im Wahlprüfungsausschuss Johannes Fechner. "Wir haben in der Ampel noch Beratungsbedarf."

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Noch vor der letzten Anhörung verkündet der Berliner Verfassungsgerichtshof, dass die Pannenwahl vom September vermutlich wiederholt werden muss. Und liefert bereits eine detaillierte Begründung dafür.

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Das kommt überraschend. Zwar wurde an dem Pannen-Wahltag auch über den Bundestag abgestimmt, aber die Vorfälle werden seitdem in zwei unabhängigen Verfahren geprüft. Das ist auch deshalb sinnvoll, da die Wahlkreise unterschiedlich zugeschnitten sind und manche Unregelmäßigkeiten nur eine der Wahlen betreffen. So monierte das Berliner Gericht neben anderem, dass Blanko-Stimmzettel kopiert und dann verwendet worden sind. Dies ist aber offenbar nur bei Stimmzetteln zur Wahl des Abgeordnetenhauses geschehen.

Doch die Argumentation der Berliner Richter ist so grundsätzlich, dass sie auch der Wahlprüfungsausschuss begutachten will. Der für diesen Tag im Gremium vorgesehene Punkt "Beschlussempfehlung zum Einspruch des Bundeswahlleiters" wurde von der Tagesordnung genommen. Einiges der Kritik der Berliner Verfassungsrichter kann durchaus für die Bundestagswahl in Berlin relevant sein. So sehen die Richter schon die Vorbereitung der Abstimmung als so mangelhaft an, dass sie diese als Wahlfehler werten. "Ein Scheitern musste fast logisch sein", sagt Daniela Ludwig, Obfrau im Ausschuss für die CSU. "Ich kann mir nach dem Donnerhall nicht vorstellen, dass man hier nur noch minimalinvasiv eingreifen will."

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Während der Bundeswahlleiter darauf beharrt, dass die Bundestagswahl in der Hälfte der Berliner Wahlkreise wiederholt wird, wollten die Vertreter der Ampelkoalition bislang offenbar eine kleinere Lösung. Nach einem vertraulich eingestuften Entwurf des Ausschusses, der im August publik wurde, sollte nur in 20 Prozent der Wahllokale neu abgestimmt werden. Ob diese Vorgabe nach der Schelte des Berliner Gerichts noch zu halten ist, bleibt vorerst offen. Die Parlamentarier wollen im Laufe des Oktobers einen neuen Beschluss fassen, über den der Bundestag dann spätestens im November abstimmen soll.

Die nächste Wahl soll glatt verlaufen, die Parteien laufen sich schon warm

In Berlin scheint man sich mit der noch "vorläufigen Rechtsauffassung" des höchsten Gerichts schon ziemlich endgültig abgefunden zu haben. Die Äußerungen seien eine "klare Ansage", meinte der künftige Landeswahlleiter Stephan Bröchler im Sender RBB. Die Chance, dass sie revidiert würden, sei "relativ gering". Das neue Amt für den Verwaltungswissenschaftler ist nur einer der Bausteine, mit denen der Senat die Wahlorganisation derzeit komplett umgestaltet. Die nächste Wahl solle glatt verlaufen.

Die Berliner Parteien laufen sich bereits warm. Stefan Evers, Generalsekretär der Berliner CDU, beschreibt die Berliner Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) schon als "eine Regierende auf Abruf". Auch die FDP - wie die CDU in der Opposition - hält eine komplette Wahlwiederholung für "folgerichtig", sagt ihr Landesvorsitzender Christoph Meyer.

Kritik kommt aber selbst von den Koalitionsparteien der SPD. Grüne und Linke zielen dabei vor allem auf den damaligen Innensenator Andreas Geisel ab, in dessen Amt die Landeswahlleitung angesiedelt ist. Der Sozialdemokrat ist inzwischen Bausenator. Zu seiner Verantwortung für das Wahldesaster gefragt, fragte er am Mittwoch auf einer Diskussion der Berliner Morgenpost zurück: "Was würde es besser machen, wenn ich zurücktrete?"

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