Gewinner und Verlierer:Wer was wird - und wer nicht

Nach der Wahl ist vor der neuen Amtsperiode. Die turbulenten Tage nach der Wahl haben einigen Politikern geschadet - und manchen genutzt.

Von SZ-Autoren

Neben-Bundespräsident

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(Foto: Reuters)

In Deutschland gibt es keine offiziell festgelegte Rangordnung der Chefs der Verfassungsorgane. In der Staatspraxis folgt auf den Bundespräsidenten aber der Bundestagspräsident. Die Kanzlerin und die Bundesratspräsidentin rangieren erst auf den Plätzen drei und vier. Insofern steht Wolfgang Schäuble jetzt vor dem Aufstieg zum zweiten Mann im Staat. Der Christdemokrat soll zum Präsidenten des neuen Bundestags gewählt werden. Schäuble hätte sich zwar auch vorstellen können, Finanzminister zu bleiben. Er liebt es, Politik kraftvoll zu gestalten. Dafür hat die neue Aufgabe andere Vorzüge. Dass Schäuble künftig formal über der Kanzlerin steht, wird ihm - trotz mancher Differenzen mit Angela Merkel - ziemlich egal sein. Interessanter dürfte der Vergleich mit der Nummer eins werden. Frank-Walter Steinmeier ist als Bundespräsident bisher nicht sonderlich aufgefallen. Norbert Lammert, der bisherige Parlamentspräsident, ist deshalb bereits als eine Art Ersatz-Steinmeier wahrgenommen worden. Diese Rolle dürfte auch Schäuble gefallen. Statt Bundespräsident wäre er am Ende seiner einzigartigen Laufbahn dann wenigstens Neben-Bundespräsident.

Schlicht im Abseits

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(Foto: dpa)

Kaum hatte Thomas Oppermann kein Amt mehr, hatte er eine Idee. Als erster SPD-Politiker sprach der Ex-Fraktionschef jetzt öffentlich darüber, dass die SPD doch noch in die große Koalition finden könnte: Wenn die Union Angela Merkel fallen ließe. Das ist bemerkenswert, weil Oppermann das ganze Gerede von einer notwendigen Erneuerung der SPD in der Opposition mal eben ad absurdum führte. Seine Botschaft: Die schnellste Erholung der SPD wäre ein Wechsel in der CDU. Mit dem Glauben, ohne die jetzige Kanzlerin werde einfach alles anders und besser - sogar die große Koalition -, kommt der SPD-Mann ganz nebenbei der wichtigsten Forderung der AfD bedenklich nahe: Merkel muss weg! Wenn solche Schlichtheit ein Vorgeschmack auf das Gebaren der Oppositionspartei SPD wäre, könnte man nur gute Reise wünschen. Doch wurde Oppermann alsbald von bedeutenden SPD-Spitzen wie Manuela Schwesig und weniger bedeutenden wie Ralf Stegner gebremst: Keine Hintertür in die Groko. Damit bleibt Oppermann der erste SPD-Politiker mit dieser Idee, aber vorerst auch der letzte.

Zweites Gesicht der SPD

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(Foto: Reuters)

Man darf es Andrea Nahles ruhig abnehmen, wenn sie beteuert, dass ihr das Wohl der SPD ernsthaft am Herzen liegt. Insofern befand sich die bisherige Arbeitsministerin vor dem Wahlsonntag in einer inneren Zwickmühle: Einerseits musste sie als aufrechte Sozialdemokratin hoffen, dass ihrer Partei ein allzu schlimmer Absturz erspart bliebe. Andererseits wusste sie: Je schlechter das Ergebnis, desto leichter würden sich ihre eigenen Karrierepläne verwirklichen lassen. Hätte Kanzlerkandidat Martin Schulz ein besseres Ergebnis geholt, hätte er womöglich versucht, neben dem Partei- auch den Fraktionsvorsitz für sich zu reklamieren. So aber war der Weg für Nahles frei. Falls es dabei bleibt, dass die SPD in die Opposition geht, wird sie als Chefin der Bundestagsfraktion nun maßgeblich das Erscheinungsbild der SPD prägen. Am Mittwoch begann sie damit, indem sie lachend ankündigte, von nun an bekomme die Union "in die Fresse". Große Empörung, doch wer Andrea Nahles kennt, weiß erstens, wie das gemeint war - und weiß zweitens, dass sie in den nächsten Jahren noch das eine oder andere Mal verbal hinlangen wird. Und manchmal auch daneben.

Deklassiert

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(Foto: dpa)

Auf den ersten Blick ist Volker Kauder CDU-Absteiger der Woche. Der Unionsfraktionschef wurde bei seiner Wiederwahl mit einem schlechten Ergebnis abgestraft. Doch das Kauder-Resultat verstellt den Blick auf einen größeren Verlierer: Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Vorsitzender der Sachsen-CDU ist zwar Stanislaw Tillich. Aber der Ministerpräsident hat keine bundespolitischen Ambitionen, de Maizière ist der bekannteste Christdemokrat des Bundeslandes - und wird deshalb für die Zustände dort mitverantwortlich gemacht. In Sachsen erzielte die AfD ihr bestes Ergebnis, sie überholte sogar die CDU. Dabei hätte de Maizière mit seinem konservativen Profil und seiner Funktion als Innenminister wie kaum ein anderer in der Lage sein müssen, die Rechtspopulisten einzudämmen. Doch in de Maizières Wahlkreis verlor die CDU am Sonntag sogar 19 Prozentpunkte, die AfD legte um mehr als 25 zu. De Maizière, der vor einigen Jahren noch als möglicher Nachfolger Merkels gehandelt wurde, gilt jetzt als Problemfall. Außerdem will die CSU künftig den Innenminister stellen, de Maizière wäre dann sein Amt los.

Unangefochten

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(Foto: AP)

Phönix aus der Asche - das Bild ist nicht neu und trifft es für die meisten Liberalen doch am besten. Sie waren weg, belächelt, mit Häme überschüttet, verschwunden. Und es gab genügend Leute, die glaubten, diese FDP würde nie mehr auftauchen. Jetzt ist sie wieder da, und viele in den Reihen der Freien Demokraten haben tatsächlich das Gefühl, sie seien aus der Wüste zurück nach Berlin gekommen. Für ihren Parteichef Christian Lindner gilt das nicht. Er ist der große Sieger. Er hat geschafft, was er nach der Niederlage am 22. September 2013 begann: Er hat die Partei wieder aufgerichtet. Dabei aber war er der Einzige, der immer irgendwie präsent geblieben ist. Er war der Erklärer, der Motivator, der Routenführer auf dieser Expedition. Und jetzt ist er derjenige, der dafür belohnt wird: als Wahlsieger, als Gewinner, als unangefochtener Anführer der Liberalen. Eines freilich wird sich jetzt ändern. Nach dem langen Aufstieg, der einen immer schöneren Ausblick ermöglichte, wird es jetzt ungemütlich, anstrengend, vielleicht herbstlich. Wochen, wenn nicht Monate der Koalitionsverhandlungen warten - und ein Fehler hier kann aus dem Sieger rasch einen Strauchelnden machen.

Isoliert

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(Foto: Getty)

Sie galt als die Führungsfigur der neuen Rechten in Deutschland. Frauke Petry stand seit der Gründung an der Spitze der AfD, 2015 triumphierte sie im Machtkampf über den Mitgründer Bernd Lucke. Die Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl schien ihr sicher zu sein. Sie wollte in einigen Jahren sogar eine Regierung rechts der Mitte bilden. Um Lucke zu stürzen, hatte die heute 42-Jährige ein Bündnis mit dem Stellvertreter Alexander Gauland geschmiedet. Auch der Rechtsausleger Björn Höcke wurde in die Allianz einbezogen. An diesen Kräften scheiterte Petry später, aber auch an ihrem eigenen Machtstreben. Sie wollte eine Partei dominieren, die so disparat und offen für Extreme ist, dass sie sich auch von einer populären Chefin den Kurs nicht vorschreiben lässt. Kurz nach dem Sieg gegen Lucke erlitt sie erste interne Niederlagen. Bald war sie im Vorstand isoliert, zog sich zunehmend zurück. Sie sei mit ihrem "realpolitischen Kurs" an den Radikalen gescheitert, sagt Petry. Sie will neue Verbündete suchen, hat die AfD Freitag verlassen. Wer das sein soll, ist unbekannt.

In der Schlüsselrolle

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(Foto: dpa)

Sie hatten ihn schon abgeschrieben, nach der Wahl 2013. Jürgen Trittin war damals als Spitzenkandidat in den Wahlkampf gezogen und als Verlierer herausgekommen: Das magere Ergebnis wurde zum großen Teil ihm angelastet. Trittins Gegner aus dem Realo-Lager rechneten ab. Vier Jahre lang begnügte sich Trittin mit der Rolle einer unbequemen Stimme aus dem Hintergrund, gern auch als Gegengewicht zum Oberrealo der Partei, Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Jetzt zeigt sich: Auch 2017 kommt keiner am Niedersachsen Trittin vorbei. Wenn die Parteilinke einem Bündnis mit Union und FDP zustimmen soll (und das ist keineswegs gewiss), geht das nur über ihn. Der grünen Position wird das nicht schaden - Trittin ist mit Abstand der erfahrenste Verhandler seiner Partei. Mit der SPD handelte er 1998 den Atomausstieg aus, in der zweiten rot-grünen Koalition 2005 schlug er als Umweltminister mehr Macht für sich heraus. Auch 2013 führte er Gespräche, über eine schwarz-grüne Koalition. Sie scheiterten auch, weil hinter den Kulissen Parteifreunde an seinem Stuhl sägten. Logisch, dass manchen seine Rückkehr nun gar nicht recht ist.

Aus dem Rennen

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(Foto: dpa)

Über den bayerischen Innenminister Joachim Herrmann sagt man, es fehle ihm an brennendem Ehrgeiz. Mal ist das ein Kompliment und mal ein Vorwurf. Auf jeden Fall ist es derzeit eine Eigenschaft, die dem 61-Jährigen hilft, das CSU-Debakel gelassen zu ertragen. Er war ein fleißiger, aber nie funkelnder Spitzenkandidat; er begriff den Job weniger als Chance zur Profilierung, sondern mehr als Dienst an der Partei. Das hat jetzt den Vorteil, dass die Niederlage in der CSU klar Parteichef Seehofer zugeschrieben wird, während Herrmann für Einsatz und Loyalität gelobt wird. Seine Chancen, Bundesinnenminister zu werden, wenn die CSU sich den Posten sichert, sind intakt. Seine Entschlossenheit aber wird nun auf eine Probe gestellt: Wegen des schlechten CSU-Ergebnisses hat nicht mal er als Listenführer ein Bundestagsmandat bekommen; es ist viel verlangt von dem risikoscheuen Franken, ohne diese Absicherung ins Kabinett einzutreten. Und der persönliche Schaden ist groß genug, dass ihm eine andere Entscheidung wohl abgenommen wird: Als neuer CSU-Vorsitzender ist Herrmann nicht mehr vermittelbar.

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