Gewaltenteilung:Die zügellose Macht des Präsidenten

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  • Trump ist als Präsident vereidigt, doch wie viel Macht hat er wirklich?
  • Die Gründervater der USA führten ein System der checks and balances ein. Der Kongress hat ähnlich viel Macht wie der Präsident.
  • Im Kabinett könnte der Verteidigungsminister Trump Paroli bieten. Ansonsten hört er vor allem auf seine Familie.

Von Hubert Wetzel, Washington

Donald Trump ist gerade erst Präsident der Vereinigten Staaten geworden, doch seine Kritiker stellen schon mit bangem Unterton eine Frage: Wer kann verhindern, dass dieser Mann in Amerika und in der Welt unabsehbaren Schaden anrichtet? Wer kann Trump bändigen?

Man muss bei der Beantwortung dieser Frage Theorie und Praxis auseinanderhalten. Die Gründerväter der USA waren misstrauische Menschen, sie wollten ein demokratisches Staatswesen, vor allem aber eines, in dem niemand zu viel Macht hat.

Das galt insbesondere für das Amt des Präsidenten - George Washington und seine Mitrevolutionäre hatten keinen Unabhängigkeitskrieg geführt, um danach statt vom britischen König von einem allmächtigen Staatschef regiert zu werden. Deswegen stellten sie in der Verfassung neben den Präsidenten, den Anführer der Exekutive, eine starke Legislative. Der Kongress in Washington, bestehend aus dem Abgeordnetenhaus und dem Senat, hat ähnlich weitreichende Befugnisse wie der Mann im Weißen Haus.

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Beide Parlamentskammern müssen alle Gesetze billigen

So ist das System der "checks and balances" entstanden - alle Teile staatlicher Gewalt halten sich gegenseitig in Schach: Alle Gesetze müssen sowohl vom Präsidenten als auch von beiden Parlamentskammern gebilligt werden; der Senat muss die Minister des Präsidenten bestätigen; der Kongress verfügt über das uneingeschränkte Haushaltsrecht.

Theoretisch kann daher der Präsident nur sehr beschränkt regieren, wenn der Kongress nicht mitmacht. Der Demokrat Barack Obama hat das immer wieder schmerzhaft erfahren müssen. Die republikanischen Mehrheitsfraktionen im Abgeordnetenhaus und im Senat ließen ihn über Jahre einfach auflaufen und verweigerten die Zusammenarbeit.

Trump ist allerdings in einer weit bequemeren Position. Seine Republikaner beherrschen beide Kammern im Kongress, die Demokraten können allenfalls Verfahrenstricks nutzen, um ihm Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Theoretisch könnte es zwar zum Streit zwischen dem republikanischen Präsidenten und dem republikanischen Parlament kommen. Und es gibt schon jetzt politische Projekte, bei denen unterschiedliche Vorstellungen zutage getreten sind, etwa bei der angestrebten Steuerreform.

Aber in der Praxis wird sich Trump vermutlich öfter durchsetzen als geschlagen geben müssen. Noch im vergangenen Spätsommer hatten viele Republikaner damit gerechnet, dass Hillary Clinton das Weiße Haus und in ihrem Kielwasser die Demokraten den Kongress erobern würden. Die Republikaner sind heilfroh, dass Trump gewonnen und ihnen ihre Mehrheiten gesichert hat. Sie haben sehr genau beobachtet, dass Widerstand gegen Trump im Wahlkampf eher schädlich als nützlich war.

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Fakt ist: Trump kann jeden republikanischen Kandidaten oder Politiker mit ein paar Tweets vernichten. Das ist ein wirksames Druckmittel. Die Loyalität der republikanischen Fraktionsspitzen im Kongress gegenüber der Person Trump ist sicher begrenzt. Aber sie werden kaum ihre Regierungsfähigkeit aufs Spiel setzen wollen, indem sie ihn herausfordern.

Das bedeutet: So lange Trumps Agenda - vor allem in der Innenpolitik - nicht mit heiligen republikanischen Dogmen bricht, was nicht zu erwarten ist, kann der neue Präsident vermutlich durchregieren. Zu glauben, der Kongress werde Trump bändigen oder einhegen, ist eine Illusion. Zumal Trump in etlichen politischen Bereichen weniger ideologisch denkt als viele republikanische Parlamentarier.

Neben dem Kongress gibt es das Kabinett. Den Ministern freilich räumt die Verfassung praktisch keine Macht ein. Sie sind Angestellte des Präsidenten, er kann ihren Rat annehmen und sie Politik machen lassen. Er muss aber nicht. Trump hat etliche Leute in sein Kabinett geholt, die auf ein erfolgreiches Leben außerhalb der Politik zurückblicken können. Das macht sie unabhängig.

Zudem haben einige Ministerkandidaten bei ihren Senatsanhörungen dezidiert andere Ansichten geäußert als der neue Präsident - etwa, was den Umgang mit Russland oder den Wert der Nato angeht. Dass lässt einige Beobachter in Washington hoffen, dass Trump sich bei diesen Themen beeinflussen lässt.

Allerdings ist die Hoffnung, ein als erratisch gefürchteter Präsident werde sich von seinen Ministern und Beratern einhegen lassen, schon oft enttäuscht worden - zuletzt beim Republikaner George W. Bush. Ob Trumps Minister tatsächlich etwas zu sagen haben werden, ist völlig offen. Trump war als Unternehmer durchaus bereit, Verantwortung zu delegieren - aber nur, wenn seine Untergebenen taten, was er wollte. Dass ein Minister politische Alleingänge macht, dürfte in Trumps Welt nicht vorgesehen sein, außer bei Themen, die den Präsidenten nicht interessieren.

Außenpolitiker in Washington halten allenfalls einen Mann in Trumps Kabinett für so gewichtig, dass der Präsident ihn nicht einfach übergehen kann: den früheren General und künftigen Verteidigungsminister James Mattis. Er hat eine lange Offizierskarriere hinter sich, er war im Krieg und hat die Marineinfanterie mit vier Sternen auf der Schulter verlassen. Mattis, so die Vermutung, wird sich weder von Trumps Unterlingen noch vom Präsidenten herumschubsen lassen. Mattis im Streitfall zu feuern, wäre jedoch für Trump angesichts des Rufs, den der Ex-Soldat genießt, eine heikle Sache. In Europa hat daher gerade Mattis' scharfer Ton gegenüber Moskau und sein klares Bekenntnis zur Nato für Erleichterung gesorgt.

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:Ex-General James Mattis wird Trumps Verteidigungsminister

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Den meisten Einfluss habe derjenige, mit dem Trump zuletzt gesprochen hat

Eine dritte Gruppe von Menschen, die sicher Einfluss auf Trump haben, sind seine engsten Berater, die er mit nach Washington oder ins Weiße Haus bringt. Einige davon sind Familienmitglieder wie seine Tochter Ivanka oder sein Schwiegersohn Jared Kushner; einige Berater sind Gefolgsleute aus Wahlkampfzeiten wie sein Chefstratege Steve Bannon, andere haben früher für eine von Trumps vielen Firmen gearbeitet.

Trump, so heißt es, schließe sich oft der Meinung desjenigen an, mit dem er zuletzt gesprochen habe. Und die letzten Gespräche vor wichtigen Entscheidungen wird er vermutlich mit seinem innersten Kreis führen. Wer dazu gehört, ist per se einflussreich. Inwiefern diese Leute allerdings eigene politische Ideen entwickeln sollen, oder ob ihre Aufgabe nur ist, Trumps Vorstellungen in die Praxis umzusetzen, ist unbekannt. Vermutlich werden sie ihre Rolle nicht darin sehen, Trump zu zähmen.

Vielleicht aber lautet die wichtigere Frage auch, ob Trump überhaupt zähmbar ist. Wenn der künftige Präsident als Geschäftsmann und Politiker eins gelernt hat, dann: auf sich selbst zu vertrauen. Hätte er auf die gängige Meinung gehört, wäre er jetzt vermutlich nicht Präsident. Der Wahlsieg, daran kann man kaum rütteln, ist sein eigenes Verdienst. Und Donald Trump hat seinen Triumph unter anderem deswegen errungen, weil er sich eben nicht zähmen ließ, sondern stets tat, wer er für richtig hielt. Diese Lektion nimmt er ins Weiße Haus mit.

© SZ vom 21.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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