Kriminalität:Starker Anstieg bei Gewalt gegen Frauen

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Die häusliche Gewalt gegen Frauen hat während der Corona-Pandemie zugenommen. (Foto: Peter Steffen/picture alliance/dpa)

Die Zahl der weiblichen Opfer von Gewalt in Familien hat sich dem Kriminologen Christian Pfeiffer zufolge seit der Jahrtausendwende verdoppelt. Der Staat müsse nun auch die Dunkelziffer aufhellen.

Von Markus Balser, Berlin

Dass häusliche Gewalt in Deutschland ein erschreckend großes Problem ist, machte schon vergangene Woche eine einzige Zahl klar. Auf insgesamt 161 000 Opfer kamen die Innenministerien und Kriminalämter der Bundesländer in ihrer Statistik für das vergangene Jahr - 1,3 Prozent mehr als noch 2020. Nun zeigt eine neue Langzeitanalyse, wie groß in den vergangenen zwei Jahrzehnten gerade die Gefahr für Frauen geworden ist, in Familien oder Partnerschaften Opfer von Gewalttaten zu werden.

In einer Analyse der bundesweiten Kriminalstatistik über die vergangenen gut zwei Dekaden kommt der Kriminologe Christian Pfeiffer zu dem Schluss: "Seit der Jahrtausendwende ist die Zahl der Frauen, die innerfamiliär oder durch (Ex-) Partner Opfer einer gefährlichen/schweren Körperverletzung geworden sind, von 6190 auf 14 181 angestiegen." So heißt es in dem Papier, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Die jährliche Fallzahl habe sich mit einem Anstieg von 119 Prozent seit 2020 mehr als verdoppelt, schreibt Pfeiffer in der Analyse weiter und warnt vor den Folgen für weitere Familienangehörige: Dies dürfte sich "auch auf ihre Kinder sehr belastend ausgewirkt haben".

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Zwar kommt es in Deutschland heute insgesamt immer seltener zu Mord- und Totschlagsdelikten. Seit dem Jahr 2000 hat die Zahl dieser Fälle der Analyse zufolge um 38 Prozent auf 621 getötete Menschen im vergangenen Jahr abgenommen. Opfer wurden 310 Männer und 311 Frauen. Die insgesamt sinkenden Zahlen bezeichnet Pfeiffer zwar als "erfreulich". Allerdings gebe es bezogen auf die Opfer je nach Geschlecht deutliche Unterschiede in der Entwicklung. Denn während die Zahl der männlichen Opfer in dem gesamten Zeitraum um rund 46 Prozent sank, ging die der weiblichen Opfer nur um 29 Prozent zurück.

Und bei den schweren Gewaltverbrechen, zu dem Schluss kommt die Analyse eben auch, steigt der Anteil der Taten, die innerhalb von Familien verübt werden. Während im Jahr 2000 bei vorsätzlichen Tötungsdelikten gegen Frauen immerhin schon 51 Prozent der Täter aus der eigenen Familie kamen, waren es 2021 dann fast zwei Drittel (64 Prozent). Seit Beginn der Corona-Pandemie ist den Angaben zufolge auch wieder die Gesamtzahl der getöteten Frauen gestiegen. Laut Analyse kam es zu 22 Prozent mehr Opfern. Die Zahlen sprächen "für die These, dass während der Pandemie die Lockdown-Phasen für Frauen besonders gefährlich waren", sagt Kriminalitätsforscher Pfeiffer, der viele Jahre Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen war.

Vermehrt Vergewaltigungen innerhalb von Familien und Beziehungen

Auch Vergewaltigungsdelikte werden dem Papier zufolge immer häufiger innerhalb von Familien und Beziehungen verübt. Der Anteil dieser Fälle, die Behörden als innerfamiliäre oder Partnerschaftsgewalt einstufen, stieg zwischen 2000 und 2021 von 20 auf 31 Prozent.

Seinen Daten zufolge habe die Zahl der Männer, die ihre Partnerinnen vergewaltigen, schlagen oder töten, zumindest in den vergangenen Jahren stark zugenommen, warnt Pfeiffer. Die Politik müsse nun mit Untersuchungen auch das Dunkelfeld ausleuchten sowie die Gründe untersuchen und die Prävention ausbauen. Zu untersuchen sei etwa, ob "vermehrt solche Männer, die sich von der zunehmenden Stärke der Frauen bedroht sehen und mit dem Verlust ihrer traditionellen Dominanzrolle nicht klarkommen" zu Tätern würden, fordert Pfeiffer.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte kürzlich bereits angekündigt, die Aufklärung solcher Taten voranzutreiben. "Die Ermittlungsbehörden müssen noch sensibler werden", sagte Faeser. "Die Täter müssen direkt, nach dem ersten gewalttätigen Übergriff, aus der gemeinsamen Wohnung verwiesen werden." Die Polizei brauche flächendeckend spezielle Ansprechstellen mit extra geschultem Personal.

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