Gesundheitsprämie gestoppt:Ohrfeige für Rösler

Lesezeit: 3 min

Die schwarz-gelbe Koalition hat den umstrittenen Plan von Gesundheitsminister Philipp Rösler zur Einführung einer Gesundheitsprämie vorerst gestoppt. "Nur Nachteile, keine Vorteile", urteilen seine Gegner - und fordern Röslers Rücktritt.

Er hatte die Werbetrommel gerührt, war sogar Anfang der Woche extra nach München gereist, um bei Seehofer für seine Idee zu werben. Am Ende hat es nichts genutzt, die schwarz-gelbe Koalition hat den umstrittenen Plan von Gesundheitsminister Philipp Rösler zur Einführung einer Gesundheitsprämie vorerst gestoppt.

Niederlage für Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler: Die Koalition hat seine Pläne für eine Gesundheitsprämie vorerst abgelehnt.  (Foto: dpa)

FDP-Mann Rösler solle bis zur Sommerpause ein Konzept auf einer neuen Grundlage vorstellen, verlautete nach einem Treffen der Gesundheitsexperten von Union und FDP am Donnerstagabend in Berlin. Vor Einnahmesteigerungen sollten strukturelle Änderungen den Kostenanstieg begrenzen, hieß es. Dabei sollten alle Bereiche überprüft werden. Die Gesundheitsexperten hätten den Parteivorsitzenden Angela Merkel (CDU), Guido Westerwelle (FDP) und Horst Seehofer (CSU) einen entsprechenden Vorschlag unterbreitet. Diese hätten sich auf dieses Vorgehen verständigt.

Gegenwind aus vielen Richtungen

Fix ist jetzt schon, dass in dem neuen Konzept auf die bislang vorgesehene Anhebung des Arbeitgeberbeitrags von 7,0 auf 7,3 Prozent verzichtet werden soll. Bei dem Treffen der Koalitionsexperten wurde zudem vereinbart, im kommenden Jahr mindestens vier Milliarden Euro im Gesundheitswesen einzusparen. Damit musste der Gesundheitsminister auf Druck der CSU erneut Abstriche an seinem Konzept hinnehmen.

Und es kommt noch schlimmer für Rösler: Die SPD forderte den Gesundheitsminister inzwischen zum Rücktritt auf - als Konsequenz aus dem Stopp seines Prämien-Modells. Es sei dilettantisch, einen unabgestimmten Vorschlag in die Öffentlichkeit zu bringen, der von den Koalitionsfraktionen nun wieder eingefangen worden sei, sagte SPD-Fraktionsvize Elke Ferner. Rösler hatte zuvor seine politische Zukunft mit der Gesundheitsreform verknüpft. Ferner sagte, die Gesundheitspolitik sei bei Rösler in schlechten Händen. Anstatt wichtige Dinge anzugehen, habe er mit der Kopfpauschale eine fixe Idee verfolgt und renne damit "zum x-ten Mal" gegen die gleiche Wand. "Wenn er nicht weiß, wie man ein Rücktrittsgesuch schreibt, kann er sich bei der CDU informieren."

Die Pläne Röslers, die unter anderem eine Kopfpauschale von durchschnittlich 30 Euro im Monat vorsehen, wurden vor allem von der CSU strikt abgelehnt. Aber auch Gewerkschaften, Sozialverbände und Opposition kritisierten das Konzept scharf.

Die CSU lehnt jede Art von Kopfpauschale für die 50 Millionen Kassenmitglieder ab. Die FDP-Spitze zeigte sich darüber am Abend massiv verärgert. Ein Ministeriumssprecher sagte: "Die Prämie bleibt, aber sie fällt niedriger aus." Er wies zugleich darauf hin, dass für den Sozialausgleich im kommenden Jahr zusätzlich zwei Milliarden Euro aus Steuermitteln ins System fließen sollen.

"Kopfpauschale in der Versenkung"

Wie es aus Teilnehmerkreisen hieß, soll die von Rösler angepeilte Beitragsstaffelung, die bei Einführung der Pauschale zum Sozialausgleich für Bedürftige beitragen soll, ausdrücklich weiterverfolgt werden. In der nun angekündigten Einsparsumme enthalten sind auch die rund 1,5 Milliarden Euro aus dem Pharma-Sparpaket Röslers. Damit müssen andere Bereiche weitere 2,5 Milliarden Euro beisteuern.

Geredet werden soll auch über Nullrunden für Ärzte und Krankenhäuser. Im kommenden Jahr droht den gesetzlichen Krankenkassen ohne Gegensteuern ein Defizit von bis zu elf Milliarden Euro.

Vor dem Treffen hatte der bayerische Gesundheitsminister Markus Söder (CSU) noch einmal seine Ablehnung der Kopfpauschale bekräftigt. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt erklärte in der Parteizeitung Bayernkurier bereits, die CSU habe die Einführung einer Kopfpauschale im Gesundheitswesen verhindert. "Die Kopfpauschale ist jetzt endgültig in der Versenkung. Wir werden darüber wachen, dass sie da auch bleibt."

Der Gesundheitsstaatssekretär Daniel Bahr warf der CSU die pauschale Ablehnung aller Vorschläge vor. "Wir sind die Einzigen, die ein durchgerechnetes, sozial gerechtes Konzept vorgelegt haben." Das werde Grundlage weiterer Gespräche sein. Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn, forderte die CSU zu konstruktiven Beiträgen auf.

Diesen Wunsch versuchte CSU-Gesundheitsexperte Johannes Singhammer zu erfüllen: Zur Finanzierung der steigenden Gesundheitskosten schlägt er laut Bild-Zeitung eine deutliche Ausweitung der Praxisgebühr vor. Demnach sollen künftig gesetzlich Versicherte die Gebühr bei jedem Arztbesuch zahlen müssen. Bislang sind die zehn Euro in der Regel einmal pro Quartal fällig, unabhängig von der Zahl der Arztbesuche.

Ministerium verteidigt die Pläne

Das Bundesgesundheitsministerium verteidigte erneut seine Pläne gegen Vorwürfe der CSU, der Opposition, der Gewerkschaften und Sozialverbände, das Prämien-Modell sei unsozial. Man werde dafür sorgen, dass Einkommensbezieher unter 1000 Euro nicht mehr belastet würden. Für die meisten GKV-Mitglieder sind nach Einschätzung des Ministeriums gleichbleibende oder gar geringere Belastungen zu erwarten.

Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD, Karl Lauterbach sieht in Röslers Konzept "nur Nachteile, keine Vorteile". Er gebe dem Vorhaben im Parlament "keine Chance". Linken-Chef Klaus Ernst sieht Rösler bereits gescheitert. Der Minister habe zum Amtsantritt sein politisches Schicksal mit der Pauschale verbunden. "Jetzt müsste er aus reiner Selbstachtung die Konsequenzen ziehen."

© (sueddeutsche.de/dpa/AFP/apn/pfau) - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: