Treffen in Wien:China und die USA reden wieder miteinander

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Wang Yi, ranghöchster Außenpolitiker Chinas, spricht bei der Münchner Sicherheitskonferenz. (Foto: Petr David Josek/AP)

Nach Monaten starker Spannungen und gegenseitiger Vorwürfe trafen sich Vertreter beider Seiten zu geheimen Gesprächen. Beobachter sind erleichtert, dass sich Peking und Washington wieder annähern, aber das Verhältnis bleibt fragil.

Von Kai Strittmatter

Sie reden wieder. Nach Monaten starker Spannungen, in denen der Dialog zwischen den USA und China zum Erliegen gekommen war, scheinen beide Seiten den Faden wieder aufnehmen zu wollen. Am Donnerstagabend war bekannt geworden, dass sich der Nationale Sicherheitsberater des Weißen Hauses, Jake Sullivan, und Chinas höchstrangiger Außenpolitiker Wang Yi am Mittwoch und Donnerstag zu Gesprächen in einem Hotel in Wien getroffen hatten.

Das Treffen sei "Teil der laufenden Bemühungen, Kanäle der Kommunikation weiter offen zu halten und den Wettbewerb verantwortungsvoll zu gestalten", teilte das Weiße Haus mit. Die Gespräche über Themen wie den Ukraine-Krieg, Taiwan und die wirtschaftlichen Differenzen zwischen beiden Seiten seien "offen" und "konstruktiv" verlaufen. Chinas staatliche Nachrichtenagentur Xinhua meldete, Ziel der Gespräche sei es gewesen, "Hindernisse für die Förderung der chinesisch-amerikanischen Beziehungen zu beseitigen, sie zu stabilisieren und den Abwärtstrend zu stoppen".

Zuvor war bekannt geworden, dass auch der US-Botschafter in China, Nicholas Burns, sich diese Woche in Peking mit Chinas Außenminister Qin Gang getroffen hatte. Die Treffen folgen auf einige Monate zunehmender Bitterkeit im bilateralen Verhältnis. Vor allem die Entdeckung eines mutmaßlichen chinesischen Spionageballons über US-Territorium und der Abschuss des Ballons Anfang Februar hatten zu einem vorübergehenden Abbruch der Kontakte geführt: US-Außenminister Antony Blinken sagte einen geplanten Peking-Besuch kurzfristig ab.

Joe Biden ließ Peking bislang abblitzen

Ein kurzer Austausch Blinkens mit Wang Yi am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz wenig später verlief frostig. In der Folge tauschten beide Seiten vorwiegend Vorwürfe aus: Die USA warnten China davor, seinem Partner Russland Waffen für den Ukraine-Krieg zu liefern, China verstärkte im Gegenzug seine Propaganda, die die USA als Provokateur und Kriegstreiber zeichnet. Gleichzeitig versuchte Peking zunehmend, einen Keil zwischen die USA und ihre europäischen Alliierten zu treiben. Avancen Washingtons, den Dialog wieder aufzunehmen, etwa mit einem Telefonat zwischen US-Präsident Joe Biden und KP-Generalsekretär Xi Jinping, ließ Peking bislang abblitzen.

Dem Weißen Haus zufolge sagte Jake Sullivan seinem Gesprächspartner Wang Yi in Wien, die US-Regierung sei nun bereit, die durch den Ballon-Zwischenfall geschürten Spannungen "hinter sich zu lassen". Es war das erste Treffen zwischen Sullivan und Wang Yi, seit dieser im November ins Politbüro der KP aufgestiegen war.

Beobachter reagierten erleichtert auf die Wiederaufnahme hochrangiger Gespräche zwischen Washington und Peking. Die politische, wirtschaftliche und militärische Rivalität zwischen den USA und China hatte zuletzt an Intensität gewonnen, die Rhetorik grenzte bisweilen ans Ausfällige. Die Sorge wuchs, dass in einem solchen Klima schon kleinste Zwischenfälle genügen könnten, um eine Krise eskalieren zu lassen.

Exportbeschränkungen sollen die Ausnahme bleiben

US-Sicherheitsberater Sullivan hatte schon in den vergangenen Wochen zu jenen Vertretern der US-Regierung gehört, die sich bemühten, China zu versichern, dass man sich nun zwar als "Wettbewerber" sehe, dass die USA jedoch "weder Konflikt noch Konfrontation" suchen, wie er auch Wang Yi in Wien mitteilte. In einer Grundsatzrede vor der Brookings Institution Ende April hatte er darauf hingewiesen, dass trotz der wachsenden Spannungen zwischen beiden Ländern der Handel im Jahr 2022 neue Rekordhöhen erreicht hatte. Vor allem versuchte er, die Botschaft an Peking zu senden, dass Washingtons neue Exportbeschränkungen für Hightech-Produkte die Ausnahme bleiben sollten: Die US-Exportkontrollen würden sich "weiterhin eng auf Technologien konzentrieren, die das militärische Gleichgewicht beeinflussen könnten". Keinesfalls gehe es um ein De-coupling, ein komplettes Abkoppeln von China, Ziel sei vielmehr ein De-risking, eine Risikominderung. Sullivan borgte sich damit ein Wort, dass zuvor EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in die öffentliche Debatte eingebracht hatte.

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Die Frage ist, ob das auch in China so verstanden wird. Dort scheint sich die Ansicht verfestigt zu haben, die USA wollten grundsätzlich den Aufstieg Chinas sabotieren. Tatsächlich ist nicht nur China im Griff eines von der KP geschürten, oft toxischen Nationalismus - auch Joe Biden hat das Problem, dass die China-Debatte in Washington bisweilen hysterisch geführt wird: Jede Gesprächsbereitschaft mit Peking wird mittlerweile als vermeintliches Appeasement innenpolitisch ausgeschlachtet. Nur Stunden nach dem Treffen zwischen Sullivan und Wang meldete sich in einer Senatsanhörung der republikanische Abgeordnete Brian Mast zu Wort und verlangte von der US-Regierung, die Exporte nach China schneller zu kappen. Die KP nutze US-Technologie, "um präzisere und tödlichere Waffen zu bauen, die unsere Flugzeugträger versenken und unsere Truppen töten sollen", sagte er. Joe Biden versuche derweil "verzweifelt, den Feind zu besänftigen".

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