Europäische Union:Deutlich wie nie: Von der Leyens Kampfansage an China

Lesezeit: 3 Min.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei ihrer industriepolitischen Grundsatzrede am Donnerstag in Brüssel. (Foto: Valeria Mongelli/AFP)

Vor ihrer Reise nach Peking umreißt die Kommissionspräsidentin, wie sie die EU als industrielles Schwergewicht gegenüber China etablieren will. Mancher in der Union findet, sie geht dabei zu weit.

Von Jan Diesteldorf, Brüssel

Als Chinas Staatspräsident Xi Jinping zuletzt die europäische Bühne betrat, hieß der Präsident der EU-Kommission noch Jean-Claude Juncker, Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte noch mehr als zwei Jahre im Amt vor sich und von der Pandemie ahnte noch niemand etwas. Der französische Präsident hatte Xis Staatsbesuch im März 2019 zum China-Gipfel umgedeutet, Juncker und Merkel eingeladen, um ein Zeichen zu setzen und "um das Bild eines Europas abzugeben, das sich organisiert und zusammenarbeitet", so sagte er das. Man sollte diese Bilder im Kopf haben, wenn Macron am kommenden Dienstag nach Peking aufbricht, gemeinsam mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Er hat sie dazu eingeladen, um "mit vereinter Stimme zu sprechen".

Am Donnerstag gab von der Leyen der Welt eine Idee davon, was sie in Peking vorzutragen hat. In einer Grundsatzrede in Brüssel sprach sie so deutlich wie nie über eine neue, eigene und geschlossene China-Politik der EU. Dabei stellte sie neue Beschränkungen für Investitionen europäischer Unternehmen in China in Aussicht und forderte, das 2020 mit China geschlossene Investitionsabkommen CAI zu überarbeiten. "Unsere Beziehungen sind unausgewogen und werden durch Chinas staatskapitalistisches System zunehmend verzerrt", sagte von der Leyen. "Deshalb müssen wir diese Beziehungen auf der Grundlage von Transparenz, Vorhersehbarkeit und Gegenseitigkeit wieder ins Gleichgewicht bringen."

Eine "starke europäische China-Politik" brauche gute Koordination, so von der Leyen

Die Ungleichgewichte sind offensichtlich, auf mehreren Ebenen. Zuerst hatte die Corona-Krise Europas Staaten auf schmerzhafte Weise spüren lassen, wie abhängig sie von Importen aus China sind. Dann brachte Russlands Angriff auf die Ukraine den Krieg zurück nach Europa, zeigte auf, welches Erpressungspotenzial der Kreml allein wegen Europas Abhängigkeit von Gas und Öl aufgebaut hatte, und zementierte mit Xis Unterstützung für Moskau eine neue Blockbildung. Zum Anspruch Chinas als Weltmacht gehört außerdem eine führende Rolle in der Herstellung von Zukunftstechnologien und laut von der Leyen "der bewusste Einsatz von Abhängigkeiten und wirtschaftlicher Einflussnahme, um sicherzustellen, dass China von kleineren Ländern bekommt, was es will".

Andere Zeiten (von li.): Jean-Claude Juncker, Angela Merkel und Emmanuel Macron begrüßen den chinesischen Präsidenten Xi Jinping im März 2019 in Paris. (Foto: Francois Mori/AP)

In dieser Lage will von der Leyen die EU als geopolitisches Schwergewicht etablieren, verbündet mit den USA, aber mit eigenständiger Haltung zu China. Während die USA auf eine Abkopplung von der Volksrepublik setzen, ist Europas Leitmotiv das "De-Risking", eine Reduktion von wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Risiken bei gleichzeitiger Pflege des belasteten Verhältnisses. "Eine starke europäische China-Politik setzt eine gute Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten und den EU-Institutionen voraus", sagte von der Leyen in ihrer Rede, "sowie die Bereitschaft, die Taktik des Teilens und Eroberns zu vermeiden." Das ist auch als Warnung an China zu verstehen, nicht zu versuchen, Keile zwischen die Staaten Europas zu treiben.

Als zusätzliche Brandmauer gegen China kündigte von der Leyen eine "Strategie der wirtschaftlichen Sicherheit" an. Ein Teil davon sollen neue Kontrollen für Investitionen in China sein. Die EU müsse verhindern, dass Kapital und Expertise europäischer Firmen dazu beitragen, "die militärischen und nachrichtendienstlichen Fähigkeiten derjenigen zu verbessern, die auch Systemkonkurrenten sind". Die Kontrollen sollten für eine kleine Anzahl an "sensiblen" Technologien gelten.

Wie China mit Putins Krieg umgehe, sei für die EU ein bestimmender Faktor

Das 2020 ausgehandelte Investitionsabkommen mit China dürfte nach der Rede am Donnerstag zumindest in dieser Form keine Zukunft haben. "Wir müssen das CAI im Lichte unserer umfassenderen China-Strategie neu bewerten", sagte von der Leyen. Zugleich verwies sie auf die jüngst vorgelegten Gesetzentwürfe der Kommission im Rahmen des grünen Industrieplans, mit denen die EU sowohl die heimische Produktion von grünen Technologien ankurbeln als auch weniger abhängig vom Import kritischer Rohstoffe wie Kobalt oder Silizium werden soll. Jetzt kommen geostrategische Argumente hinzu, mit dem Ukraine-Krieg im Zentrum: Wie China mit Putins Krieg umgehe, sei ein bestimmender Faktor für die künftigen Beziehungen zwischen China und der EU, sagte die Kommissionschefin.

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Von der Leyens klare Worte werden aber nicht alle in Europa gern hören. Während die Bundesregierung noch an einer eigenen China-Strategie bastelt, wird Emmanuel Macron eine deutlich weichere Haltung nachgesagt. Als Erster wird sich wohl Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez kritische Fragen anhören müssen. Er ist in diesen Tagen in Peking zu Besuch. Und nicht zuletzt EU-Ratspräsident Charles Michel dürfte sich bestätigt fühlen in seiner Kritik, wonach von der Leyen mit ihren geopolitischen Ambitionen ihr Mandat überschreite. Denn im Auftrag des Europäischen Rats handelt sie gerade nicht: Beim EU-Gipfel vor einer Woche kam das Thema China nur am Rande vor, und in der Abschlusserklärung wird China mit keinem Wort erwähnt - so sehr sich die Definition einer neuen China-Politik auch aufdrängt.

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