Krieg in Nahost:SIM-Karten für Gaza

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Die ägyptische Aktivistin und Autorin Mirna El Helbawi. (Foto: privat)

Die ägyptische Schauspielerin und Aktivistin Mirna El Helbawi versucht, Menschen in Gaza mit SIM-Karten Zugang zum Internet zu verschaffen. Sie sagt, Palästina dürfe nicht durch Blackouts zum Schweigen gebracht werden.

Von Bernd Dörries, Kairo

In der Nacht zum Mittwoch ist es wieder passiert, das Internet in Gaza ist zusammengebrochen. Der internationale Zugang sei gekappt worden, teilte der Betreiber Paltel über den Kurznachrichtendienst X mit. Paltel ist der größte Telekommunikationsanbieter im Gazastreifen. Auch die Organisation Netblocks, die weltweit Internetsperren beobachtet, bestätigte auf der Plattform X einen Zusammenbruch der Internetverbindungen. "Der Vorfall wird für die meisten Bewohner als Totalausfall der Telekommunikation empfunden", erklärte Netblocks. Von den Bombardements betroffene Zivilisten können nicht mehr die Rettungsdienste rufen. Angehörige erreichen ihre Familien nicht mehr.

"Wir müssen nicht nur hinnehmen, wie Menschen und Kinder kaltblütig getötet werden. Wir sind auch gezwungen, das in fast absoluter Stille mitzuerleben", sagt Mirna El Helbawi. Sie ist in Ägypten eine bekannte Autorin und Aktivistin, mit mehreren Hunderttausend Followern in den sozialen Medien. Die ihr nun dabei helfen, Menschen in Gaza wieder den Anschluss ans Internet zu ermöglichen.

Elon Musk versprach Internet über seine Satelliten

Als das Netz mit Beginn der israelischen Bodenoffensive am Freitag das erste Mal wegbrach, sah sie einen Tweet von Elon Musk, der versprach, humanitäre Organisationen im Gazastreifen über sein Satellitennetzwerk Starlink mit dem Netz zu verbinden. El Helbawi versuchte, gemeinsam mit der palästinensischen Hilfsorganisation Roter Halbmond einen Zugang zu beantragen. "Das hat nicht funktioniert. Wenig später twitterte Elon Musk, dass nur Organisationen Zugang erhalten, die von Israel und den USA genehmigt werden. Das war eine große Enttäuschung."

Einer ihrer Follower kam auf die Idee, über die amerikanische Firma Nomad digitale eSIM-Karten zu kaufen, die auch in Gaza funktionieren, weil sie sich mit dem israelischen Mobilfunknetz verbinden. Die funktionieren vor allem im Süden von Gaza, oft aber nur von hohen Gebäuden aus.

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Erstmals können ein paar Hundert Menschen aus dem Gazastreifen nach Ägypten ausreisen, darunter sind auch Deutsche. UN-Experten verlangen indes, deutlich mehr Lieferungen von Hilfsgütern zuzulassen. Netanjahu lehnt eine Waffenruhe weiter ab.

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"Gleich nach meinem Aufruf wurden Hunderte SIM-Karten gespendet, es war überwältigend", sagt El Helbawi. Per E-Mail schickt sie die Zugangsdaten nach Gaza, zu Helfern, die über Satellitentelefone verfügen und die SIM-Zugänge an Journalisten und ganz normale Bürger verteilen. "Palästina darf nicht zum Schweigen gebracht werden", sagt El Helbawi.

Die Internetkommunikation ist im Gazastreifen während der Kampfhandlungen wiederholt kollabiert, das heißt für viele, auch nicht telefonieren zu können. (Foto: MOHAMMED ABED/AFP)

Bombardierung löste wohl Blackout aus

Der Blackout in der Nacht zum Mittwoch ist nach Angaben von Paltel auf die Bombardierung der technischen Infrastruktur durch die israelische Armee zurückzuführen. Der erste Ausfall am Freitag geht nach Recherchen der Washington Post und der New York Times auf eine gezielte Abschaltung durch Israel zurück. "Wir haben deutlich gemacht, dass sie wieder eingeschaltet werden müssen", sagte ein US-Beamter nach Angaben der Post. Nach 36 Stunden kam das Netz am Sonntag zurück. Nun ist es erneut weg und El Helbawi versucht, zumindest mit den gespendeten eSIM-Karten zu helfen.

Wie viele Ägypter sieht sie in diesen Tagen vor allem die Bilder von getöteten Palästinensern, von verletzten und traumatisierten Kindern und Jugendlichen. Sie sagt: "Es sind genug Kinder getötet worden. Sind unsere Leben weniger wert?" Fragt man sie nach der Rolle der Terrorgruppe Hamas, dann sagt sie: "Es geht nicht um die Hamas. Es geht um 75 Jahre Unterdrückung und Tötung der Palästinenser."

Neulich habe sie einen Fotografen getroffen, der ihr Bilder zeigte von der ersten Intifada, die 1987 begann. "Es sind dieselben Bilder. Palästinenser in Lumpen, die von einer hochgerüsteten Armee bedroht werden." Die anderen Bilder, die des Terrors der Hamas, sie spielen für sie wie für viele in der arabischen Welt derzeit keine große Rolle. El Helbawi sagt aber: "Wir befinden uns in einer Endlosschleife der Gewalt. Das muss aufhören. Es muss einen Waffenstillstand geben."

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