G 7:Heile Welt im Schlosshotel

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Ohne Russland betont die G7 ihr Selbstverständnis als Wertegemeinschaft. (Foto: AP)

Sieben Staaten, und seien sie noch so mächtig, können nicht übers Wochenende die Probleme und Krisen der Welt lösen. Aber es hilft durchaus, wenn sie an einem Strang ziehen.

Kommentar von Stefan Kornelius

Je größer die Krisen auf der Welt werden, desto stärker wächst der Wunsch nach Klarheit, nach politischer Klugheit, ja nach Erlösung von diesen Gefahren. Das Bedürfnis dahinter ist unschwer zu erklären - zu stillen ist es allerdings nicht so leicht. In der Not wird dann gerne Friedrich Hölderlin zitiert mit der dritten und vierten Zeile aus seiner Hymne Patmos: "Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch."

Wenn es denn so einfach wäre. Es lohnt schon, Hölderlin zu Ende zu lesen. Er hat ja in Wahrheit keine Gebrauchsanweisung für Berufsoptimisten verfasst, sondern schickt seine Leser immer wieder zu Gott und lässt sie auf dessen Heilsbotschaft vertrauen - wie auch immer aufklärerisch oder träumerisch verpackt.

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Dieser Dichtertrick funktioniert 200 Jahre später nicht mehr; nicht wenn sieben Präsidenten und Regenten versammelt sind, die mehr als die Hälfte des Welt-Bruttosozialprodukts repräsentieren. Da müssen sich auch diejenigen geschlagen geben, die zum Beispiel noch beim Kirchentag der Welt ein Wachstumsprogramm verordnen wollten: mehr Geld, mehr Hilfe, mehr Umweltschutz, mehr Frieden - dann wird sich alles richten.

Nein, die Welt reagiert nicht auf hehre Appelle, und auf Gott berufen sich heute vor allem irregeleitete junge Männer mit Sprengstoffgürteln. Die Welt braucht also Taten, pragmatische Entscheidungen, Gleichgesinnte. Selbst dann noch sind die großen Menschheitsprobleme übermächtig, weil auch sieben Staaten keinen Weltwillen konstituieren und gerade die deutsche Sehnsucht nach Harmonie im internationalen Geschäft immer wieder ihre uralten Lehrmeister findet: Hobbes, Locke und wie die großen Vordenker aufgeklärter Gesellschaftsmodelle nicht alle hießen, die den unfriedlichen Charakter des Menschen zunächst akzeptierten wie das Wetter, ehe sie ihn zu bändigen versuchten mit den Mitteln der Aufklärung und den Werkzeugen des Souveräns.

Die G 7 funktioniert zwischen Revolution und Kleingedrucktem

Was das mit den sieben Staaten zu tun hat? Alles, denn die Erfahrung über die Begrenztheit von Politik und ihre Toleranzschwächen sind so alt wie Politik selbst. Aber einen besseren Weg zur Problemlösung unter Demokraten als das Gespräch und den Kompromiss hat noch keiner gefunden. Wer nun also die Substanz des Treffens der Sieben in Elmau wägt, wer mantrahaft Ergebnisse einfordert und nicht weniger als den Urknall zur Erschaffung einer besseren Welt erwartet, der muss fair bleiben: Die G 7 ist keine Revoluzzer-Truppe, aber sie lebt auch nicht nur von der Kraft des Kleingedruckten.

Zunächst ist es wichtig, dass sieben Staaten dieses Kalibers Zeichen der Einigkeit aussenden und sich auf politische Ziele verpflichten. Die G 7 entwickelt hier eine hohe Vorbildkraft auf den Rest der Welt. Ja, die G 7 ist auch ein AbsichtenErklärungsverein. Aber immerhin verpfänden hier gewählte Staatenvertreter ihr Wort.

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Ihre Eindeutigkeit etwa in Sachen Ukraine oder Gesundheitsvorsorge setzt Maßstäbe, an denen sich kleinere Staaten zum Beispiel der EU oder Afrikas orientieren werden. Wenn Deutschland seinen Entwicklungshilfeetat um 13 Prozent aufstockt, dann gehört das ebenso auf die Waage wie eine Zusage Japans, sich ebenfalls an dem Zwei-Grad-Ziel bei der Erderwärmung zu orientieren oder die Verpflichtung der Gruppe zur Fertigstellung der Tschernobyl-Schutzhülle. Und vor allem: Wer hätte vor wenigen Jahren gedacht, dass sich die USA auf eine Dekarbonisierung bei ihrer Energieversorgung einlassen würden?

Das neue Gefühl der Verwundbarkeit

Gipfeltreffen sind Momente der Selbstvergewisserung, weshalb die G 7 in ihrem zweiten Treffen ohne Russland ihre Rolle als Wertegemeinschaft derart betonte. Die Umkehrung der westlichen Werteordnung durch Russland, die verstörende Sprachlosigkeit unter dem Propaganda-Getrommel und das neue Gefühl der Verwundbarkeit in diesem neuen Großkonflikt haben den Westen aufgerüttelt. Wenn sich die G 7 nun selbst als Bollwerk gegen autoritären Regierungsstil und antidemokratische bis imperiale Umtriebe stilisiert, dann trägt sie vielleicht etwas dicke auf. Aber sie hat zumindest verstanden, dass es in der neuen Weltunordnung Orientierungspunkte braucht.

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Wie schwer diese Orientierung für die G 7 selbst ist, zeigen die vielen Kommuniqué-Passagen, die sich im Floskelhaften verlieren. Nein, offenbar können diese sieben Staaten ihre Rat- und auch Hilflosigkeit nicht zugeben, aber dem IS-Terror haben sie ebenso wenig entgegenzusetzen wie dem Staatszerfall in Libyen oder dem Schleusergeschäft in Afrika.

Die G 7 ist kein Weltenrat, sie ist eine Gruppe von realistisch kalkulierenden Regierungen, die um jeden Millimeter Veränderung kämpfen müssen. Wenn sie das einmal im Jahr gemeinsam versuchen, dann hilft es der unfriedlichen und problembeladenen Welt. Eine heile Welt, wie sie die Kulisse in Schloss Elmau vorgaukelt, wird daraus noch lange nicht.

© SZ vom 09.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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