Oslo:Narges Mohammadi bekommt den Friedensnobelpreis

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Narges Mohammadi will "nie aufhören, für die Verwirklichung von Demokratie, Freiheit und Gleichheit zu kämpfen". (Foto: NARGES MOHAMMADI FOUNDATION / AF)

Die renommierteste politische Auszeichnung der Welt geht in diesem Jahr an die iranische Menschenrechtsaktivistin. Sie sitzt derzeit im berüchtigten Evin-Gefängnis in Teheran - das Nobelkomitee fordert ihre Freilassung.

Der Friedensnobelpreis geht in diesem Jahr an die iranische Frauenrechtlerin und Menschenrechtsaktivistin Narges Mohammadi. Das hat das Nobelkomitee in Oslo bekannt gegeben. Geehrt werde ihr "Kampf gegen die Unterdrückung der Frauen in Iran und ihr Kampf für die Förderung der Menschenrechte und der Freiheit für alle", sagte die Vorsitzende des Komitees, Berit Reiss-Andersen.

Mohammadi gehört dem iranischen Zentrum für die Verteidigung der Menschenrechte an. "Ihr mutiger Kampf ist mit gewaltigen persönlichen Kosten verbunden", sagte Reiss-Andersen. Das iranische Regime habe sie im vergangenen Vierteljahrhundert insgesamt 13 Mal festgenommen, sie fünf Mal verurteilt und mit insgesamt 31 Jahren Gefängnis und 154 Peitschenhieben bestraft. Derzeit verbüßt Mohammadi eine Haftstrafe im berüchtigten Evin-Gefängnis in Teheran. Ende 2022, während der landesweiten Aufstände gegen den dortigen Machtapparat, deckte sie in einem Bericht mutmaßliche Folter an Dutzenden Frauen in dem Hochsicherheitsgefängnis auf.

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Die Nobelpreisträgerin des Jahres 2023 heißt Narges Mohammadi. Die Iranerin kämpft seit Jahrzehnten für ein freies Land, auch während der Proteste im vergangenen Jahr. Wer ist die Frau, die gerade wieder in Haft sitzt - wie schon mehr als ihr halbes Leben lang?

Von Raphael Geiger

Die 51-Jährige ist nach der Anwältin Shirin Ebadi die zweite Iranerin, die den Friedensnobelpreis erhält. Mit Mohammadi würdige das Nobelkomitee Hunderttausende Menschen in Iran, die sich für die Rechte von Frauen einsetzten, sagte die Nobelkomitee-Vorsitzende Reiss-Andersen.

Narges Mohammadi (rechts) im Gespräch mit der Menschenrechtsaktivistin Shirin Ebadi, die 2003 ebenfalls mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde - bei einem Treffen im Januar 2005. (Foto: Vahid Salemi/AP)

Die Geehrten dürfen ihre prestigeträchtige Medaille traditionell am 10. Dezember in Empfang nehmen, dem Todestag des Dynamit-Erfinders und Preisstifters Alfred Nobel (1833-1896). Reiss-Andersen sagte, sie hoffe, dass die iranische Regierung die "richtige Entscheidung" treffe und Mohammadi freilasse, damit diese den Preis persönlich entgegennehmen könne.

Positive Reaktionen auf Mohammadis Auszeichnung

Die Vereinten Nationen begrüßten die Auszeichnung der Frauenrechtsaktivistin und forderten ebenfalls ihre Freilassung. "Frauen in Iran sind eine Inspiration für die Welt", sagte Liz Throssell, Sprecherin des UN-Büros für Menschenrechte in Genf. Der Fall Mohammadis zeige, welche großen Risiken Frauen auf sich nähmen, um sich für die Menschenrechte aller Iraner einzusetzen. "Wir fordern ihre Freilassung und die Freilassung aller Menschenrechtsverteidiger, die in Iran inhaftiert sind", sagte sie.

Auch die deutsche Bundesregierung gratulierte Mohammadi. "Die Auszeichnung von Frau Mohammadi steht auch stellvertretend für alle mutigen Frauen Irans, die sich für Gleichberechtigung und Menschenrechte einsetzen", sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann. Dies geschehe oft unter Einsatz ihres Lebens und ihrer Freiheit.

Oleksandra Matwijtschuk, die Vorsitzende der Organisation Centre for Civil Liberties in der Ukraine, der Co-Preisträgerin aus dem vergangenen Jahr, hob die internationale Bedeutung von Mohammadis Würdigung hervor. "Wir leben in einer sehr vernetzten Welt", schrieb Matwijtschuk auf der Plattform X. "Unsere Zukunft" hinge vom Kampf der Iraner gegen die Unterdrückung ab.

Matwijtschuk stellte dabei die Verbindung zwischen Iran und der Ukraine her. Auch Kiew werde regelmäßig von russischen Raketen und iranischen Bomben angegriffen. "Wenn autoritäre Regime kooperieren, müssen sich Freiheitskämpfer viel stärker gegenseitig unterstützen", meinte die Menschenrechtsaktivistin.

Das sind die Friedensnobelpreisträger der vergangenen Jahre:

Die Auszeichnung gilt als wichtigster politischer Preis weltweit. 351 Kandidatinnen und Kandidaten waren dafür nominiert, darunter 259 Personen und 92 Organisationen. Mehr Nominierungen gab es nur im Jahr 2016, damals waren es 376. Die Auswahl der Friedensnobelpreisträger hängt auch damit zusammen, wie der Begriff Frieden ausgelegt wird. Manche Menschen führen an, dass es darum gehen sollte, Frieden zu bringen und dass den Preis deshalb Menschen erhalten sollten, die Kriege beendet haben. Dies würde aber etwa den Kampf für Menschenrechte, die Umwelt und nukleare Abrüstung ausschließen - alles Themen, für die der Preis in der Vergangenheit bereits vergeben wurde.

Ales Bjaljazki ist Mitbegründer der NGO Wjasna, die Buch führt über das Vorgehen belarussischer Behörden gegen Demokratie-Aktivisten. (Foto: Sergei Grits/AP)

In der Auszeichnung für den inhaftierten belarussischen Menschenrechtsanwalt Ales Bjaljazki, die Menschenrechtsorganisation Memorial aus Russland und das ukrainische Center for Civil Liberties sahen Experten 2022 auch ein Signal an Kremlchef Wladimir Putin, den belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko und andere Autokraten.

Die Philippinin Maria Ressa und der Russe Dmitrij Muratow bei der Verleihung des Friedensnobelpreises. (Foto: Alexander Zemlianichenko/dpa)

Die Journalisten Maria Ressa und Dmitrij Muratow wurden 2021 für ihre Bemühungen geehrt, die Meinungsfreiheit auf den Philippinen und in Russland zu verteidigen. Ressa prangerte als Chefin der Online-Nachrichtenagentur Rappler seit Jahren die brutalen Methoden des damaligen philippinischen Machthabers Rodrigo Duterte an. Muratow war lange Chefredakteur der regimekritischen russischen Zeitung Nowaja Gaseta.

Nach eigenen Angaben ist das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen "die führende humanitäre Organisation im Kampf gegen den weltweiten Hunger". (Foto: European Pressphoto Agency/dpa)

Die Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen wurde 2020 für seine Bemühungen im Kampf gegen den Hunger und zur Verbesserung der Friedensbedingungen in Konfliktgebieten ausgezeichnet.

Abiy Ahmed wurde 2019 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Heute wird diese Entscheidung kritisch gesehen. (Foto: Tiksa Negeri/Reuters)

Äthiopiens Ministerpräsident Abiy Ahmed erhielt den Preis 2019 für seine Bemühungen für Frieden und internationale Zusammenarbeit und vor allem für seine Initiative zur Lösung des Grenzkonflikts mit dem Nachbarland Eritrea. Die Vergabe zeigt jedoch auch das Problem, wenn aktive Politiker ausgezeichnet werden. In den Jahren nach der Ehrung versank das Land wieder im Bürgerkrieg und Abiy Ahmed trug wenig zur Deeskalation bei.

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