Franz Joseph I. von Österreich:Der Tod des Kaisers - ein Ereignis wie der Mauerfall oder 9/11

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Kaiser Franz Joseph I. von Österreich, 1908

Souverän bis ins Greisenalter: Der Wahlspruch Franz Joseph I. lautete "Viribus unitis" - mit vereinten Kräften. Je länger er regierte, desto beliebter wurde er bei seinen Untertanen.

(Foto: Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo)

Vor hundert Jahren starb Kaiser Franz Joseph I. - wenig später zerbrach die Doppelmonarchie Österreich-Ungarn. Seinen nahenden Tod ignorierte der kauzige Herrscher auf kuriose Weise.

Von Rudolf Neumaier

Der letzte große österreichische Kaiser Franz Joseph I. ist vor hundert Jahren gestorben. Doch präsent ist er immer noch. Die Fernsehtalkshow "Wir sind Kaiser" hat in Österreich schon bis zu dreißig Prozent Einschaltquote erzielt.

Der Kabarettist Robert Palfrader parodiert darin den Habsburger Monarchen, und die meisten seiner Gäste können nicht anders als mitzuspielen: Sie benehmen sich, als säßen sie wirklich einer Majestät gegenüber. Könnte ein deutscher Kaiser heute noch Quote machen im Fernsehen? Nein. Die Donaumonarchie aber, die lebt fort. Als hochverehrte Karikatur.

Eine Zäsur in der europäischen Geschichte

Wien trauerte, als am Morgen des 22. November 1916 die Nachricht vom Ableben des Kaisers von Schloss Schönbrunn aus in die Stadt drang. Franz Joseph war am Abend zuvor gestorben. Glaubt man den Zeitungen, herrschte tiefe Bestürzung.

Der Historiker Mario Döberl, der Briefe, Memoiren und Tagebücher aus dieser Zeit untersucht hat, spricht von einem Ereignis, an das sich viele Menschen ihr Leben lang erinnerten. Wie der Mauerfall oder 9/11.

Auch wenn Zeitzeugen wie Arthur Schnitzler keine große Erschütterung bemerkten und die Monarchie unter Franz Josephs Großneffen Karl noch zwei Jahre überdauerte, bildete dieser Tod eine Zäsur in der europäischen Geschichte.

In Franz Joseph starb der Kopf der Donaumonarchie. Bald schrumpfte Wien, das Zentrum des mächtigen Habsburgerreiches, in seiner Bedeutung zu einer Touristenattraktion.

Wenn demokratisch gewählte Politiker heute drei bis vier Amtszeiten bewältigt haben, werden die Wähler ihrer oft überdrüssig. Bei Franz Joseph I., dem Dauerregenten, war das anders.

Seine Beliebtheit bei all seinen vielsprachigen Untertanen zwischen Lemberg, Krakau, Prag, Eger, Linz, Innsbruck, Trient, Rijeka, Sarajevo, Hermannstadt und Czernowitz, die unter anderem deutsch, ungarisch, rumänisch, ukrainisch, tschechisch, kroatisch und italienisch sprachen, nahm von Jahr zu Jahr zu.

Franz Joseph wurde im zarten Alter von 18 Jahren Kaiser - er blieb es fast 68 Jahre lang. Schon zu Lebzeiten wurde er zu einer Nostalgiegestalt, die eine gute alte Zeit verkörperte. Die Menschen spürten den Wandel. Und den Niedergang.

Der Kaiser selbst ignorierte sein eigenes Ende. Er ging an seinem Todestag mit den Worten ins Bett: "Bitte mich morgen um halb vier zu wecken: Ich bin mit meiner Arbeit nicht fertig geworden." Franz Joseph war ein Aktenfresser. Um 21.05 Uhr stellte sein Leibarzt den Tod fest.

Im Befund der Totenschau, einem damals längst üblichen Formular, steht: "Vor- und Zunamen: S. M. Kaiser Franz Joseph I. Berufszweig und Berufsstellung: Kaiser von Österreich, König von Ungarn etc., etc. Glaubensbekenntnis: römisch-katholisch. Stand: Verwitwet.

Unmittelbare Todesursache nebst Angabe der etwaigen Grundkrankheiten, aus welcher sich die unmittelbare Todesursache entwickelt hat: Herzschwäche nach Lungen- und Rippenfellentzündung." Unter seiner Herrschaft hatte sich auch die Bürokratie entwickelt.

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