Pomadige Befehlshaber:So kurios verloren Österreichs Feldherren wichtige Schlachten

Lesezeit: 4 Min.

Darsteller in Uniformen der österreichischen Armee spielen 2002 in Welschingen (Landkreis Konstanz) die Schlacht nach, die sich 1800 am selben Ort zugetragen hat. Die zahlenmäßig unterlegenen Österreicher mussten sich zurückziehen - bei dieser Schlacht ist kein taktisches Versagen bekannt. (Foto: N/A)

Übermut, Naivität, Missverständnisse: Sachbuchautor Hans-Dieter Otto darüber, wie skurril Österreichs Militär immer wieder wichtige Schlachten verpatzte.

Interview von Oliver Das Gupta

Österreich war mal sehr groß, heute ist es das nicht mehr. Aus der europäischen Großmacht wurde ein kleiner Staat, der militärisch wie politisch kaum noch eine Rolle spielt - ein Ergebnis des Ersten Weltkriegs, in dem das österreichisch-ungarische Militär gleich zu Beginn verheerende Niederlagen erlitt. Schuld war die pomadige Überheblichkeit des militärischen Befehlshabers Conrad von Hötzendorf. Aber es gibt auch noch weitere Beispiele in der rot-weiß-roten Militärgeschichte, in denen gravierende Missgeschicke und eklatante Fehleinschätzungen zu militärischen Desastern führten. Sachbuchautor Hans-Dieter Otto beschreibt in seinem jüngst erschienenen Buch ("Verpasste Siege", Residenz Verlag) Beispiele austriakischer Feldherrenfehler. Zur Militärgeschichte kam Otto durch eigene traumatische Erlebnisse: Der Jurist erlebte den Bombenkrieg und die Stunde null 1945 in Berlin: "Das war für einen Achtjährigen wie ein Weltuntergang."

SZ: Herr Otto, haben Sie inzwischen herausgefunden, warum Österreichs Militär immer wieder längst gewonnene Schlachten am Ende verpatzt hat?

Hans-Dieter Otto: Da gibt es hauptsächlich zwei Gründe. Zum einen hatten die Österreicher einige Male das Pech, auf gegnerische Feldherren zu treffen, die zu den größten ihrer Zeit zählten und ihnen strategisch und vor allem taktisch überlegen waren. Friedrich II. von Preußen war einer. Und Napoleon Bonaparte, der Kaiser der Franzosen, ein anderer.

Und die zweite Erklärung?

Die hängt wohl doch ein wenig mit der damals vorherrschenden österreichischen Mentalität und generell eher gemütlichen Lebensart zusammen. Bequemlichkeit, Betulichkeit, Eitelkeit: Dazu neigten Generäle und hohe Offiziere immer wieder. Ihre Führungsschwäche war mitunter eklatant. Da konnten die einfachen Soldaten noch so tapfer kämpfen. Aber die Österreicher haben auf dem Schlachtfeld auch glänzende und glorreiche Siege errungen. Und sie hatten auch hervorragende Feldherren, wie zum Beispiel den Prinzen Eugen während der Türkenkriege.

Aber der war ja eigentlich Franzose.

Das waren nicht alles Pfeifen, es gab auch ein paar andere große Strategen. Doch es stimmt schon, viele der österreichischen Feldherren waren eher Salon- als Kampflöwen, die im Ernstfall schmählich versagten.

Ein Beispiel, bitte.

Der Feldmarschall-Leutnant Karl Mack von Leiberich führte die kaiserliche Armee im Herbst 1805 bemerkenswert schlecht. Mit seinen falschen Entscheidungen trug er wesentlich zur Niederlage bei Ulm bei. Seine Feindaufklärung war miserabel. Als ihn Nachrichten erreichten, dass Napoleons Truppen aus mehreren Richtungen auf Ulm marschierten, um die Stadt und die österreichische Hauptstreitmacht einzukreisen, blieb Mack in Ulm, statt sich rechtzeitig zurückzuziehen und seine Soldaten zu retten. Mack vertraute vom französischen Geheimdienst lancierten Meldungen, die Engländer seien bei Boulogne gelandet, in Paris sei eine Gegenrevolution ausgebrochen und Napoleon würde eiligst in die Heimat zurückkehren. Nun hatten die ausmanövrierten Österreicher keine Chance mehr. Mack musste schnell kapitulieren. Zehntausende seiner Soldaten und 26 Generäle gerieten in Gefangenschaft, ohne auch nur einen einzigen Schuss abgegeben zu haben.

Was geschah mit Mack?

Napoleon ließ ihn laufen, so, als ob er ihn gar nicht ernst nahm. In Wien wurde Mack vor ein Kriegsgericht gestellt und zum Tode verurteilt. Aber der Kaiser begnadigte ihn. Nach einigen Jahren wurde Mack vollständig rehabilitiert.

In welchen Fällen scheiterten die Österreicher an ihrer Betulichkeit?

Nehmen Sie die Schlachten zwischen Österreichern und Preußen wie die von Leuthen 1757 und Hohenfriedeberg 1745. Während Friedrich bei seinen Soldaten saß und mit ihnen Suppe löffelte, machte es sich der österreichische Feldherr Prinz Karl fernab der Truppe in einem Schloss bequem. Er hielt Distanz, weil das standesgemäß war. Über die Lage ließ er sich von Boten berichten und entschied dann meistens auf der Grundlage von veralteten Informationen.

Der Generalstabschef der österreichisch-ungarischen Armee Franz Conrad von Hötzendorff (re.), im Gespräch mit dem hochmütig-flatterhaften deutschen Kaiser Wilhelm II. Die Aufnahme entstand laut Bildbeschreibung 1915 "auf dem Kriegsschauplatz Balkan während der Kämpfe gegen Serbien". (Foto: Scherl / SZ Photo)

Wie machte es der Alte Fritz?

Friedrich führte vorn. Er hatte so einen viel schnelleren und besseren Überblick und konnte deshalb zügig dirigieren und reagieren. So wie bei Leuthen, als er kurz vor Beginn der Schlacht einen Fehler in der Aufstellung seiner Truppen erkannte und sie schleunigst umformierte, um gegen die zahlenmäßig weit überlegenen Österreicher überhaupt eine Chance zu haben. Um in einer Schiefen Schlachtordnung eine bessere Angriffsposition zu erreichen, riskierte er einen gewagten, zwei Stunden dauernden Flankenmarsch vor den Augen des Feindes und direkt an ihm vorbei!

Wie reagierten die austriakischen Truppenführer darauf?

Sie glaubten tatsächlich, die Preußen hätten die Aussichtslosigkeit ihrer Lage erkannt und würden sich zurückziehen, um eine Schlacht zu vermeiden. Von Feldmarschall Leopold von Daun sind die an seine Offiziere gerichteten Worte überliefert: "Die Leute paschen (gehen), man störe sie nicht!"

Was für eine Naivität!

Ja, infolge einer an Überheblichkeit grenzenden Siegeszuversicht! Da haben wir einen dritten Punkt als Ursache für viele verpasste Siege der Österreicher. Manchmal hatten sie allerdings durchaus Grund dazu, denn oft übertraf ihre Truppenstärke die ihrer Gegner. Manchmal führte diese übertriebene Siegeszuversicht und damit verbundene Unterschätzung des Gegners aber auch zu einem Fiasko wie im August/September 1914 im Falle des österreichischen Generalstabschefs Franz Conrad von Hötzendorf. Er glaubte fest daran, er könne die in Galizien aufmarschierten Truppen des russischen Zaren leicht schlagen. Deshalb begann er dort mit einem übereilten Angriff, noch bevor er alle seine Divisionen beisammen hatte. Von der katastrophalen Niederlage in der Schlacht bei Lemberg konnten sich die K.u.k.-Streitkräfte den ganzen Ersten Weltkrieg über nicht mehr erholen.

Kriegsausbruch 1914
:Mit Hurra ins große Gemetzel

Ein überstolzer Kaiser, jubelnde Soldaten, der Glaube an einen schnellen Sieg: Vor hundert Jahren begann der Erste Weltkrieg. Fotos aus dem Jahr 1914, als die Welt brannte und das alte Europa zerbrach.

Wurde noch einem anderen österreichischen Heerführer seine Überheblichkeit zum Verhängnis?

Ja, im Mittelalter. Herzog Leopold III. von Habsburg wollte mit seinem Heer abtrünnige Schweizer bestrafen und wurde 1386 bei Sempach vernichtend geschlagen.

Inwiefern waren die Schweizer überlegen?

Von der Bewaffnung her und der militärischen Erfahrung waren sie es nicht. Es handelte sich meist um Schweizer Bauern, die sich zu Haufen zusammengerottet hatten. Sie besaßen keine Rüstungen. Stattdessen banden sie sich Holztäfelchen an die Arme. Waffen hatten sie auch kaum, manche kämpften nur mit einem Stock in der Hand.

Wie waren die Österreicher gerüstet?

Die österreichischen Ritter waren gut bewaffnet und gut trainiert. Für sie war das Ganze mehr eine Strafexpedition. Sie erwarteten keine ernsthafte Gegenwehr und schon gar keine blutige Schlacht. Diese Sorglosigkeit wurde ihnen zum Verhängnis. An einem steilen Berghang ließ Leopold die Ritter von den Pferden absteigen. Damit beraubte er sie eines entscheidenden Vorteils. Denn zu Fuß bewegten sich die Ritter in ihren schweren Rüstungen wie lahme Enten. Die wendigen Schweizer Bauern überfielen sie und metzelten einen nach dem anderen nieder.

Bei Königgrätz schlugen 1866 die Preußen die Österreicher und ihre Verbündeten und besiegelten somit die Vorherrschaft Berlins. Sie lassen diese Schlacht unerwähnt - weil sie nicht zur Kategorie "unnötig verloren" zählt?

Ich habe in der Tat überlegt, auch Königgrätz mit hineinzunehmen. Aber einige wichtige Gründe sprachen dagegen. Die Schnelligkeit und Mobilität der preußischen Truppenverbände sowie die überlegene preußische Waffentechnik in Form des modernen Zündnadelgewehrs ließen es nicht zu, in dieser Niederlage der Österreicher einen "verpassten Sieg" zu sehen.

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Die bizarrsten Zitate von Kaiser Wilhelm II.
:"Blut muss fließen, viel Blut"

Martialisch, selbstherrlich und unfreiwillig witzig: Zitate von und über Wilhelm II., den letzten deutschen Kaiser.

Cornelius Pollmer und Oliver Das Gupta

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: