Beleidigung der Majestäten
Die Beleidigung von Fürsten wurde schon im Altertum bestraft, teilweise mit dem Tode. Auch nach der Aufklärung konnte sogar indirekte Kritik an Herrschern zu einer Haftstrafe führen. Allein zwischen 1882 und 1918 gab es in Deutschland mehr als 12 000 Verurteilungen. Zehn Beispiele für Majestätsbeleidigungen, die sich während der Regentschaften des deutschen Kaisers Wilhelm II. (li.) und Franz Joseph I. von Österreich-Ungarn zugetragen haben.
Zweifel an royaler Expertise
"Der Mann, der von der guten und gesicherten Existenz der deutschen Arbeiter spricht, hat keine Ahnung von den Tatsachen." Replik Rosa Luxemburgs auf die Behauptung des großmauligen Wilhelm II., er verstehe die Probleme der Arbeiter besser als jeder Sozialdemokrat. Die SPD-Politikerin und spätere Kommunistin wird dafür 1904 wegen Majestätsbeleidigung zu drei Monaten Haft verurteilt.
Den regierungsunfähigen König blödsinnig genannt
"Man kann doch dem Volke nicht zumuten, dass es die Ehrfurcht, Liebe und Achtung, die es dem genialen König Ludwig II. auch im Unglück nicht versagte, auf einen unheilbar blödsinnigen Prinzen überträgt!" Anton Memminger, in der Bayerischen Landeszeitung am 20. Juni 1886. Kurz zuvor war Bayerns König Ludwig II. (re.) tot aus Starnberger See geborgen wurden. Thronfolger wurde dessen regierungsunfähiger Bruder Otto (li.), der damals schon mehrere Jahre in psychiatrischer Behandlung war, worauf Memminger Bezug nahm. Der Publizist (und spätere Antisemit) wurde für den Text wegen Majestätsbeleidigung verurteilt.
Ungeschickter Sau-Vergleich
Nikolaus Egger aus dem bayerischen Reichenhall wurde in Österreich im Jahr 1857 wegen Majestätsbeleidigung zu einem Jahr schwerem Kerker verurteilt. In einem Wirtshaus soll er ausländerfeindlich als "bairische Sau" beschimpft worden sein. Eggers Reaktion: Wenn er eine Sau sei, dann sei die in Bayern geborene österreichische Kaiserin (im Bild) auch eine Sau. Vermutlich wollte er damit ausdrücken, er sei so wenig eine Sau wie die "Sisi" genannte Monarchin.
Fiktion von einem reumütigen Fürsten
Der Journalist Kurt Eisner verfasste 1897 einen Text, in dem er einen Monarchen vor Diplomaten eine Ansprache halten lässt. Darin räumt der Fürst allerlei Fehler ein. Obwohl die Szene fiktiv und der Herrscher keinen Namen trägt, bezog die Obrigkeit den Artikel auf den peinlichen Kaiser Wilhelm II. Eisner, der spätere Schöpfer des Freistaats Bayern, musste neun Monate im Gefängnis büßen.
Bäuerliche Beleidigungen
"Der Kaiser ist ein Lump und Spitzbube" Anton Höllbacher, Bauer in der Ortschaft Tauglboden, beleidigte 1852 den damals jungen Monarchen Franz Joseph I. von Österreich (im Bild), als die Steuereintreiber bei ihm erschienen. Der Landwirt kam mit drei Wochen Arrest davon.
Den Toast auf den Kaiser verschlafen
Martin Wiegand, Buchhalter aus Berlin, hatte 1889 während eines Gelages zum Geburtstag des Kaisers das erste Hoch auf Wilhelm II. ausgebracht. Doch seine Vorbildlichkeit erschöpfte sich während des Zechens, wie sich auch sein Körper daran erschöpfte. Wiegand verschlief den x-ten Toast auf den Kaiser. Dem Wirt, der ihn deshalb wecken wollte, versetzte er einen Stoß. Am nächsten Tag schwärzte ihn jemand wegen Majestätsbeleidigung bei den Behörden an. Das Gericht schickte Wiegand zwei Monate in Gefängnis.
Gewagte Kostenrechnung
"Was kosten die Könige?" Unter diesem Titel dokumentierte 1912 die sozialdemokratische Zeitung Salzburger Wacht den finanziellen Aufwand, den Herrscher verschiedener Länder damals ihre Untertanen haben bezahlen lassen. Im Vergleich dazu nannte das Blatt die niedrigeren Kosten der Republiken Schweiz und Frankreich. Die Zensoren witterten eine Beleidigung des Kaisers (hier im selben Jahr im Prunkwagen) und konfiszierten die Ausgabe der Zeitung.
Das Staatsoberhaupt als windumtostes Bäumchen
1898 eine Anklage wegen Majestätsbeleidigung brachte den Machern der Münchner Satire-Zeitschrift Simplicissimus eine Karikatur mit zwei Eichen ein. "Die mächtige alte Eiche liegt entwurzelt", heißt es in dem Text dazu, sie stand für den eben verstorbenen ehemaligen Reichskanzler Otto von Bismarck (im Bild). Den Reichsadler samt Krone und Wappen zeigt die Zeichnung im Geäst eines "jungen Stämmchens, das die Sommerwinde bald hierhin bewegen und bald dorthin" - das war auf den jungen Kaiser Wilhelm II. und Bismarck-Gegner gemünzt - nicht akzeptabel, meinten die Behörden.
Geschmäht durch eine Schraube
"Es ist eine Schraube los." Noch mehr Ärger gab es für die Macher des Simplicissimus wenig später. Unter seinem Pseudonym Hieronymus veröffentlichte Frank Wedekind zwei Gedichte zur Palästina-Reise des Kaisers (im Bild mit Tropenhut und Entourage). Dabei hätte sich der letzte Vers seines Gedichts "Meerfahrt" nicht unbedingt auf die Gehirnwindungen seiner Majestät beziehen müssen. Genauso gut hätten sie auch auf das marode Antriebswerk des Schiffes gepasst. Die vorübergehende Flucht nach Paris schützte Wedekind nicht vor der Strafe: Knapp vier Monate musste der Dramatiker im Gefängnis einsitzen.
Tirade gegen Kaiser, Gott und Geistlichkeit
"Ich scheiße auf Seine Majestät den Kaiser, auf unseren Herrgott und die Pfaffen (...) Seine Majestät und der Herrgott sollen mich alle am Hintern lecken!" Ferdinand Prohaska war ein Landstreicher, der sich 1906 in Salzburg darüber aufregte, wegen Bettelei arretiert zu werden. So kam die Tirade zustande, die streng bestraft wurde. Der Mann wurde zu einem Jahr Kerkerhaft verurteilt. Die Fälle von Majestätsbeleidigung des österreichischen Kaisers Franz Joseph I. hat der Historiker Philip Czech dokumentiert in seinem Buch "Der Kaiser ist ein Lump und Spitzbube" (Böhlau Verlag, ISBN 978-3-205-78501-9).