Frankreich:Unheilige Allianz desavouiert Macrons Vertrauten

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War es das mit der weiteren Karriere? Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin am Montag in der Nationalversammlung. (Foto: LUDOVIC MARIN/AFP)

Innenminister Gérald Darmanin träumte von einem Triumph mit seinem Immigrationsgesetz. Nun haben linke und rechte Oppositionelle den Text gekippt - eine Niederlage auch für Präsident Emmanuel Macron.

Von Oliver Meiler, Paris

Frankreich rutscht unverhofft in eine Regierungskrise. In einer Abstimmung in der Assemblée nationale, der größeren Kammer des nationalen Parlaments, haben sich am Montagabend überraschend alle wesentlichen Oppositionsparteien zusammengetan und aus diametral unterschiedlichen Beweggründen das Immigrationsgesetz von Innenminister Gérald Darmanin versenkt, noch bevor die Debatte im Palais Bourbon überhaupt beginnen konnte. 270 Abgeordnete stimmten für den Ablehnungsantrag der Grünen, 265 dagegen. Damit ist das kontroverse Gesetz, das der Linken viel zu weit und der harten Rechten nicht weit genug ging, fürs Erste vom Tisch. Wann und ob es ein neues geben wird, ist völlig unklar.

Besonders bitter ist dieser Ausgang zunächst für den 41-jährigen Innenminister selbst. Darmanin hatte sich ausgerechnet, dass ihm ein Triumph mit seinem Immigrationsgesetz, das in den Medien auch "Loi Darmanin" genannt wurde, den Weg für die nächste Präsidentenwahl 2027 ebnen würde. Er gab ziemlich unumwunden zu, dass er dann ganz gerne Emmanuel Macron nachfolgen würde, der nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten darf.

Über Monate tourte Darmanin durch die Fernsehstudios und warb für sein Gesetz im Wissen, dass viele Franzosen in Umfragen eine härtere Gangart im Umgang mit der Migration forderten. Ziel war es auch, der extremen Rechten und ihrer Anführerin Marine Le Pen das Paradethema streitig zu machen.

Er wollte es Rechten und Linken recht machen. Dieser Spagat misslingt

Für einen Triumph brauchte er allerdings viele Stimmen, am besten von beiden Seiten. Den Rechten versprach er eine Verschärfung etwa bei der Ausweisung von Ausländern, die Probleme mit der Justiz haben, zudem mit einer Einschränkung des Familiennachzugs, mit der Streichung von Sozialleistungen für Asylsuchende. Der Linken wiederum verhieß er, die Regierung werde Ausländern ohne Ausweisdokumente, die in beschäftigungsintensiven Sektoren arbeiteten, etwa auf dem Bau oder in der Haushaltshilfe, Papiere geben.

Einmal sagte er: "Ich bin bös' mit den Bösen und nett mit den Netten." Wer sich integriere, die französische Sprache lerne, die französische Flagge zu lieben gelobe, der sei willkommen in Frankreich. Alle anderen: eher nicht. Im Senat, der kleineren Kammer des Parlaments, wo die Konservativen eine Mehrheit haben, gab er den Hardliner. Nun, als das Gesetz in die Assemblée nationale kam, weichte er es wieder auf.

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Der Spagat misslang, am Ende waren alle unzufrieden, die Rechten wie die Linken. Für Darmanin ist die Ablehnung der "Loi Darmanin" eine frontale Desavouierung. Kaum war das Abstimmungsergebnis bekannt, fragten die französischen Nachrichtensender: "Kann er Minister bleiben?" Darmanins Karriere scheint zumindest nachhaltig kompromittiert, was selbst in den eigenen Reihen nicht allen missfallen dürfte: Der frühere Republikaner galt immer als eine Art Klon von Nicolas Sarkozy, Präsident Frankreichs von 2007 bis 2012. Sarkozy war auch immer sein Modell: Wie sein Vorbild wollte er als Innenminister den Sprung an die Staatsspitze schaffen.

Der Schlag aus dem Parlament trifft auch Macron frontal

Und wenn nun auch alle auf Darmanin schauen, eine der wichtigsten, prägendsten und polarisierendsten Figuren in der französischen Regierung: Die "gifle", die Ohrfeige, in der Assemblée nationale, stellt auch die bisher größte politische Niederlage für Macrons parlamentarische Mehrheit und damit für den Präsidenten persönlich dar, seit der im Amt ist - seit 2017 also. In seiner ersten Amtszeit hatte Macrons Lager über eine absolute Mehrheit in der Abgeordnetenkammer verfügt, da war es einfach. Seit 2022 regiert er nur noch mit einer relativen Mehrheit und muss oft auf die Brechstange zurückgreifen, auf den Verfassungsartikel "49-3", um Gesetze durchs Parlament zu bringen. 19 Mal schon. Auch für die Rentenreform setzte die Regierung "49-3" ein.

Darmanin hatte gehofft, er würde es sogar ohne diese Forcierung schaffen, entsprechend groß wäre sein Triumph gewesen. Nun scheiterte er also schon vor der Debatte, fuhr kurz darauf zum Präsidenten ins Elysée, um seine Demission einzureichen. Doch Macron wies den Rücktritt zurück.

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