Wahlkampf in Frankreich:Frankreich kapert das EU-Parlament

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Der französische Präsident Emmanuel Macron muss sich am Mittwoch in Straßburg harte Worte an den Kopf werfen lassen. (Foto: Bertrand Guay/AP)

Nach Emmanuel Macrons Rede zum Beginn der französischen Ratspräsidentschaft verwandelt sich der Plenarsaal in Straßburg in eine Kampfarena: Die Oppositionsparteien Frankreichs blasen zum Wahlkampf.

Von Nadia Pantel, Straßburg

Ein erstes Ziel der französischen EU-Ratspräsidentschaft wurde am Mittwoch in Straßburg erreicht: Das EU-Parlament sprach Französisch. Jeder der konnte, angefangen bei der maltesischen Parlamentspräsidentin, kramte ein wenig eingerostetes français hervor, um Emmanuel Macron willkommen zu heißen.

Frankreichs Präsident nutzte seine Rede zum Beginn der Ratspräsidentschaft, um erneut seinen europäischen Enthusiasmus zu betonen. Die EU stehe für die "Versprechen von Demokratie, Frieden und Fortschritt", sagte Macron. Er blieb in seiner Rede der Grundidee treu, die er seit 2017 in Paris und in Brüssel und auch gegenüber Berlin vertritt: Die EU müsse unabhängiger werden.

Den Fokus legte Macron diesmal weniger auf Fragen der Verteidigung, sondern auf gemeinsame Werte und die gemeinsame Kultur Europas. Dabei wandte er sich indirekt auch gegen die frisch gewählte Präsidentin des EU-Parlaments, Roberta Metsola aus Malta. Die Konservative Metsola ist Abtreibungsgegnerin. Macron dagegen sagte, er wolle die Charta der europäischen Grundrechte erneuern und dort den Schutz der Umwelt aufnehmen und das Recht auf Abtreibung. Eine Bemerkung, die ihm langen Applaus im Parlament sicherte.

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In der folgenden Debatte blieb der Beifall allerdings aus. Das Europaparlament verwandelte sich in eine Arena des französischen Wahlkampfes. Schließlich können die französischen EU-Abgeordneten hier tun, was ihren Kollegen in der Nationalversammlung unmöglich ist: Präsident Macron direkt angreifen.

Die erste Spitze ließ der Bayer Manfred Weber los

Wobei es nicht einmal die Franzosen waren, die ihre innenpolitischen Streitigkeiten als Erste auf die europäische Agenda setzten. Vielmehr war es der deutsche CSU-Politiker Manfred Weber, Fraktionsvorsitzender der Europäischen Volkspartei (EVP). Er freue sich, so Weber, dass die Konservative Valérie Pécresse im Wahlkampf gegen Macron antreten werde. Weber warf Macron vor, "Populisten zu stärken", indem er Europa in Nationalisten und Progressive spalten wolle. Die politischen Auseinandersetzungen müssten jedoch "in der Mitte stattfinden", daher begrüße er Pécresse als Präsidentschaftskandidatin. Ihre Partei Les Républicains gehört im EU-Parlament zu Webers EVP-Fraktion.

Von diesem Moment an war das Thema gesetzt: Es wurde nicht etwa über die Prioritäten der französischen Ratspräsidentschaft diskutiert, sondern über die europa- und innenpolitische Bilanz Emmanuel Macrons. Immerhin fällt mitten in diese Ratspräsidentschaft die französische Wahl im April. Sollte Macron keine zweite Amtszeit antreten, müsste er auch den Vorsitz der EU-Ratspräsidentschaft an seinen Nachfolger oder seine Nachfolgerin abgeben.

Auf diese Nachfolge bewarben sich in der Parlamentsdebatte neben den Républicains auch die französischen Grünen (EELV), die linke France Insoumise und das rechtsextreme Rassemblement National (RN). Für EELV sprach der grüne Präsidentschaftskandidat Yannick Jadot. Er nannte Macron einen "Prokrastinierer" in Klimafragen, der lieber "Friedensverträge mit Wirtschaftslobbys schließe, als den Krieg gegen den Klimawandel zu beginnen."

Für die France Insoumise sagte die Abgeordnete Manon Aubry, Macron stehe für "Arroganz und Verachtung". Das zeige sich auch darin, dass er der EU diesen Wahlkampf aufzwinge, weil er die französische EU-Ratspräsidentschaft nicht verschoben habe. Der rechtsextreme Jordan Bardella vom RN kritisierte schließlich, Macron habe "aus Europa den Hinterhof Amerikas gemacht und das Hotel Afrikas". Die Wahl im April werde "nicht nur über das Schicksal Frankreichs entscheiden, sondern über das Schicksal ganz Europas".

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Macron regierte auf die Angriffe betont freundlich, ausführlich und nicht ohne Süffisanz. Dem rechten Bardella bescheinigte er "so viel Unsinn" über die Europäischen Verträge gesagt zu haben, dass man dem fast schon "Respekt zollen" müsse. Aubry von der France Insoumise sagte er: "Sie haben festgestellt, unsere Ratspräsidentschaft dürfe kein Steigbügel im Wahlkampf sein. Ich stimme Ihnen zu." Gelächter im Saal.

Anders als vor fünf Jahren wollen mittlerweile weder der rechte RN noch die Linken von der France Insoumise den Austritt aus EU oder Euro. Macrons politische Gegner haben sich also der Position angenähert, die der Präsident schon seit 2017 vertritt.

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