Frankreich:Die Abaya bleibt an den Schulen verboten

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Eine Frau trägt das traditionelle muslimische Gewand in Lille. (Foto: Denis Charlet/AFP)

Frankreichs höchstes Verwaltungsgericht hat die umstrittene Entscheidung der Macron-Regierung gebilligt. Das Ende einer langen Diskussion?

Von Oliver Meiler, Paris

Der Bann gegen die Abaya bleibt. Frankreichs oberstes Verwaltungsgericht, der Conseil d'État, hält eine kontrovers diskutierte Kleiderregelung in französischen Klassenzimmern für angemessen und weist eine Berufung dagegen ab. Junge Musliminnen dürfen nun also in Zukunft keine Abaya tragen, wenn sie zur Schule gehen - so nennt man ein langes Gewand, das ursprünglich aus der arabischen Welt kommt, außer Gesicht und Händen alles abdeckt und vor allem im vergangenen Jahr plötzlich etwas stärker in Mode geraten war. Frauen tragen es über ihren Kleidern, als Umhang. Das Pendant für Männer heißt Qamis.

Die Richter finden, das Verbot dieser Kleidung, über deren kulturelle Bedeutung gestritten wird, schränke die Grundrechte nicht in "illegaler und schwerwiegender Weise" ein. Oder anders: Ein bisschen tut es das offenbar schon.

Die Trennung von Kirche und Staat wird in Frankreich streng verteidigt

Die Kontroverse begann vor zehn Tagen, kurz vor dem Schulanfang nach den Sommerferien. Gabriel Attal, Frankreichs neuer Bildungsminister, verkündete für alle überraschend im Fernsehen, er habe die Abaya auf den Index jener Kleidungsstücke gesetzt, die das Prinzip der laizistischen, republikanischen Schule verletzen. Wenn man eine Schülerin in einer Abaya sehe, sagte er, sei sofort klar, welcher Religion sie angehöre. Das verbiete das Gesetz von 2004, in dem unter anderem die Kippa, das Kopftuch und übergroße Kreuze aufgeführt sind.

Dieses Gesetz wiederum gründet auf der Trennung von Kirche und Staat aus dem Jahr 1905, die in Frankreich mit schier heiligem Furor verteidigt wird. Attal erklärte die Abaya per Verordnung zum religiösen Gewand, während muslimische Geistliche diese Bedeutung bestreiten.

Die Interessenvereinigung Action Droits des Musulmans, die den Conseil d'État mit ihrer Berufung zu einem Eilverfahren gedrängt hatte, hält das Verbot als weiteres Beispiel dafür, wie gewisse politische Entscheidungen in Frankreich von Islamfeindlichkeit getrieben würden. Es sei auch unfair, dass der Minister sein Dekret nur ein paar Tage vor Schulanfang erlassen habe. Einmal mehr drohe damit ein "ethnisches Profiling". Sexistisch sei das Verbot auch, sagten die Anwälte von Action Droits des Musulmans vor den Richtern, weil vor allem junge Frauen davon betroffen seien.

Das Phänomen betrifft eine Minderheit

Am ersten Schultag präsentierten sich 298 Schüler in einer Abaya oder einem Qamis - von zwölf Millionen. 67 von ihnen mochten sich dem Verbot auch nicht beugen, als man ihnen bedeutete, dass sie sonst nicht ins Klassenzimmer vorgelassen würden. Das Phänomen betrifft also eine Minderheit. Von den insgesamt 60 000 Schulen im Land haben nur 150 Erfahrungen damit gemacht.

Doch die Regierung argumentiert mit schnell wachsenden Zahlen: Die Laizität gerate damit unter Druck. Eine Einschätzung, die der Conseil d'État teilt. Auch im Volk scheint die Meinung gemacht zu sein: In Umfragen begrüßen rund drei Viertel der Franzosen das Verbot der Abaya.

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Linke Kritiker klagen, mit dieser Debatte verdecke die Regierung größere Probleme des nationalen Bildungssystems: Lehrermangel etwa, baufällige Schulen, den schleichenden Abstieg des Abiturs. Doch Präsident Emmanuel Macron erhofft sich vom Fokus auf die Schule neue Popularität. Er will das Bildungsressort neuerdings auch als "domaine réservé" verstanden wissen, wie er nun ständig sagt - als Angelegenheit des Präsidenten, wie es etwa die Außen- und die Verteidigungspolitik sind.

Fürs Erste nehmen die Franzosen aber vor allem seinen erst 34-jährigen Bildungsminister Gabriel Attal wahr, der sich gerade eine prominente Rolle für die Zukunft zu schnitzen scheint - mit etwas Starthilfe des Conseil d'État.

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