Die Flüchtlingszahlen steigen, die Bundesregierung gerät unter immer größeren Druck. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat deshalb nun entschieden, die Flüchtlingspolitik künftig direkt von ihrem Amt aus steuern zu lassen. Ihr Kanzleramtschef und enger Vertrauter Peter Altmaier (CDU) übernimmt die Koordination aller Aspekte, die mehrere Ressorts betreffen. Das geht aus einer Vorlage an die Bundesministerien hervor, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt und an diesem Mittwoch im Kabinett verabschiedet werden soll. Leidtragender ist der bisher für die Flüchtlingspolitik verantwortliche Innenminister Thomas de Maizière (CDU), dessen Ressort aber die operative Koordinierung behält.
De Maizière war zuletzt immer wieder in die Kritik geraten. Das betraf zum einen den fachlichen Umgang mit der Krise, insbesondere die Bearbeitungsfristen für Asylanträge in der Bundesanstalt für Migration und Flüchtlinge (Bamf), deren Dauer nur allmählich kürzer wird. Zum anderen aber entstand wiederholt der Eindruck, dass de Maizière und Merkel politisch nicht auf einer Welle funkten.
Allen helfen und niemandem schaden
Während es die Kanzlerin zum Beispiel strikt ablehnt, über Grenzen der Belastbarkeit in der Flüchtlingspolitik zu sprechen, verwies de Maizière immer wieder darauf, dass Deutschland einen dauerhaften Zustrom in der gegenwärtigen Größenordnung nicht verkraften könne. Regierungskreise traten allerdings dem Eindruck entgegen, de Maizière solle entmachtet werden. Die Maßnahmen sollten allen helfen und niemandem schaden, hieß es.
Altmaier wird im Kanzleramt eine zusätzliche Stabsstelle einrichten. Sein ständiger Vertreter wird der Staatsminister im Kanzleramt, Helge Braun, dem bisher bereits die Koordinierung zwischen Bund und Ländern obliegt. Zudem soll das Thema Flüchtlingspolitik in den wöchentlichen Kabinettssitzungen ständiger Tagesordnungspunkt werden.
Innenministerium von entscheidender Bedeutung
Mit dem Konzept, so heißt es im Begleitschreiben Altmaiers, solle "die politische Gesamtkoordinierung und die operative Koordinierung unter stärkerer Einbeziehung der Ressorts weiter verbessert werden". Worin genau der Unterschied zwischen politischer und operativer Koordinierung liegen soll, geht aus dem Papier nicht hervor.
Ein bereits bestehender Lenkungsausschuss im Innenministerium, der von Staatssekretärin Emily Haber geleitet wird, soll erhalten bleiben. Insgesamt zehn Themenbereiche werden künftig verschiedenen Ressorts zugeordnet. Auch hier bleibt das Innenministerium mit der Zuständigkeit für Recht und Gesetzgebung, Asylverfahren und Flüchtlingsaufnahme, die Rückführung abgelehnter Asylbewerber, Sicherheitsfragen und Integration von entscheidender Bedeutung. Weitere Zuständigkeiten betreffen unter anderem das Auswärtige Amt (Bekämpfung der Fluchtursachen) und das Bauministerium (Unterbringung).