Flüchtlinge:Seehofers Lust an der Provokation

Lesezeit: 3 Min.

CSU-Chef Horst Seehofer ist für Aufnahmelager an der Grenze. (Foto: dpa)

Es ist sinnvoll, Asylbewerber unterschiedlich zu behandeln. Abschiebezentren, wie der CSU-Chef sie plant, braucht man dafür nicht.

Kommentar von Roland Preuß

Es gibt sie noch, trotz der Brandanschläge, der Steinwürfe, der Pöbeleien: die große Bereitschaft, Flüchtlingen zu helfen. Bürger bieten sich als Paten an, als Deutschlehrer, als Arbeitgeber, manche Initiativen wissen schon gar nicht mehr, wie sie die Freiwilligen einsetzen sollen. Die Bilder von den Verzweifelten haben diese Herzlichkeit befördert: syrische Kinder in zerbombten Städten, Afghanen auf der Flucht vor den Taliban, überfüllte Schlauchboote auf hoher See.

Diese Bilder allerdings stehen nicht für alle Asylbewerber. Es kamen dieses Jahr fast so viele Menschen aus Kosovo wie aus Syrien, mehr aus Serbien als aus dem Irak, mehr aus Mazedonien als aus Eritrea. Das ist ein Problem: Asylbewerber vom Balkan werden so gut wie nie als politisch Verfolgte anerkannt, mehr als 99 Prozent von ihnen werden abgelehnt.

Es gibt Bürger, die Fragen dazu stellen, auch unter denen, die helfen wollen. Muss man Bürgerkriegsflüchtlinge anders behandeln als Menschen, die ihrer Armut entkommen wollen?

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Horst Seehofer hat dafür eine vermeintliche Lösung präsentiert: Der CSU-Chef will Aufnahmelager an der Grenze, in denen über die Asylbewerber vom Balkan binnen zwei Wochen entschieden ist - und sie dann rasch abschieben.Er spricht von "massenhaftem Asylmissbrauch" und denkt laut darüber nach, die Lager als Zeltstädte zu gestalten. Seehofer hat ordentlich hingelangt, den Aufschrei, den er provozieren wollte, hat er bekommen. Doch er hat gleichzeitig eine Idee diskreditiert, die im Grunde sinnvoll ist: Asylbewerber unterschiedlich zu behandeln, je nachdem welche Bleibeperspektive sie haben.

Abschiebezentren und Zeltlager braucht man nicht. Es geht seriös

Dazu ist auch von linker Seite einiger Unsinn verbreitet worden: Zum Beispiel man unterscheide damit zwischen guten und bösen Flüchtlingen; oder die Asylbewerber vom Balkan würden nur deshalb so häufig abgelehnt, weil sie in Schnellverfahren abgefertigt werden. Tatsächlich geht es nicht um Gut oder Böse, sondern darum, ob jemand tatsächlich Flüchtling ist, ob er Schutz benötigt vor politischer oder anderweitiger Verfolgung. Das ist der Kern des Asylrechts.

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Armut und Perspektivlosigkeit, die viele Kosovaren, Serben oder Mazedonier nach Norden treiben, ist kein Grund für Asyl. Das Leben von Minderheiten wie den Roma in vielen Balkanstaaten ist hart, aber es ist nicht gleichzusetzen mit dem politisch Verfolgter: Es ist ein Unterschied, ob man in Albanien arbeitslos ist oder von Assads Geheimdienst in einen Kerker geworfen wird, ob man keine Krankenversicherung bekommt oder im Irak vom IS gejagt wird. Die Chancen für Asylbewerber vom Balkan sind seit Langem äußerst gering. Das war bereits vor den Schnellverfahren so. Die Verwaltungsgerichte, die ansonsten gerne mal Asylentscheidungen korrigieren, haben dies vielfach bestätigt.

Seehofer hat die Provokation gewollt

Was folgt daraus? Wer das Asylrecht ernst nimmt, muss auch seine Regeln ernst nehmen. Deutschland gewährt derzeit so vielen Menschen Schutz wie lange nicht, und das ist gut so. Umgekehrt muss aber auch ein Nein dazu führen, dass Migranten zurückkehren. Das Asylrecht ist nicht der Schleichweg für Einwanderer. Dies muss Migranten vom Balkan klar werden. Ihr Asylantrag muss trotzdem fair geprüft und entschieden werden. Dies geht schneller, wenn die Bewerber in zentralen Unterkünften der Bundesländer bleiben, wenn sie greifbar sind für Asylprüfer und Richter. All dies muss geschehen, ehe die Menschen auf die Städte und Gemeinden verteilt werden, oft fernab der Behörden.

Denn dies ist ein erster Schritt zur Eingliederung, zu einer Wohnung, zu einem Sprachkurs. Dieser Schritt sollte als Erstes jenen möglich werden, die aller Voraussicht nach Asyl erhalten wie etwa Syrer oder Iraker. 400 000 Asylbewerber werden dieses Jahr in Deutschland erwartet. Sie stellen das Land vor eine riesige Integrationsaufgabe. Es bleibt kaum etwas anderes übrig, als sich dabei von Anfang an auf diejenigen zu konzentrieren, die wohl bleiben werden.

Abschiebezentren und Zeltlager aber braucht man für all das nicht. Sie dienen nicht der Beschleunigung, sondern der Abschreckung. Seehofer will sie ausgerechnet bis zum Herbst in Betrieb nehmen. Man darf sich jetzt schon freuen über die Bilder, die dann um die Welt gehen könnten: Das reiche Bayern pfercht Flüchtlinge in Zeltlagern zusammen, im Schnee vor Alpenpanorama. Man kann das Problem seriös anpacken, mit Respekt gegenüber Flüchtlingen und Rechtsstaat, wie es Innenminister de Maizière oder sein nordrhein-westfälischer Kollege Jäger tun - ohne die Stimmung anzuheizen gegen Flüchtlinge. Es braucht keine Provokationen, um berechtigte Fragen der Bürger ernst zu nehmen. Horst Seehofer aber hat es so gewollt.

© SZ vom 23.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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