Wie lässt es sich verhindern, dass vor dem Hintergrund dieser Gruppeneffekte Fremdenfeindlichkeit entsteht?
Es gibt eine Reihe von Studien dazu, wie sich Vorurteile bekämpfen lassen. Und aus diesen geht hervor, dass es zwei Königswege gibt: Der erste besteht darin, den Menschen beizubringen, dass andere, Flüchtlinge, Muslime, Roma, gar nicht so fremd sind, wie sie sich das vorstellen. Das funktioniert über Informationen und Bildung. Über Berichte zur Lebenslage von Asylbewerbern. Darüber, dass sie arbeiten wollen. Über Reportagen, die das Gefühl vermitteln, die Flucht selbst zu erleben. Die uns verstehen lassen, was eine Roma-Familie bewegt, herzukommen.
Andreas Zick ist Leiter des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Universität Bielefeld
(Foto: Universität Bielefeld)Der zweite Weg geht über Kontakte. Mein Bild ändert sich, wenn ich selbst Erfahrungen mit Fremden gemacht habe. Es kann sogar reichen, wen jemand aus der Gruppe, der ich mich zuzähle, von einem Kontakt erzählt. Wenn es also ein Asylbewerberheim in der Nachbarschaft gibt, dann ist es wichtig, dass die Flüchtlinge wenigstens mal einen kurzen Kontakt zu den Leuten in dem Viertel haben.
Die Migranten neigen wahrscheinlich ebenfalls dazu, Gruppen mit ähnlichem Hintergrund zu bilden. Stoßen sie auf Ablehnung, verstärkt sich dieses Bedürfnis sicher noch. Das sieht aus wie ein Teufelskreis, bei dem sich die Fronten verhärten. Wäre es nicht auch wichtig, den Flüchtlingen bewusst zu machen, dass sie gewisse Ängste auslösen?
So ist es. Aber Informationen und Kontakte helfen beiden Seiten, die jeweils anderen zu verstehen. Unter den Experten ist lange diskutiert worden, wie solche interkulturellen Kontakte aussehen müssten. Reicht es, die Flüchtlinge zu bitten, mitzumachen? Muss man auf gemeinsame Interessen hinweisen? Gibt es ein Problem, dass sich gemeinsam lösen lässt?
Es gibt dazu koordinierte Programme, die auf Erfahrungen mit Projekten gegen Rassismus aus den USA zurückgreifen. Aber die Forschung zeigt: Man braucht gar nicht so viele Bedingungen. Der Kontakt allein wirkt schon. Die Möglichkeit zu erfahren, dass die eigene Vorstellung nicht der Realität entspricht.
Welche Rolle spielt Empathie?
Empathie und die Fähigkeit zum Perspektivwechsel gehen mutmaßlich mit Bildung einher. Deshalb kann Bildung ein Puffer gegen Vorurteile und Menschenfeindlichkeit sein. Unsere Analysen zeigen aber, dass in einer Umgebung, wo starke Vorurteile herrschen, noch etwas Wichtiges hinzukommen muss: Die Menschen müssen dort auch bereit sein, eine nonkonforme Haltung einzunehmen und den vorherrschenden Vorurteilen zu widersprechen. Dann gibt es einen ziemlich klaren Effekt.
Inzwischen wissen wir, dass Empathie ein zweischneidiges Schwert ist. Sie verbindet mich ja gerade auch mit den anderen Gruppenmitgliedern und kann so die Abgrenzung zu anderen verstärken, oder?
Richtig. Und auch die Übernahme der Perspektive eines Fremden kann nach hinten losgehen. Etwa wenn man dabei etwas zu sehen meint, dass die Vorurteile sogar noch zu stützen scheint. Deshalb bleibt es das Beste, Fremde über Informationen und Kontakte kennenzulernen.