Die Datenbank speichert mehr Namen, als Deutschlands bevölkerungsreichstes Bundesland Nordrhein-Westfalen Einwohner hat: Etwa 19 Millionen Personen sind auf den Servern des Ausländerzentralregisters (AZR) erfasst, nämlich alle ungefähr 11,6 Millionen Menschen, die ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Deutschland leben - und Millionen mehr, die bereits ausgereist sind oder keine Einreiseerlaubnis erhalten haben. Registriert sind nicht nur ihre Namen, sondern auch Geburtsdatum und Geburtsort, Geschlecht, Staatsangehörigkeiten, Familienstand, Fotos und noch einiges mehr, dazu von Asylsuchenden Fingerabdrücke sowie Angaben zu Gesundheit, Bildung, Familie und Fluchtgründen. Zu viel, meinen manche Kritiker.
Welche Angaben das Register wirklich speichern und wer darauf zugreifen darf, werden nun Gerichte klären müssen. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) hat am Donnerstag angekündigt, mit Klagen gegen die weitgehenden Speicherungs- und Zugriffsrechte vorzugehen, die das AZR-Gesetz den Behörden einräumt. Die von Juristen getragene Bürgerrechtsgruppe bereitet dazu auch eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe vor. Sie stützt sich dabei auf eine eigene Studie, die mit einem Rechtsgutachten des Mainzer Juraprofessors Matthias Bäcker unterlegt ist.
Kritiker warnen vor einem "nahezu unkontrollierten Datenmonster"
Darin äußert der Informationsrechtler zwar an der Grundkonzeption des seit 1953 bestehenden AZR keine EU- oder verfassungsrechtlichen Bedenken. Die allzu weit gefassten Ermächtigungen zur Speicherung und Übermittlung von Daten ließen sich aber nicht "in jeder Hinsicht mit verfassungs- und unionsrechtlichen Vorgaben vereinbaren", heißt es in seiner Bewertung. Sarah Lincoln, GFF-Juristin und Autorin der Studie, sieht dort Grundrechte und Datenschutzstandards verletzt, "wo unzählige weitere Datensätze gespeichert werden, die dann zum Beispiel von Sicherheitsbehörden für völlig andere Zwecke genutzt werden können". Ihr Fazit: Das AZR habe sich "zu einem ausufernden und nahezu unkontrollierten Datenmonster entwickelt".
Die GFF stößt sich vor allem an dem Ausbau des AZR, den der damalige Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) 2019 vorgenommen hat. So sollen die AZR-Festplatten von November 2022 an etwa alle Asylbescheide und asylrechtlichen Gerichtsentscheidungen im Volltext speichern. Diese enthalten oft intimste Angaben über die geflüchteten Menschen, von der politischen Überzeugung bis zur sexuellen Orientierung. Auf solche Daten dürfen der GFF-Studie zufolge 3861 Behörden automatisiert und in Echtzeit zugreifen, etwa Ausländerämter, Polizei oder Geheimdienste. Im schlimmsten Fall, so warnt Lincoln, könnten diese Daten rassistisch motivierten Gewalttätern oder Verfolgerstaaten in die Hände fallen - "und bringen Betroffene so in Lebensgefahr".