Russland sieht keinen Grund, den in Moskau zwischengelandeten früheren US-Geheimdienstler Edward Snowden festzunehmen und in die USA auszuliefern. "Die Amerikaner können nichts fordern. Wir können ihn übergeben - oder wir können ihn nicht übergeben", sagte der Menschenrechtsbeauftragte der russischen Regierung, Wladimir Lukin.
Der 30-jährige Snowden, den die USA wegen Geheimnisverrats fassen will, hält sich derzeit im Transitbereich des Moskauer Flughafens Scheremetjewo auf. Dort wartet er auf den Weiterflug nach Kuba. Der Aeroflot-Flug von Moskau mit der Nummer SU150 soll um 12.05 Uhr MESZ starten und 0.45 Uhr MESZ in Havanna landen.
Die US-Regierung hatte Russland zuvor aufgefordert, den Enthüller des US-Spähprogramms Prism umgehend auszuliefern. "Wir erwarten, dass die russische Regierung alle verfügbaren Optionen prüft, um Herrn Snowden in die USA zurückzuschicken", teilte das Weiße Haus in Washington am frühen Montag mit. Zwischen den USA und Russland habe es in jüngster Zeit eine "intensivierte Zusammenarbeit" in Fragen der Rechtsstaatlichkeit gegeben, die fortgesetzt werden müsse, appellierte die US-Regierung. Snowden müsse sich "wegen der Verbrechen, derer er beschuldigt wird", der US-Justiz stellen.
Aus Moskauer Regierungskreisen verlaute jedoch, dass sich Russland im Moment nicht verpflichtet sehe, die USA besonders zu unterstützen, da das Verhältnis wegen des Streits um das Magnitskij-Gesetz belastet sei. Bereits am Sonntag hatte ein Vertreter der russischen Sicherheitskräfte der Nachrichtenagentur RIA Nowosti gesagt, in Russland liege nichts gegen Snowden vor, und es gebe keine Anweisung ihn festzunehmen.
Nach seiner Flucht aus Hongkong will der frühere Geheimdienstmitarbeiter Snowden offenbar in Ecuador Schutz suchen vor der Strafverfolgung durch die US-Behörden. Snowden habe dort Asyl beantragt, teilte der Außenminister des Landes, Ricardo Patiño, per Twitter mit. Snowden hatte am Sonntag Hongkong verlassen, wo er nach seinen Enthüllungen über das Spähprogramms des US-Geheimdienstes NSA Ende Mai abgetaucht war. Neue Enthüllungen Snowdens, unter anderem über ein beispielloses britisches Spähprogramm, sorgten am Wochenende zusätzlich für Aufregung.
Zur Ausreise aus Hongkong aufgefordert
Nach Darstellung seines Anwaltes wurde Snowden vor dem Flug nach Russland zur Ausreise aus Hongkong aufgefordert. Ein Mann habe sich bei Snowden gemeldet und angegeben, die Regierung der chinesischen Sonderverwaltungszone zu vertreten, sagte Albert Ho am Montag vor Journalisten. Dieser habe gesagt, Snowden könne Hongkong verlassen und sollte dies auch tun. "Das ist ein sehr ungewöhnlicher Vorgang", sagte Ho, der auch Abgeordneter im Regionalparlament ist.
Die US-Regierung kritisierte die Ausreisegenehmigung Hongkongs für den sogenannten "Whistleblower" Snowden. Es sei "enttäuschend" und "beunruhigend", dass die Behörden in der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong dem Auslieferungsantrag der USA nicht nachgekommen seien, erklärte das US-Justizministerium am Sonntag (Ortszeit).
Die USA forderten Ecuador Medienberichten zufolge auf, Snowden kein Asyl zu gewähren. Washington habe auch Venezuela und Kuba gebeten, den 30-jährigen Geheimdienstspezialisten abzuweisen, berichtete der TV-Sender CNN unter Berufung auf einen hohen Regierungsbeamten. Die Länder sollten Snowden ausweisen, falls er dort einreisen sollte. Zudem hätten die USA Snowdens Pass annulliert, berichtete CNN am Sontag unter Berufung auf eine andere Quelle, die mit dem Fall vertraut sei.
Bei seinem Flug nach Moskau am Sonntag war Snowden Wikileaks zufolge von Rechtsexperten der Enthüllungsplattform und einem nicht näher genannten Diplomaten begleitet worden. Am Flughafen in Moskau warteten Fahrzeuge der ecuadorianischen Botschaft. Ecuadors Botschafter hatte gesagt, er wolle sich noch am Abend mit Snowden treffen. Snowden würde sich damit in die gleichen Hände begeben wie der Wikileaks-Gründer Julian Assange.
Am Freitag hatte die US-Justiz den 30-Jährigen offiziell der Spionage beschuldigt, einen Haftbefehl ausgestellt und die Auslieferung verlangt. Die Behörden von Hongkong, wo Snowden seit Ende Mai untergetaucht war, hatten nach seiner Abreise erklärt, es habe keine ausreichende rechtliche Grundlage für eine Verhaftung gegeben.