Fluchtwelle aus Nordafrika:Neue Grenzkontrollen sollen Migranten stoppen

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Die EU-Kommission bekommt Post von Nicolas Sarkozy und Silvio Berlusconi: Frankreich und Italien wollen das Schengen-Abkommen ändern - wegen der Flüchtlingswelle aus Nordafrika.

Andrea Bachstein und Cerstin Gammelin

Italien und Frankreich wollen das Schengen-Abkommen verschärfen, das freies Reisen in Europa regelt. Künftig sollen in besonderen Fällen innereuropäische Grenzkontrollen wieder eingeführt werden, um Flüchtlinge aufzuspüren. Italiens Premier Silvio Berlusconi und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy forderten Brüssel am Dienstag in einem Brief auf, die Reform vorzubereiten.

Die Verschärfung der Regeln im Schengen-Gebiet müsse schnell "politisch vorangetrieben werden", heißt es in dem Schreiben an die Präsidenten des Europäischen Rates und der Europäischen Kommission. Letztere will nun schon am 4. Mai entsprechende Vorschläge vorlegen. Die europäischen Innenminister sollen am 11. Mai auf einem Sondertreffen in Brüssel darüber beraten. Läuft alles nach Plan, könnten die Reformvorschläge bereits Ende Juni von den europäischen Staats- und Regierungschefs auf ihrem EU-Gipfeltreffen beschlossen werden.

Bisher garantiert das SchengenAbkommen Reisefreiheit innerhalb von 26Ländern ohne Grenzkontrollen. Berlusconi und Sarkozy wollen das zumindest zeitweise ändern. Um Flüchtlinge an der Einreise zu hindern, wollen sie mit verschärften Kontrollen sowohl die europäischen Außengrenzen als auch Grenzen zwischen Schengen-Staaten schützen. Die europäische Grenzschutzagentur Frontex soll mit zusätzlichen Kompetenzen ausgestattet werden. Frontex müsse zur "Hauptstütze" bei der Kontrolle der Außengrenzen werden, schreiben sie. Parallel dazu müsse die Möglichkeit innereuropäischer Kontrollen bei "außergewöhnlichen Umständen" geprüft werden. Zudem sollen die nordafrikanischen Mittelmeerländer stärker gefördert werden - im Gegenzug sollen diese Länder mehr gegen die illegale Auswanderung tun.

Mit der Delegation der Verantwortung an Brüssel haben Berlusconi und Sarkozy den seit Tagen dauernden bilateralen Streit über die tunesischen Zuwanderer vorläufig entschärft. Italien hat 20.000 bis zum 5. April angekommenen Tunesiern befristete Aufenthaltsgenehmigungen ausgestellt und steht auf dem Standpunkt, dass diese für den gesamten Schengen-Raum gelten. Frankreich erkennt die Papiere aus Rom jedoch nicht an und weist die Tunesier an der Grenze zurück, wenn sie nicht gültige Pässe und Geld besitzen. Von den mehr als 26.000 Tunesiern, die seit Jahresbeginn in Booten nach Italien gekommen sind, wollen die meisten weiter nach Frankreich. Paris hatte deshalb vor einigen Tagen Züge mit Tunesiern an der Grenze gestoppt und ihnen die Einreise verweigert.

EU-Diplomaten zufolge sind die meisten europäischen Regierungen dazu bereit, "das Schengener Abkommen weiterzuentwickeln". Auch Berlin gehört dazu. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich hatte allerdings schon Mitte April betont, dass das Abkommen mit all seinen Vorteilen eine Errungenschaft sei, "die nicht in Frage gestellt werden darf".

Berlusconi sprach am Dienstag in der Villa Madama, dem Gästehaus des Außenministeriums, von einem "sehr positiven Gipfeltreffen". Das Verhältnis zwischen Rom und Paris war nicht nur wegen des Streits um die Migranten belastet. Berlusconi hatte sich auch überrumpelt gefühlt vom Vorpreschen Sarkozys bei der Militäraktion in Libyen. Zudem hatte Sarkozy ihn bei einer Videokonferenz zu Libyen übergangen.

© SZ vom 27.04.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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