Sollte die FDP-Führung gehofft haben, dass nach dem knappen Ausgang der Mitgliederbefragung für den Verblieb in der Ampelkoalition wieder Ruhe einkehrt in die Partei, macht ihr nun ein prominenter Ex-Funktionär einen Strich durch die Rechnung. Holger Zastrow, 20 Jahre lang Vorsitzender des FDP-Landesverbands Sachsen und zehn Jahre Chef der liberalen Landtagsfraktion in Dresden hat am Dienstag nach mehr als 30 Jahren Mitgliedschaft seinen Austritt aus der Partei erklärt.
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"Die Entscheidung fiel mir nicht leicht und ist für mich hochemotional. Aber es geht nicht mehr", schrieb Zastrow beim Kurznachrichtendienst X, vormals Twitter. Den letzten Ausschlag habe die Rede von FDP-Chef Christian Lindner am Dienstag bei der Kundgebung der Bauern vor dem Brandenburger Tor gegeben. In einem dreiseitigen Schreiben begründet er seinen Schritt vor allem damit, dass die FDP in Berlin an der Koalition festhält, obwohl ihr längst klar sein müsse, dass ein Bündnis mit den Grünen der Partei und dem Land schade.
Bei den Bauernprotesten seien Leute auf die Straße gegangen, für die "wir einst in den politischen Kampf gezogen sind und deren Interessen wir vertreten haben". Lindners Rede bei den Protesten der Bauern habe gezeigt, "wie weit weg wir inzwischen von der Lebenswirklichkeit unserer Klientel sind", kritisierte Zastrow. Der selbständige Unternehmer hatte 2014 mit 3,8 Prozent der Stimmen den Wiedereinzug in den Landtag verpasst. 2019 waren die Liberalen mit 4,7 Prozent erneut knapp an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. In Umfragen für die Landtagswahl am 1. September liegt sie deutlich unter diesem Wert.
Erstmals deutlich sinkende Mitgliederzahl
Für den Landesverband kommt die Ankündigung zu einem ungünstigen Zeitpunkt; am Wochenende hält die sächsische FDP ihren Parteitag zur Listenaufstellung ab. Zastrow war zuletzt noch Chef der FDP-Fraktion im Stadtrat der Landeshauptstadt Dresden. In seinem Rücktrittschreiben berichtet Zastrow von einem Entfremdungsprozess, der 2011 mit dem Rücktritt des damaligen Parteichefs Guido Westerwelle begonnen habe. Inzwischen sei er überzeugt, dass die Politik der Ampel so "vollkommen falsch" sei, dass er es kaum in Worte fassen könne.
Bei der Mitgliederbefragung hatten die Initiatoren um Matthias Nölke, Kommunalpolitiker und Stadtkämmerer von Kassel, keinen prominenten Unterstützer gefunden. Ein Warnsignal für die Parteiführung dürften aber auch die neuen Mitgliederzahlen sein, die ebenfalls am Dienstag bekannt wurden. Laut einer Sprecherin hatte die FDP Jahresende 2023/2024 noch 71 820 Mitglieder. Das waren 4280 weniger als vor einem Jahr, als die FDP die Mitgliederzahl mit rund 76 100 angegeben hatte.
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Zwar war auch damals schon die Mitgliederzahl zurückgegangen, mit 900 Ausgeschiedenen jedoch wesentlich geringer als nun. Zuvor war die Mitgliederzahl jahrelang kontinuierlich gestiegen. Eine Sprecherin wies laut der Deutschen Presse-Agentur aber darauf hin, dass die Mitgliederzahl im Laufe der vergangenen sechs Jahre trotz der aktuell rückläufigen Zahlen um mehr als 7800 gestiegen sei.