FDP: Möglicher Westerwelle-Nachfolger:Wem die Stunde schlägt

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Rösler, Lindner oder Leutheusser-Schnarrenberger? Ein FDP-Kreisverband nach dem anderen hat in den vergangenen Tagen Beschlüsse gegen Guido Westerwelle gefasst - die Suche nach einer Alternative hat längst begonnen. Doch nach der personellen droht der Partei auch eine inhaltliche Zerreißprobe.

Peter Blechschmidt

Am Ende wird dann vielleicht doch alles sehr schnell gehen. Guido Westerwelle hat viele Sträuße ausgefochten, so manchen Gegner aus dem Weg geräumt und mannigfaltige Anfeindungen ertragen. Noch zu Beginn dieser Woche, nach den katastrophalen Wahlniederlagen in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz, hatte der FDP-Bundesvorsitzende den Eindruck erweckt, er wolle sich an die Spitze der Bewegung für die inhaltliche und personelle Erneuerung stellen. Vielleicht hat Westerwelle da sogar geglaubt, dass dies möglich sei. Am Ende dieser Woche, im fernen China, muss ihm klar sein, dass seine Zeit an der Parteispitze abgelaufen ist.

Machtkampf in der FDP
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Sie sticheln gegen die Bundesspitze, fordern eine personelle "Inventur" und sind dem Parteichef nicht gerade wohlgesonnen: Guido Westerwelles Widersacher in der FDP. Die SZ erklärt ihre Motive.

"Es brechen alle Dämme", berichtet am Freitag ein Landesvorsitzender über die Stimmung in seinem Sprengel. "Ein Kreisverband nach dem anderen fasst Beschlüsse gegen Westerwelle. Jedes Mal haben wir dann eine negative Presse", stöhnt ein anderer. "Die Erneuerung der Partei mit ihm an der Spitze ist nicht zu verkaufen", prophezeit ein Dritter. "Die Debatte muss ein Ende haben, sie gefährdet auch die Stabilität der Koalition", sagt ein Bundestagsabgeordneter.

Kritik an Westerwelle, auch scharfe persönliche Attacken, sind für diesen wie für die Öffentlichkeit nichts Neues. Doch die Westerwelle-Gegner verstummten bisher rasch, wenn sie nach einer Alternative gefragt wurden. Das war sogar noch am vorigen Sonntagabend so, als angesichts des Wahldesasters wieder mal die personellen Konsequenzen aufs Tapet kamen. Mittlerweile ist die Frage nach dem "Danach" unerheblich geworden. "Ich glaube nicht, dass da noch irgendeine Logik drin ist", analysiert am Freitag ein Mitglied der Parteiführung die Lage. In dieser Massivität und Vehemenz habe er die Woge der Ablehnung gegen Westerwelle nicht erwartet.

Schon gegen Ende vergangenen Jahres sah es einmal danach aus, als könne Westerwelle sich nicht mehr halten. Die Umfragewerte der Partei waren auf einem Tiefpunkt, in den Parteigliederungen wurde offen sein Rücktritt gefordert. Doch der Vorsitzende hielt durch, und er kam wieder nach vorn. Ein halbwegs gelungenes Dreikönigstreffen in Stuttgart, ein überraschend gutes Wahlergebnis bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg Mitte Februar und vergleichsweise gute Kritiken für seine Amtsführung als Außenminister verschafften ihm Auftrieb.

Doch dann folgten die Landtagswahlen vom 20. und vom 27. März. In Sachsen-Anhalt und in Rheinland-Pfalz flog die FDP aus den Landtagen. In Baden-Württemberg schaffte sie es gerade noch über die Fünf-Prozent-Hürde, doch für eine Fortsetzung der schwarz-gelben Regierung reichte es nicht mehr. Westerwelle versuchte, die Schuld vor allem bei den Landesvorsitzenden in Stuttgart und in Mainz abzuladen, bei der Vorsitzenden der Bundestagsfraktion Birgit Homburger und beim Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle. Der Plan schlug fehl. Dafür hatte Westerwelle nun zwei mächtige Gegner mehr, die ihn bis dato - mehr oder weniger aus ehrlicher Überzeugung - gestützt hatten.

Brüderle nahm seinen Kritikern den Wind aus den Segeln, indem er den Landesvorsitz niederlegte, was er ohnehin vorgehabt hatte. Homburger gab den Versuch auf, sich der Anti-Guido-Welle weiter entgegenzustemmen. Auch Cornelia Pieper, die Landesvorsitzende in Sachsen-Anhalt, trug - wenngleich sie es erklärtermaßen so nicht gemeint hatte - ihr Scherflein zum Niedergang Westerwelles bei. Am Donnerstag kündigte sie an, den Landesvorsitz und ihr Amt als stellvertretende Bundesvorsitzende aufzugeben. Pieper, seit langem selbst heftig umstritten, begründete dies damit, nur "frische Köpfe" könnten die FDP voranbringen.

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:Werben für die Aufklärung

Außenminister Westerwelle ist nach Peking gereist, um chinesische Spitzenpolitiker zu treffen und die deutsche Ausstellung "Bilder der Aufklärung" zu eröffnen. Sein Besuch steht unter keinem guten Stern.

Längst kann von einer "geordneten und überlegten Diskussion unter Führung Westerwelles" keine Rede mehr sein, wie sie etwa Generalsekretär Christian Lindner und der seit kurzem amtierende nordrhein-westfälische Landeschef Daniel Bahr noch zu Wochenbeginn angekündigt hatten. Für Westerwelle geht es allem Anschein nach nur noch darum, das Amt des Außenministers für sich zu retten.

"Die Frage ist längst nicht mehr, ob Westerwelle geht": Während der Außenminister nach China fliegt, diskutiert seine Partei über einen möglichen Nachfolger. (Foto: dapd)

Je länger die Personaldebatte über die Parteiführung dauere, desto schlechter würden Westerwelles Chancen im Außenamt, heißt es in der FDP. Und die stehen bislang offenbar nicht schlecht. Zwar gibt es Stimmen, die auch einen Außenminister Westerwelle als untragbare Belastung für die Liberalen betrachten. Aber die Mehrheit der führenden Parteigrößen, die sich am Freitag zu dieser Frage äußern, wollen ihn weiter im Auswärtigen Amt sehen. Ein rascher Verzicht auf den Vorsitz könnte ihm sogar noch als letzter Dienst an seiner Partei zugute gehalten werden.

Dass die FDP damit in eine weitere Glaubwürdigkeitsfalle tappen würde, wird notgedrungen in Kauf genommen. Die Forderung nach Trennung von Parteivorsitz und Außenamt wabert schon seit Monaten durch die Partei. Sie wurde bis jetzt immer vehement zurückgewiesen mit der Begründung, Westerwelle könne dann im Koalitionsausschuss und im Kabinett der Kanzlerin, die zugleich CDU-Vorsitzende ist, nicht mehr auf Augenhöhe auftreten. Jetzt wiederum verweist man in der FDP auf Hans-Dietrich Genscher, der nach seinem Abschied vom Parteivorsitz noch sieben Jahre lang Außenminister gewesen und erst in diesem Amt zu seiner bis heute währenden Größe gelangt sei.

"Die Frage ist längst nicht mehr, ob Westerwelle geht", sagt am Freitag ein Bundestagsabgeordneter. "Die Frage ist, wie es weitergeht." Denn das Danach ist keineswegs so egal, wie viele Leute in ihrem Frust über Westerwelle glauben. Nach der personellen droht der Partei auch eine inhaltliche Zerreißprobe. Mit erheblichem Misstrauen beobachtet der konservativ ausgerichtete Wirtschaftsflügel in der Fraktion, dass von den drei potentiellen Parteivorsitzenden zwei mit großer Sicherheit und einer mit gewisser Wahrscheinlichkeit eher im linksliberalen und Grünen-freundlichen Spektrum zu verorten sind.

Bei Gesundheitsminister Philipp Rösler sind sich viele nicht sicher, ob er den Parteivorsitz wirklich will und welche inhaltlichen Ziele er dann verfolgen würde. Generalsekretär Lindner hat sich in dieser Woche mit seinem Vorstoß, die abgeschalteten alten Atomkraftwerke dauerhaft vom Netz zu nehmen, bei den Wirtschaftsliberalen unbeliebt gemacht. Und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ist so eindeutig dem linken Flügel zuzurechnen, dass sie auf dem Wahlparteitag Mitte Mai mit einem rechten Gegenkandidaten rechnen müsste. Viele sagen voraus, sie würde eine Niederlage erleiden. "Ich werde auf jeden Fall die inhaltliche Positionierung der FDP gegen alle Versuche verteidigen, die Partei zu Grün-Light zu machen", droht der energiepolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Martin Lindner.

"Bisher gab es nur einen, der die FDP zusammenhielt", seufzt am Freitag ein Mitglied der Parteiführung. "Das ist Westerwelle. Aber das zählt nicht mehr."

© SZ vom 02.04.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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