Extremismus:Razzia gegen Palästinenser-Organisationen

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Mehrere hundert Teilnehmer einer Demonstration ziehen mit Flaggen vom Königreich Preußen (schwarz-weiß-schwarz mit Adler) durch die Innenstadt. (Foto: Daniel Schäfer/dpa/Archivbild)

Vier Wochen nach dem Terrorangriff auf Israel wurden Aktivitäten von bestimmten Palästinenser-Gruppen in Deutschland untersagt. Nun gab es erneut Durchsuchungen. Obwohl Unterstützer radikaler Gruppen viel Zeit hatten, hoffen Polizei und Politik, Beweise zu finden.

Von Andreas Rabenstein und Anne-Beatrice Clasmann, dpa

Berlin (dpa) - Drei Wochen nach den Verboten der palästinensischen Organisationen Hamas und Samidoun in Deutschland hat die Polizei Wohnungen mutmaßlicher Anhänger in vier Bundesländern durchsucht. Der Schwerpunkt der Razzia am Donnerstagmorgen lag in Berlin, wo 350 Polizisten, darunter auch Spezialeinheiten (SEK), im Einsatz waren, wie eine Polizeisprecherin sagte.

Von den insgesamt 21 durchsuchten Wohnungen und Vereinen lagen 13 in Berlin. Außerdem gab es Polizeieinsätze in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Hamburg. Insgesamt waren laut Bundesinnenministerium etwa 500 Einsatzkräfte beteiligt.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte am 2. November ein Betätigungsverbot für die Hamas, die den Terrorangriff auf Israel am 7. Oktober verübt hatte, und ein Vereinsverbot für den deutschen Ableger von Samidoun ausgesprochen. Angekündigt worden waren die Verbote bereits kurz nach dem Angriff von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), wohl um ein politisches Signal zu senden.

Faeser gab sich am Vormittag optimistisch über die erhoffte Wirkung der Razzia, auch wenn sie mehrere Wochen nach dem Verbot erfolgte. „Wir haben ja auch durch die letzten Durchsuchungsmaßnahmen enorme Erfolge erzielt und das wird sich heute fortsetzen. Daher bin ich da sehr zuversichtlich“, sagte Faeser am Rande einer ZDF-Veranstaltung in Berlin. „Wir gehen weiter hart gegen Islamisten vor.“ Verherrlichung oder Unterstützung des Terrors der Hamas werde nicht geduldet. Faeser betonte: „Wir haben die islamistische Szene fest im Blick.“ Islamisten und Antisemiten dürften sich in Deutschland „nirgendwo sicher fühlen“.

In Berlin wurden nach Angaben der Polizei zehn Wohnungen von Unterstützern in Neukölln, Buckow, Spandau, Wedding, Mitte sowie im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg durchsucht. Dazu kam ein palästinensischer Verein ebenfalls in Neukölln. Ziel sei es, Beweise und Vermögen zu sichern. Die Durchsuchungen seien zur Durchsetzung der Verbote und zur weiteren Aufklärung der verbotenen Strukturen dieser Gruppen von Verwaltungsgerichten angeordnet worden, hieß es.

Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) erklärte: „Auch der heutige Einsatz zeigt, dass der terroristischen, antisemitischen und menschenverachtenden Ideologie der verbotenen Vereine Hamas und Samidoun weiterhin konsequent entgegengetreten wird.“

In Nordrhein-Westfalen wurden laut dem dortigen Innenministerium jeweils Privatwohnungen in Münster und Bochum durchsucht. In Niedersachsen war dem Innenministerium zufolge eine Person im Bereich der Polizeidirektion Osnabrück das Ziel, eine Festnahme sei aber nicht erfolgt.

Das Bundesinnenministerium betonte, der Verein Samidoun befürworte Gewalt als Mittel zur Durchsetzung politischer Ansichten und unterstütze Vereinigungen, die Anschläge androhten. Polizei und Verfassungsschutz hatten den deutschen Ableger der Vereinigung „Samidoun - Palestinian Solidarity Network“ schon länger im Blick gehabt. Öffentlich aufgefallen waren seine Anhänger, als sie nach dem Überfall der Hamas am 7. Oktober in Neukölln Süßigkeiten auf der Straße verteilt hatten, als Ausdruck der Freude über den Terrorangriff.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz rechnet der Hamas in Deutschland etwa 450 Mitglieder zu. Deren Aktivitäten umfassen den Erkenntnissen zufolge Sympathiebekundungen und Propagandaaktivitäten sowie das Sammeln von Spenden. Im Gegensatz zu islamistischen Terrorgruppen wie Al-Kaida oder Islamischer Staat (IS) verübt die Hamas keine Anschläge in westlichen Staaten, sondern ausschließlich in Israel und den Palästinensergebieten. Terrorexperten befürchten allerdings, dass durch den Gaza-Krieg die Gefahr von Anschlägen durch Sympathisanten anderer Terrororganisationen und radikalisierte Einzeltäter steigt.

Die islamistische Hamas hat ihre Wurzeln in der in Ägypten gegründeten Muslimbruderschaft, die einen islamischen Staat anstrebt. Die Hamas wird von der EU und den USA schon seit Jahren als Terrororganisation eingestuft, womit sie de facto in Deutschland schon vorher verboten war. Das Samidoun-Netzwerk steht der nicht-religiösen Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) nahe.

© dpa-infocom, dpa:231123-99-49440/6

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