Berlin:Berlin: Mehr Islamisten, Linksextremisten und „Reichsbürger“

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Berlin (dpa/bb) - In Berlin treiben immer mehr Islamisten, Linksextremisten und teils gefährliche Reichsbürger ihr Unwesen. Gleichzeitig verharrt die Zahl der Rechtsextremisten auf hohem Niveau. Das geht aus dem neuen Verfassungsschutzbericht hervor, den Innensenator Andreas Geisel (SPD) am Dienstag vorstellte. Dieser zeige erneut, "dass wir nicht aufhören dürfen, wachsam zu sein", sagte Geisel. "Wir alle haben die Aufgabe, uns entschieden gegen extremistische Tendenzen zu stellen."

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Berlin (dpa/bb) - In Berlin treiben immer mehr Islamisten, Linksextremisten und teils gefährliche Reichsbürger ihr Unwesen. Gleichzeitig verharrt die Zahl der Rechtsextremisten auf hohem Niveau. Das geht aus dem neuen Verfassungsschutzbericht hervor, den Innensenator Andreas Geisel (SPD) am Dienstag vorstellte. Dieser zeige erneut, „dass wir nicht aufhören dürfen, wachsam zu sein“, sagte Geisel. „Wir alle haben die Aufgabe, uns entschieden gegen extremistische Tendenzen zu stellen.“

Demnach ist das Spektrum der Salafisten 2017 im Vergleich zum Vorjahr um 110 Personen auf 950 gewachsen; 420 davon gelten als gewaltorientiert, 40 mehr als ein Jahr zuvor. Bis heute ist die Zahl laut Geisel auf 990 gestiegen. Berlin bleibe einer der bundesweiten Schwerpunkte des Salafismus' in Deutschland. „Nach wie vor übt die salafistische Ideologie eine enorme Anziehungskraft aus.“

Genau im Blick hat der Verfassungsschutz Geisel zufolge IS-Rückkehrer aus dem Irak und Syrien. 130 Personen aus Berlin seien einst in die Kriegsgebiete ausgereist, etwa 20 davon dort getötet worden und um die 60 inzwischen zurückgekehrt. „Momentan gehen von ihnen keine Aktivitäten aus.“ Sie seien angesichts der Niederlage der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) enttäuscht und traumatisiert. „Aber das ist kein Grund, sich beruhigt zurückzulehnen.“ Unter anderem seien Deradikalisierungsprogramme für diesen Personenkreis nötig.

Das linksextremistische Lager wuchs laut Bericht um 160 auf 2950 Aktive; davon gelten 980 als gewaltbereit, 10 mehr als vor Jahresfrist. Mittlerweile habe sich die Gentrifizierungsdebatte als wichtigstes Aktionsfeld der Berliner Linksextremisten etabliert. „Die Tatsache, dass immer mehr Menschen von Themen wie Wohnungsnot, Mietsteigerung und Verdrängungsprozessen betroffen sind, eröffnet der Szene die Möglichkeit, Anschluss und Einfluss auf zivilgesellschaftliche Einrichtungen und Bündnisse zu gewinnen.“

Zulauf haben weiterhin die sogenannten Reichsbürger, die die Bundesrepublik, ihre Gesetze und Verfassungsorgane nicht anerkennen. Ende 2017 zählte der Verfassungsschutz in Berlin 500 und damit 100 mehr als ein Jahr zuvor. 110 dieser Anhänger werden als rechtsextremistisch eingestuft. „Nach wie vor sind es vor allem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes, die von den Aktivitäten der „Reichsbürger“-Szene betroffen sind - sei es in Jobcentern, in Finanz-, Bürger- und Ordnungsämtern, in Gerichten oder auch gegenüber der Polizei, heißt es in dem Bericht.

Geisel warnte davor, „Reichsbürger“ als Spinner abzutun, zumal einige auch bewaffnet seien. „Ihre Gewaltbereitschaft steigt.“ Ziel der Gruppierung sei es, die demokratische Grundordnung auszuhöhlen.

Dem rechtsextremistischen Spektrum rechnen die Verfassungsschützer unverändert etwa 1430 Menschen zu, darunter 700 gewaltorientierte. Etwa ein Zehntel der Rechtsextremen seien „in dezidiert muslimenfeindlichen Gruppen und Netzwerken aktiv“.

Zum prägenden Akteur der Szene habe sich in den letzten Jahren dieIdentitäre Bewegung (IB) entwickelt. Diese sei auch international gut vernetzt und verstehe sich als integraler Bestandteil der sogenannten Neuen Rechten, zu der etwa Burschenschaften und diverse Vereine gehörten. Ziel dieses Netzwerks sei unter anderem, den öffentlichen Diskurs mit fremden- und muslimenfeindlichen Stereotypen zu manipulieren.

Ein gesondertes Kapitel findet sich zum Thema Antisemitismus. Antisemitische Stereotype seien in den Ideologien nahezu aller extremistischen Gruppierungen und Akteure verwurzelt, sagte Geisel. Eine Reihe spektakulärer Vorfälle in Berlin, aber auch die Gesamtzahl von zuletzt mehr als 1600 antisemitischen Straftaten in der Hauptstadt im Jahr machten deutlich, das die Sicherheitsbehörden hier „genauer hinschauen“ müssten.

Die Berliner Dar as-Salam Moschee und ihr Trägerverein „Neuköllner Begegnungsstätte“ werden im neuen Verfassungsbericht 2017 im Gegensatz zu führeren Veröffentlichungen nicht mehr erwähnt. Hintergrund ist ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom Juli, nach dem die Erwähnung der Moschee im Bericht 2016 unzulässig war. Daraufhin sei sie aus dem Bericht 2017 „erst mal rausgenommen“ worden, sagte Geisel. Das sei aber keine Vorfestlegung für den nächsten Bericht - die Moschee werde weiter beobachtet. Grund seien mögliche Verbindungen zur Muslimbrüderschaft, die dem sogenannten legalistischen Islamismus zugerechnet wird.

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