Ex-Taliban Abdul Salam Zaeef:Der Mullah mit den guten Kontakten

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Er stand auf der Terrorliste der Vereinten Nationen und saß in Guantánamo ein: Einst war Abdul Salam Zaeef das Sprachrohr der Taliban. Inzwischen ist der Mann zu einem gefragten Gesprächspartner geworden. Westliche Diplomaten hoffen, er könne Kontakte zu den aufständischen Islamisten herstellen.

Tobias Matern

Abdul Salam Zaeef sitzt auf der Dachterrasse seines Hauses im westlichen Teil Kabuls. Staub wirbelt durch die Luft. Unten marschieren Wachmänner auf und ab. Sie tragen Maschinengewehre. Zaeefs langer Bart weht im Wind. Seine Stimme ist ruhig, aber trotz der kräftigen Böen deutlich zu verstehen. Der Mullah kennt die Stimmung in Europa und den USA genau: "Der Westen ist verwirrt, die Menschen wissen nicht, was der Einsatz in Afghanistan gebracht haben soll, warum ihre Soldaten in diesem Land gestorben sind."

2001 stand Abdul Salam Zaeef im Rampenlicht der Weltöffentlichkeit: In Pakistan verteidigte er die Taliban in seinen Pressekonferenzen, wie hier am 11. September, unmittelbar nach den Anschlägen von New York und Washington. Aus dem zwischenzeitlich geächteten Zaeef ist mittlerweile ein begehrter Gesprächspartner geworden. (Foto: N/A)

Zaeef war während des Taliban-Regimes in Afghanistan Botschafter der Islamisten im Nachbarland Pakistan. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 lieferte ihn der damalige pakistanische Präsident Pervez Musharraf an die Amerikaner aus, die ihn in das Gefangenenlager auf Guantanamo brachten. Dort saß er einige Jahre ein. Der Mullah galt als geächtet. Doch seit einiger Zeit spielt Zaeef wieder eine wichtige Rolle. Die Vereinten Nationen haben ihn schon im vergangenen Jahr von ihrer Terrorliste gestrichen. Zu beobachten ist nun ein Mann, der neues Ansehen genießt, auch bei jenen, die ihn einst für einen Terroristen hielten.

Seit ein Zeitplan für den Abzug der Isaf-Truppen aus Afghanistan feststeht und der Krieg gegen die Taliban sich militärisch in der Sackgasse befindet, wird versucht, Kontakte zu den aufständischen Islamisten zu knüpfen. Westliche Diplomaten schauten häufig bei ihm vorbei, erzählt Zaeef. Sie würden mit ihm Tee trinken und ihn um seinen Rat fragen. Auch wenn der Geistliche darauf beharrt, er spreche nicht für die Taliban, erhoffen sich seine Besucher doch, er könne einen Draht zu den Weggefährten von einst herstellen. Denn Beobachter gehen davon aus, dass der ehemalige Taliban-Botschafter den Kontakt zu den früheren Machthabern nicht hat abreißen lassen.

Zaeef vertritt denn auch eine nahezu identische Linie, wie sie die Taliban offiziell verlauten lassen: "Ich mag keine ausländischen Truppen in meinem Land, der Westen muss sofort abziehen", sagt er. Für ihn gibt es einen Schuldigen in diesem Konflikt: Die Isaf-Truppen und die dahinter stehenden politischen Anführer. Sie hätten "der korruptesten Regierung der Welt" in Kabul zur Macht verholfen und Tausende Zivilisten auf dem Gewissen. Dass die Taliban laut Studien der UN und einer afghanischen Organisation wesentlich mehr Unschuldige getötet haben, erwähnt er nicht.

Es mag Taktik sein, um die Verhandlungsposition für mögliche Friedensgespräche zwischen den Taliban, den USA und der afghanischen Regierung weiter zu stärken, aber Zaeef beharrt darauf, dass eine Aussöhnung in Afghanistan erst stattfinden könne, wenn der Westen sämtliche Vorbedingungen fallen lasse. Die von der Staatengemeinschaft ausgerufenen "roten Linien" könnten die Taliban nicht einfach akzeptieren. Schließlich käme dies einer "Kapitulation" gleich. Der Westen verlangt von den Islamisten, ihre Waffen niederzulegen, die afghanische Verfassung zu akzeptieren und die Verbindungen zu al-Qaida zu kappen - dann könnten Verhandlungen beginnen.

"Alle Vertreter dieses Landes sollen sich zusammensetzen und allein über den Frieden reden", sagt Zaeef. Schon früher hat er sich für eine überparteiliche Regierung ausgesprochen, an der alle Gruppierungen beteiligt werden sollen. Doch diesen Vorschlag lehnen mächtige Vertreter der einstigen Nordallianz ab. Sie wollen die Taliban aus der Regierung heraushalten. "Die Menschen in Afghanistan wollen nur noch eines: Frieden", sagt Zaeef. Doch die Vorstellungen, wie es dazu kommen könnte, gehen nach wie vor weit auseinander.

© SZ vom 20.06.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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