Seinen Sommerurlaub beginnt Barack Obama mit seinem Lieblingshobby: Golf spielen. Doch während der US-Präsident im noblen Martha's Vineyard auf Erholung hofft, sorgt seine mögliche Nachfolgerin für Schlagzeilen. In einem Interview kritisiert Hillary Clinton Obama und dessen Regierung für ihre Zögerlichkeit: Hätte Washington die Opposition in Syrien früher mit Waffen unterstützt, dann würden die Dschihadisten des "Islamischen Staats" heute nicht solche Erfolge feiern.
In dem langen Gespräch, das Clinton mit dem einflussreichen Kolumnisten Jeffrey Goldberg vom Monatsmagazin The Atlantic geführt hat, fallen noch einige andere Aussagen, die dem Sommerurlauber Obama nur bedingt gefallen dürften. Die ehemalige Außenministerin vermisst eine "übergreifende" Strategie für den Umgang mit dem islamischen Extremismus, ähnlich wie während der Zeit des von der Sowjetunion angeführten Kommunismus. "Große Nationen brauchen organisierte Prinzipien, und 'Macht kein dummes Zeug' ist kein organisiertes Prinzip", sagte sie in Anspielung auf einen Slogan, mit dem Obama Ende Mai seine außenpolitischen Überzeugungen erläutert hatte ( Details in dieser Analyse von SZ.de).
Mit dem Atlantic-Interview beginnt nun ein Prozess, den viele Clinton-Beobachter seit längerem erwartet haben. Wenn die frühere Außenministerin 2016 ins Weiße Haus einziehen will, dann muss sie sich deutlicher von Obama absetzen und den Amerikanern klarmachen, was sie anders machen würde als der 44. US-Präsident, dem sie vier Jahre diente und den sie als "Freund" und "unwahrscheinlich intelligent" lobt. Das Thema Syrien eignet sich dafür sehr gut, denn hier hat Clinton seit langem eine andere Meinung als Obama ( auch ihr Ehemann Bill forderte 2013 mehr US-Engagement in Syrien).
In ihrer Autobiografie "Entscheidungen" widmete sie sich ausführlich dem Aufstand gegen Diktator Assad und überschrieb das Syrien-Kapitel mit "Vertracktes Problem". Ausführlich schildert sie, wie sie sich in Washington und auf globaler Bühne dafür einsetzte, die moderate, nicht islamistische Opposition zu unterstützen und auch Waffen zu liefern. Wörtlich heißt es:
"Wenn aber Amerika endlich bereit wäre, sich in das Spiel einzumischen, dann könnten wir die Extremisten viel wirksamer isolieren und die gemäßigten Kräfte in Syrien stärken."
Obama, so bilanziert sie, habe sich ihre Argumente genau angehört, mehrfach nachgefragt und sich dann doch gegen eine Unterstützung von Gruppen wie der Freien Syrischen Armee entschieden. Dadurch sei jenes "große Vakuum" entstanden, das die Dschihadisten nun füllen. Eine umfassende Strategie gegen die Dschihadisten ist in Clintons Augen so wichtig, weil IS und deren Anhänger keine Pause einlegen, sondern immer mehr Gebiete unter ihre Kontrolle bringen wollen. Und die vielen europäischen Dschihadisten, die nun im Irak und in Syrien kämpfen, würden als Heimkehrer eine große Gefahr für Europa und die USA darstellen ( Dies belegen Video-Aufnahmen aus der IS-Hochburg Raqqa, die Vice News drehte).
Warum sich Hillary von ihrem Ex-Chef absetzen muss
Clintons Abgrenzung von Obama, die sich auch als "vertracktes Problem" erweisen könnte, erfolgt aus drei Gründen: Die Popularitätswerte des ersten schwarzen Präsidenten sind bestenfalls mittelmäßig, so dass die 66-Jährige nicht allzu viel Nähe zu Obama zeigen will. Zum Zweiten muss Clinton, die in allen Umfragen als Favoritin für den Präsidentschaftswahlkampf 2016 gilt, den Amerikanern deutlich machen, was sie im Weißen Haus anders machen würde. Die Tatsache allein, dass sie die erste Präsidentin wäre, könnte nicht reichen.
Im Gegensatz zu Obama betont die ehemalige Außenministerin viel stärker Amerikas Führungsrolle in der Welt und deutet an, dass sie womöglich früher aktiv werden würde als Obama. Doch genau hier wartet ein weitere Herausforderung auf die Demokratin: Die Mehrheit der Amerikaner lehnt ein größeres Engagement ihres Landes auf der internationalen Bühne ab. Dies gilt besonders für den Nahen Osten - und die Ablehnung ist unter den Wählern der Demokraten am größten.
All das ist Hillary Clinton natürlich bekannt, doch es hindert sie nicht daran, den Präsidenten zu kritisieren. Es erscheint jedoch fraglich, ob sich ihre Strategie aus peace, prosperity and progress, mit der sie die Amerikaner überzeugen will, so schnell umsetzen lässt. Die USA müssten ihren Wohlstand ( prosperity) zu Hause verteidigen und mehr Bürger daran teilhaben lassen. Dann, so Clintons Hoffnung, werden sie auch wieder die US-Regierung unterstützen, sich im Rest der Welt für Frieden ( peace) und Fortschritt ( progress) einzusetzen. Doch das klingt bei Obama eitgentlich ziemlich ähnlich.
Jeff Goldberg, dessen Interviews mit Barack Obama und Fidel Castro ebenfalls für Aufsehen sorgten, verkniff es sich, Hillary Clinton direkt zu fragen, ob sie 2016 ein weiteres Mal als Präsidentschaftskandidatin antreten werde. Die ehemalige first lady erklärt stets, sich frühestens Ende 2014 entscheiden zu wollen. Ihre Buch-Werbetour geht weiter und ihre Fähigkeiten als Diplomatin nutzt sie, mit einer gehörigen Portion Selbstironie, auch in der TV-Show des Satirikers Stephen Colbert. Das Publikum feierte sie dementsprechend.
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Der Medienprofi Hillary Clinton weiß, dass es ihr momentan nur helfen kann, wenn regelmäßig über sie geredet wird. Ob der Anlass dann ein TV-Auftritt oder ein Interview mit Obama-Kritik ist, gerät da fast zur Nebensache.
Linktipps:
- Das Atlantic-Interview, in dem Hillary Clinton auch ausführlich über den Gaza-Krieg, Israels Premier Benjamin Netanjahu sowie das iranische Atomprogramm spricht, finden Sie hier.
- Barack Obama hat dem New York Times-Kolumnisten Thomas Friedman vor seinem Urlaub ein langes Interview gegeben - inklusive eines einstündigen Videos. Darin verteidigt er ausführlich seine Nahost-Politik.
- Obamas Einsatz mit beschränkter Feuerkraft: SZ-Korrespondent Nicolas Richter analysiert die US-Intervention im Irak.
- Wieso die Dschihadisten von IS für die Welt und den Westen gefährlicher sind als al-Qaida, erläutert Tomas Avenarius in diesem SZ-Leitartikel.