Ex-Agent vor Gericht:Prozess gegen Mauss: Ein Zeuge für alle offenen Fragen

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Werner Mauss soll Steuern in Höhe von mehr als 16 Millionen Euro hinterzogen zu haben. (Foto: Getty Images)
  • Die Staatsanwaltschaft Bochum wirft Mauss vor, Steuern in Höhe von mehr als 16 Millionen Euro hinterzogen zu haben.
  • Die Verteidiger des 77-jährigen Angeklagten stellten den Antrag auf Vernehmung eines Zeugen "in führender Stellung einer ausländischen Sicherheitsbehörde".
  • Bisher hatte sich das Gericht nicht überzeugen lassen, diesen Zeugen unter den von der Verteidigung gestellten Bedingungen überhaupt vorzuladen.

Von Ralf Wiegand

Seit nunmehr sieben Monaten arbeitet sich das Bochumer Landgericht Montag für Montag durch das Vermögen des deutschen Privatagenten Werner Mauss, stellt Montag für Montag die gleichen Fragen - und Montag für Montag bleiben fast alle Fragen offen. Jetzt sollen sie gleich alle auf einmal beantwortet werden, von einem einzigen Zeugen.

Die Verteidiger des 77-jährigen Angeklagten, dem die Staatsanwaltschaft Bochum vorwirft, Steuern in Höhe von mehr als 16 Millionen Euro hinterzogen zu haben, stellten an diesem Montag den Antrag auf Vernehmung eines Zeugen "in führender Stellung einer ausländischen Sicherheitsbehörde". Diese Person könne all das beweisen, was Mauss bisher nur behauptet: Demnach gehört das Vermögen, auf dessen Erträge Mauss über viele Jahre keine Steuern bezahlt hat, gar nicht dem berühmten Geheimagenten, sondern einer Gruppe von ausländischen Geldgebern, die es ihm nur treuhänderisch zur Verfügung gestellt haben.

Bisher hatte das Bochumer Landgericht sich nicht überzeugen lassen, diesen Zeugen unter den von der Verteidigung gestellten Bedingungen überhaupt vorzuladen. Schon der Antrag auf die Vernehmung sollte nicht öffentlich gestellt werden, um den ausländischen Geheimdienstler zu schützen, auch dessen Vernehmung sollte nicht öffentlich stattfinden.

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Inzwischen sei der Zeuge aber bereit, nach Bochum zu kommen, wenn für seinen Schutz gesorgt sei: am besten keine Öffentlichkeit, keine Angaben über ihn an die Medien. Nach SZ-Informationen könnte der Zeuge aber auch bereit sein, sich inkognito - etwa verkleidet oder hinter einer Sichtschutzwand - tatsächlich im Gerichtssaal vor Publikum vernehmen zu lassen.

Ein Geheimbund aus westlichen Diensten und Organisationen

Der Mann, nach Kenntnissen der SZ gehört er einem israelischen Geheimdienst an, ist heute angeblich 66 Jahre alt, seit 1981 Mitglied dieser Organisation und soll Ende der 1980er-Jahre Mauss' "Operator" gewesen sein - also eine Art Führungsoffizier. Inzwischen habe er Karriere gemacht und sei als "Head of division" zuständig für die Überwachung von Agenten und deren Mitteln. Mauss sei aber nicht einer von vielen, sondern stehe für "eine der längsten und erfolgreichsten Verbindungen mit einem Agenten".

Der Deutsche hat demnach für einen Geheimbund aus westlichen Diensten und Organisationen agiert, der ihm zu diesem Zweck ein üppiges Vermögen in Höhe von anfänglich rund 23 Millionen US-Dollar zur Verfügung gestellt habe. Dieser Geheimfonds habe nie ihm persönlich gehört. So argumentiert Mauss schon seit Beginn des Prozesses im September vergangenen Jahres. Nun soll der Zeuge, der "umfassende Kenntnisse zu dem Fonds und zu Mauss" habe, diese Version beweisen.

Der israelische Beamte könne belegen, dass das in dem Fonds angelegte Vermögen stets Eigentum der Treugeber gewesen sei, dass sie es jederzeit zurückfordern könnten und Mauss zur Rückgabe des Geldes verpflichtet sei. Diese Treugeber hätten die Organisation des Fonds in die Hände der Israelis gelegt, denen gegenüber Mauss habe Rechenschaft ablegen müssen.

Der Zeuge werde aussagen, dass Mauss "an der langen Leine" geführt worden sei und durchaus "Spielräume" bei der Verwendung des Geldes gehabt habe, der Vermögensstock von 23 Millionen US-Dollar sich aber keinesfalls habe verringern dürfen. Auch alle Transfers des Geldes über verschiedene Stiftungen und Länder in eine derzeit aktuelle Lombard-Lebensversicherung, so werde der Zeuge bestätigen, seien mit dem Dienst abgestimmt gewesen.

"Aus Tarnungsgründen" hätten die Geldgeber zugestimmt, "den Anschein einer privaten Verwendung" des Vermögens zu erwecken. Mauss hat gegenüber seiner Bank die regelmäßigen Barentnahmen von 120 000 bis 150 000 Euro zum Beispiel mit Baumaßnahmen an seinem privaten Anwesen begründet. Selbst die detaillierte Verteilung des Vermögens an seine Erben, von Mauss minutiös festgelegt, sei nur Teil dieser Tarnung.

Auch wenn Mauss überraschend sterben würde, so werde der Zeuge zu Protokoll geben, gingen die Geldgeber davon aus, dass seine Erben das Vermögen an die wahren Eigentümer zurückgeben würden. Einklagen allerdings würden sie die Herausgabe nicht: Zum einen sei überhaupt nicht vorgesehen, das immense Vermögen jemals wieder dem regulären Haushalt eines Staates zuzuführen, zum anderen stehe der Verlust des Geldes in keinem Verhältnis zu dem Risiko, dass Mauss' Netzwerke in einem Prozess aufgedeckt werden könnten. Die Beziehung, so werde der Zeuge aussagen, beruhe "auf wechselseitigem Vertrauen".

Dass Mauss für den Fall, dass keiner seiner Erben mehr leben würde, zwischenzeitlich die Einrichtung eines Museums, das an ihn erinnern soll, verfügt hat, erklärte der Angeklagte selbst am Montag so: in der Bank habe es Gerüchte gegeben, die für ihn "sehr gefährlich" hätten werden können; deshalb habe er seine Legende, dass es sich um sein privates Geld handeln würde, "verfeinern" müssen. Auch das sei aber mit den Treugebern koordiniert gewesen.

8,5 Millionen US-Dollar von einem Konto auf den Bahamas

Sollte Mauss außer Dienst gestellt werden - noch behauptet er, aktiver Agent zu sein - sei geplant, das Treuhandvermögen auf einen Nachfolger, einen anderen Agenten, zu übertragen. Das sei so üblich: Auch habe Mauss 8,5 Millionen US-Dollar von einem Konto auf den Bahamas überwiesen bekommen, das durch die Abschaltung eines dortigen Agenten frei geworden sei. Bisher hatte Mauss behauptet, die Bahamas-Millionen stammten aus einer aufgelösten Geldanlage.

Die Option auf diesen Zeugen kommt spät im Verfahren. Schon seit 2012 laufen die Ermittlungen gegen den früheren Agenten der Bundesregierung, seit September 2016 der Prozess - die Treugeber, so die Verteidigung, hätten das Verfahren schlicht und einfach "unterschätzt". Mauss hatte zu einem früheren Zeitpunkt schon einmal gesagt, er werde eventuell ins Gefängnis gehen müssen, wenn die Treugeber zu dem Ergebnis kämen, die geheime Sache sei wichtiger als er selbst. Nun aber verspricht die Verteidigung einen Zeugen, der alle Widersprüche auflösen soll. Und was sie ankündigen, passt genau in die Strategie von Mauss: Er durfte handeln, als sei es sein Geld, ohne dass es je seines war. Ein Alptraum für Steuerprüfer, ein Traum für jeden Finanzjongleur, der Mauss zweifelsohne auch ist.

Die Strategien zur Geldanlage habe allerdings eine eigene Abteilung in dem betreffenden Geheimdienst ausgearbeitet. So sei Mauss angewiesen worden, vor allem sehr riskante Hochzins-Anleihen in kritischen Schwellenländern zu tätigen - der Geheimdienst habe das Risiko solcher Geschäfte vorher ausgekundschaftet. Dem deutschen Agenten sei auch erlaubt gewesen, diese Anlagestrategien für sein privates Vermögen zu übernehmen. Auch die Verwendung des Geldes sei reglementiert gewesen: Mauss habe davon seine Netzwerke bezahlt, Informanten rekrutiert, verdeckte Fahrzeuge angeschafft und unterhalten, seine vielen Legenden aufrecht erhalten und "passive Personen" bei der Stange gehalten - "closed and available" nennt der Dienst solche stillen Informanten-Reserven.

Auch habe Mauss - eine interessante Formulierung - "Gelder, die nicht als Lösegeld, sondern an Stelle von Lösegeldern" geflossen seien, aus dem Fonds entnehmen dürfen. Seit Jahren verwahrt sich Mauss auch gerichtlich gegen die Behauptung, bei von ihm geleiteten Geiselbefreiungen sei auch nur ein einziges Mal Lösegeld geflossen. "An Stelle von Lösegeld", damit seien zum Beispiel humanitäre Hilfsgüter gemeint.

Die Verteidigung geht davon aus, den Antrag auf Vernehmung des mysteriösen Zeugen nun nach zweimaliger Nachbesserung derart präzise gestellt zu haben, dass er, so Mauss' Anwalt Rainer Hamm, "unter keinen Umständen" abgelehnt werden könne. Das mutet an wie ein dezenter Hinweis darauf, dass die Verteidiger bereits Gründe für eine Revision suchen, falls der Vorsitzende Richter Markus van den Hövel doch auf den Showdown in Bochum mit dem Kronzeugen der Verteidigung verzichten sollte.

Unter den Anwälten von Mauss gilt als sicher, dass mit diesem Zeugen der Prozess für ihren Mandanten steht oder fällt. Eine Entscheidung darüber wird wahrscheinlich am 8. Mai verkündet, dann wird der Prozess gegen Werner Mauss fortgesetzt. Weil auch noch fünf Zeugen aus dem Luxemburger Banksektor vernommen werden sollen, von denen am Montag schon der erste unentschuldigt nicht erschienen ist, könnte sich das Verfahren bis weit in den Sommer ziehen.

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