Corona-Hilfspaket:Die Euro-Zone braucht strengere Regeln

European Commission President Ursula von der Leyen addresses the Plenary of the European Parliament, amid the coronavirus disease (COVID-19) outbreak, in Brussels

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen präsentierte ihre Pläne am Mittwoch im Europäischen Parlament in Brüssel.

(Foto: Johanna Geron/REUTERS)

Es ist gut, dass die EU den besonders von der Krise getroffenen Staaten unter die Arme greift. Aber das Schuldenmachen darf nicht Dauerzustand werden.

Kommentar von Björn Finke, Brüssel

Das Corona-Hilfspaket, das EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch vorstellte, verdient einiges Lob. Jetzt sind die Staats- und Regierungschefs am Zug - sie werden darüber debattieren und müssen sich schließlich einigen. Das wird schwierig, denn es gibt unterschiedliche Interessen. Daher ist klar, dass manche Punkte im Entwurf der Kompromisssuche zum Opfer fallen werden. Hoffentlich sind es nicht zu viele und zu wichtige.

Zu den Pluspunkten des Vorschlags gehört zweifellos das üppige Volumen. Von der Leyen will 750 Milliarden Euro zur Bewältigung der wirtschaftlichen Corona-Folgen auszahlen. Das ist eine kraftvolle Antwort auf Vorwürfe aus Ländern wie Italien, dass die EU in der Krise nicht genug Solidarität zeige. Vernünftig ist auch, dass der Großteil als Zuschuss fließen soll und nicht bloß als günstiges Darlehen. Von der Pandemie besonders betroffene Staaten wie Italien und Spanien haben bereits mehr als genug Schulden; für sie sind EU-Kredite keine große Hilfe.

Die Regierungen von Österreich, den Niederlanden, Dänemark und Schweden sehen Zuschüsse sehr kritisch. Doch können sie sich darüber freuen, dass von der Leyen den Geldsegen wie von ihnen gefordert an Auflagen knüpft. Die Kommission will gezielt staatliche Investitionen und Reformen unterstützen; die Mittel sollen die Wirtschaft in den Ländern moderner, wettbewerbsfähiger und grüner machen. Regierungen, die nicht mitziehen, erhalten nichts - und das völlig zu Recht. Die Milliarden müssen Hilfe zur Selbsthilfe sein und dürfen nicht verschwendet werden, um Pfründe zu verteilen oder Haushaltslöcher zu stopfen.

Die Rettung ist nicht umsonst

Löblich ist auch, dass die Kommission Auszahlungen vom Funktionieren des Rechtsstaats abhängig machen will. Einem Land ohne unabhängige Gerichte kann man kein Fördergeld anvertrauen. Zugleich könnte die Drohung mit finanziellen Nachteilen die Regierungen in Polen und Ungarn in ihrem fatalen Eifer bremsen, den Rechtsstaat zu demontieren.

Nun geht es zunächst darum, einen Konsens für das Paket zu finden und es danach durch die Parlamente zu bringen. Ist das geschafft, müssen sich die Regierungen aber schleunigst der Frage widmen, wie sie verhindern können, dass solche Programme überhaupt nötig werden. Zwar trägt keine Regierung Schuld daran, dass die Pandemie ihre Wirtschaft brutal ausbremst. Doch die Ausgangslage der Finanzminister ist sehr verschieden. Viele Regierungen haben den jahrelangen Aufschwung genutzt, um Schulden zu senken. Andere, etwa die in Paris oder Rom, haben die Chance verstreichen lassen - und jetzt weniger Spielraum, um auf die Pandemie zu reagieren. Ohne den Hilfstopf könnten derartige Unterschiede die EU wirtschaftlich und politisch zerreißen.

Die Rettung ist aber nicht umsonst. Die EU-Anleihen, die den Topf füllen, müssen zurückgezahlt werden: mit dem Geld der Steuerzahler, vor allem der deutschen. Solche Transfers sind nur zu rechtfertigen, wenn Staaten alles dafür tun, um eine Wiederholung zu vermeiden. Ansonsten könnte das muntere gemeinsame Schuldenmachen zur Dauerübung werden. Deswegen braucht die Euro-Zone dringend schärfere Regeln zur Finanzpolitik. Der Stabilitätspakt, der die Staaten zu solider Haushaltsführung anhalten soll, ist in der Krise ausgesetzt worden. So bald wie möglich sollten ihn die Regierungen wieder aktivieren - und mit mehr Biss versehen.

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